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Einer der wichtigsten Komponisten des Hollywood-Kinos: Franz Waxman
Einer der wichtigsten Komponisten des Hollywood-Kinos: Franz Waxman
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Von Berlin zum Sunset Boulevard: der deutsche Filmkomponist Franz Wachsmann

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Wie haben Sie das gemacht, Mr. Billy Wilder? 1997 tritt der Hollywood-Regisseur Cameron Crowe („Almost Famous“) in die Fußstapfen seiner Kollegen Truffaut und Bogdanovich und befragt sein Idol nach dem „Wilder Touch“. Zwischen den Interview-„Sessions“ trifft er sich aber auch mit anderen Fans wie Steven Spielberg, der einige Aspekte von Wilders Karriere erörtert, und besonders eine Sequenz aus „The Spirit of St. Louis“ mit James Stewart als Charles Lindbergh hervorhebt, die Franz Waxman orchestrierte:

„Aus dem Gedächtnis beschreibt Spielberg jede Einstellung der Sequenz, in der Stewart im Cockpit einschläft. Ein Sankt-Christopherus-Medaillon, das eine Reporterin ihm gegeben hat und das er am Armaturenbrett befestigt hat, reflektiert im sich drehenden Cockpit das Licht, bis es auf Stewarts Auge fällt und ihn aufweckt. Das zufällige Wunder rettet den Flug und Lindberghs Leben. Im letzten Moment kann Lindbergh das trudelnde Flugzeug auffangen.

Beim Erzählen dieser Szene, die sehr viel mit der Magie Spielbergs eigener Filme zu tun hat, beginnt der Regisseur, Franz Waxmans üppige und persönliche Filmmusik zu summen und weist darauf hin, dass Waxman irische Elemente eingearbeitet hat, als Lindbergh Irland überfliegt.“ Cameron ist beeindruckt von Spielbergs notengetreuer Wiedergabe des Waxman-Scores. Wobei ihm nicht bewusst ist, dass Spielberg so etwas wie das „musikalische Gedächtnis“ von Hollywood darstellt. Wilder & Waxman, das war ein Traumpaar, und das obwohl der einstige „rasende Reporter“ von Wien und Berlin total unmusikalisch war, wie er Crowe gegenüber zugibt, „weil ich nicht pfeifen kann, nicht singen kann, nicht Klavier spielen kann“. „Intuitiv“ aber verstand man sich seit den frühen Tonfilmjahren bei der UfA, als Franz sich noch Wachsmann schrieb. Fast drei Jahrzehnte lang kam es immer wieder zu einer Zusammenarbeit - zwischen Berlin, Paris und Hollywood: „Der Mann, der seinen Mörder sucht“, „Scampolo“, „Mauvaise graine“, „Music in the Air“, „Sunset Boulevard“, „The Spirit of St. Louis“, „Love in the Afternoon“. Zählt man noch einige Kino-Geschöpfe hinzu, Lola-Lola, Liliom, Frankenstein, Dr. Jekyll & Mr. Hyde, Rebecca und Prinz Eisenherz, kann man einen ersten Eindruck bekommen von dem „kühnsten“ Filmkomponisten Hollywoods, wie ihn sein Kollege Elmer Bernstein einmal bezeichnet hat.

Entdeckt wurde der jüdische Musiker Franz Wachsmann Ende der Roaring Twenties von dem musikalischen Tausendsassa Friedrich Hollaender, der nach einem Pianisten für seine „Weintraub Syncopators“ suchte, der „besten Jazzband von Berlin“, wie es damals hieß. Dort sammelte der im oberschlesischen Königshütte geborene Musikus Erfahrungen im Komponieren und Arrangieren. 1929 hatten die „Weintraubs“ den Schlager der Saison: „Am Sonntag will mein Süßer mit mir segeln geh’n“: Ungefähr zur selben Zeit, als dieser – nicht von ihm komponoierte – Hit aus allen Grammophontrichtern erklang, schrieb Franz Wachsmann seinen ersten Tonfilmschlager: „Ewige Liebe, das gibt’s nur im Roman“. Der Kino-Ulk trug übrigens den schönen Titel „Das Kabinett des Larifari“ – und der ganz junge Erik Ode, der spätere „Kommissar“, war auch mit dabei. Als Friedrich Hollaender im Herbst 1929 von Josef von Sternberg für „Der Blaue Engel“ verpflichtet wurde, bestimmte er seinen Freund Franz Wachsmann als musikalischen Leiter dieser Erich-Pommer-Produktion.

Hollaender schrieb zwar alleine die Lieder für Marlene Dietrich, aber für den typischen Tingel-Tangel-Sound des „Blauen Engel“ waren beide verantwortlich. Schon 1930 experimentierten Wachsmann & Hollaender in ihrem gemeinsamen Score für Robert Siodmaks groteske Jules-Verne-Verfilmung „Der Mann, der seinen Mörder sucht“ mit der „Ätherwellen-Musik“ des Theremin. Bis 1933 arbeiteten die beiden an fünf Filmen zusammen.

Zwei Tage nach der Premiere von Hollaenders wunderbarem Regiedebüt „Ich und die Kaiserin“ brannte der Reichstag. Erich Pommers Traum von einem durch und durch musikalischen Kino war vorbei. Über Nacht verließen Pommers jüdische „Ton-Körper“, Hollaender, Heymann & Wachsmann, Berlin in Richtung Paris. Zum Zentrum der Berliner Emigrantenszene entwickelte sich dort sehr schnell das Hotel Ansonia. Dort fand Marlene Dietrich bei ihrem Parisbesuch im Sommer 1933 nach langen Recherchen auch die Macher des Chansons vor, das ihr seit Monaten im Kopf herumspukte: „Allein in einer großen Stadt“. Berliner Weltschmerz par excellence von Max Colpet und Franz Wachsmann. Einst hatten die beiden das Lied für Trude Kolman geschrieben, die es im Berliner Cabaret „Katakombe“ vortrug.

Als Chef der europäischen „Fox“ in Paris verpflichtete kurz darauf Erich Pommer Franz Wachsmann als Filmkomponisten für Fritz Langs traumhafte „Liliom“-Verfilmung. Wieder verwendete Wachsmann in seinem Score ein elektronisches Instrument: das Ondes Martenot. Über den Umweg Paris schließlich landete Wachsmann durch die Protektion von Pommer 1934 in Hollywood. Sein „Liliom“-Soundtrack beeindruckte dort Regisseur James Whale so sehr, dass er ihn unbedingt für sein nächstes Projekt haben wollte: „Frankensteins Braut“. Der Rest ist Hollywood-Geschichte. Bereits ein Jahr später wurde Franz Waxman – wie er sich jetzt schrieb – „Musical Director“ der Universal Pictures. Später bei M-G-M komponierte er sogar die Firmenfanfare für den brüllenden Löwen im Vorspann. Über drei Jahrzehnte lang, bis zu seinem Tod 1967, sollte Franz Waxman zu den wichtigsten Komponisten Hollywoods gehören. Anfang der Fifties zeichnete man ihn mit zwei „Oscars“ aus, für „Sunset Boulevard“ und „Ein Platz an der Sonne“. Und bis zum „Fenster zum Hof“ gehörte Franz Waxman auch zu den Hauskomponisten von Alfred Hitchcock. Man sagt, Hitchcock sei durch ihre gemeinsame Arbeit an „Rebecca“ erst musikalisch „erwachsen“ geworden.

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