Hauptbild
Geschützte Noten. Foto: Hufner
Geschützte Noten. Foto: Hufner
Hauptrubrik
Banner Full-Size

Verbotene Noten – Dilemma zwischen Gesetz und Praxis

Untertitel
Ein Symposium der Jeunesses Musicales zum Urheberrecht in Regensburg
Publikationsdatum
Body

Solange ein Werk nur im Kopf des Urhebers existiert, ist es frei. Sobald es aber niedergeschrieben wird, beginnen die Probleme. So lautete die Eingangserkenntnis von Rechtsanwalt Michael Metzner beim Symposium des Landesverbands Bayern der Jeunesses Musicales Deutschland zum Thema Urheberrecht. Vor allem sollte es um das Kopieren von Noten gehen – und dass dies tatsächlich Probleme und Konflikte aufwirft, zeigte das Interesse sowohl der geladenen Diskutanten als auch des Publikums, das am 27. November 2010 nach Regensburg gekommen war.

Die Fronten scheinen zunächst klar zu sein: Auf der einen Seite Verbandsvertreter, die für Musikschulen, Musikpädagogen, Jugendorchester, junge Musiker und Musikvereine sprechen – auf der anderen Seite die Musikverleger und die VG Musikedition. Letztere vertritt als Verwertungsgesellschaft die Verleger, wenn es um Notenkopien geht. Welche Kompetenzen und Zuständigkeiten die VG hat, beziehungsweise was die einzelnen Verlage selbst verhandeln und entscheiden, gehörte zu den zentralen Fragen, die bei der Veranstaltung auf den Tisch kamen. Und es zeigte sich bald: Natürlich divergieren die Interessenlagen. In zwei Grundsatzfragen aber sind sich alle Akteure einig: Das Recht des Urhebers muss geschützt werden, und die Förderung musikalischer Bildung und musikalischen Tuns ist im Interesse aller. Eigentlich sollte das Basis genug sein, um in strittigen Fragen zu Einigungen zu kommen. Bisher ist dies nicht oder nur begrenzt gelungen, aber die Bereitschaft aller am Ende des Tages, das Gespräch mit konkreten Fragestellungen, Wünschen und Forderungen fortzusetzen, lässt hoffen.

Schon die Bedürfnisse und Interessen einzelner Verbandsvertreter differieren. Einig sind sich alle: Es gibt – sei es im Unterricht, beim Vortrag, im Jugendorchester oder im Verein – Situationen, in denen das Kopieren von (geliehenem oder gekauftem) Notenmaterial unumgänglich ist. Das wiederum ist jedoch grundsätzlich verboten; Ausnahmeregelungen gibt es lediglich in allgemeinbildenden Schulen, deren Recht, Unterrichtskopien auch von Noten zu machen, durch die KMK pauschal abgegolten wird. Darüber hinaus aber gibt es zahlreiche Beispiele für praktische Alltags-Erfordernisse: Das zusätzliche Notenblatt für ein problemloses Umblättern rangiert ganz oben, auch Leseexemplare zeitgenössischer Literatur für die Jury bei „Jugend musiziert“. Jugendorchester brauchen zusätzliche Kopien für das häusliche Üben – oder auch für den Notfall, wenn ein Jugendlicher seine Stimme vergisst oder verliert. Praktikable Formate für das Musizieren im Verein oder für das Verschicken von Noten lassen sich nur durch entsprechend geschicktes Kopieren erzeugen. Der Klavierbegleiter beim Liederabend müsste, sollte er nur aus Originalen spielen, Berge von Notenbänden auf die Bühne schleppen. Und und und …

Thomas Tietze, Justiziar des Bärenreiter Verlags und Vorstandsmitglied des Musikverlegerverbands, zeigte nicht nur Verständnis für solche Bedürfnisse; er hatte auch seine Hausaufgaben insofern erledigt, als er mit den Verlegerkollegen im Verband viele dieser Einzelfälle im Vorfeld diskutiert hatte. Er kam mit kleinen Geschenken und versprach jede Menge zugedrückte Augen in Sachen Umblätterkopie. Andererseits war er erwartungsgemäß nicht in der Lage, im Sinne aller Verleger Entscheidungen zu treffen. So lautete eine der klaren Erkenntnisse des Tages: Sinnvoll ist es, bei allen Fragen, die Ausnahmegenehmigungen erfordern, direkt mit dem Verlag zu sprechen. Kaum ein Kollege sei nicht bereit, in solchen Fällen Entgegenkommen zu zeigen, so Tietze. Und bot sogleich seine persönliche Hilfe an, sollte es im Einzelfall Probleme geben. Dieses recht weitgehende Angebot würdigte auch Gitta Connemann, kulturaffine MdB, in ihrer Stellungnahme. Für die Aussage zum Beispiel des stellvertretenden DTKV-Vorsitzenden, Dirk Hewig, sein Verband sei an einer Einigung mit Verlagen und VG Musikedition interessiert, sollte dies aber nicht gelingen, sei „das Urheberrecht in seiner jetzigen Form keine heilige Kuh“, zeigte Connemann durchaus Verständnis, aber sie riet aus Politikersicht dazu, erst alle anderen Wege zu versuchen, bevor der Gesetzgeber angerufen werde. „Die Parlamentarier würden sich mit einer solchen Gesetzesänderung schwer tun“, lautete ihre Erklärung. Gleichzeitig unterstützte sie die Feststellung, die bereits von Uli Wüs­ter, Generalsekretär der Jeunesses Musicales Deutschland, getroffen worden war: Arbeit und Informationspolitik der VG Musikedition entbehren der Transparenz, wie überhaupt die mangelnde Transparenz bei den Verwertungsgesellschaften bereits Thema des Abschlussberichts der Enquete „Kultur in Deutschland“ gewesen sei.

Christian Krauss, Geschäftsführer der VG, kam zu Wort, nachdem er diverse Kritik und manche versteckte Kampfansage hatte einstecken müssen. Und konnte immerhin klarstellen: Neben den hier formulierten Wünschen der Verbände nach bezahlbaren Ausnahmeregelungen vom Kopierverbot gibt es eben auch die vielen echten „Sünder“, die Kopien illegal in großen Mengen herstellen, um schlicht Geld zu sparen – ohne jegliches Verständnis für die Interessen der Rechteinhaber. Dass dies kein Kavaliersdelikt ist und nicht nur dem Urheber, sondern auch der kulturellen Vielfalt in Deutschland schadet, wollte keiner der Gesprächspartner leugnen. Ob es aber – zum Beispiel mit dem Verband deutscher Musikschulen – zur Annährung kommen wird, ließ auch VdM-Geschäftsführer Matthias Pannes offen. Zurzeit liegen die Gespräche über eine von der VG geforderte Pauschalsumme für Notenkopien in den Musikschulen auf Eis. Pannes hatte zuvor ein Rechts-Gutachten zum Kopieren von Noten im Rahmen der Musikschularbeit vorgestellt. Wichtige Erkenntnisse aus diesem: Das Urhebergesetz verbietet das Kopieren von Noten im Musikschulbereich; die Regelungen lassen kaum Spielräume für den Bedarf in der Praxis. Gleichzeitig ist es offenbar nicht Ziel des Gesetzgebers, Verletzungen des Verbots im Einzelfall zu kriminalisieren. Auch die Schadensersatzpflicht nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch soll sich an der wirklichen Schadenshöhe orientieren. Und: Kontrollen durch die VG Musikedition in den Musikschulen durch Aufenthalt in den Räumen oder Befragung von Schülern sind nicht rechtens und müssen nicht hingenommen werden. Dass es solche Versuche in der Vergangenheit gegeben habe, wurde von Christian Krauss im Übrigen explizit bestritten.

Nicht alle Unklarheiten konnten in der immerhin von gegenseitigem Respekt geprägten Diskussion, moderiert von nmz-Herausgeber Theo Geißler, geklärt werden. Einhellige Meinung aber war, dass der Jeunesses Musicales Bay­ern mit ihrem Vorsitzenden Wolfgang Graef-Fograscher Dank gebührte für die Initiative, Menschen und Positionen zusammen und das gemeinsame Gespräch in Gang zu bringen. Am Ende des Tages war zumindest einiges klarer, was sich vorher in diffusen Grauzonen bewegt hatte, seien es ganz konkrete rechtliche Fragen der alltäglichen Musizierpraxis, seien es Positionen der einzelnen Interessenvertreter. Die konkrete Vereinbarung lautet – und mehr war von einem solchen Tag sicher nicht zu erwarten: Das Gespräch zwischen den Akteuren geht weiter. Und: Die Verlage haben ein offenes Ohr für die Bedürfnisse jener Player im Musikleben, die das Urheberrecht grundsätzlich für schützenswert halten und auch bereit sind, im angemessenen Umfang dafür zu bezahlen.

Lesen Sie dazu den Kommentar auf Seite 14

Weiterlesen mit nmz+

Sie haben bereits ein Online Abo? Hier einloggen.

 

Testen Sie das Digital Abo drei Monate lang für nur € 4,50

oder upgraden Sie Ihr bestehendes Print-Abo für nur € 10,00.

Ihr Account wird sofort freigeschaltet!