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Welcome to my World

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Das Exzellenz-Labor Gesang hat „seinen“ Platz eingenommen
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„Sing’ nicht für Dich, Du musst es mir erzählen“, fordert Mental- und Auftrittscoach Annette Berg die junge französische Sängerin Sandrine Droin heraus, die dem emotionalen Gehalt von Puccinis Turandot-Arie „Signore, ascolta“ auf der Spur ist. Fausto Nardi, Dirigent aus Florenz, sekundiert, um die Rhetorik natürlich aus der Partitur heraus zu entwickeln: „Die Phrase hier darfst Du auf keinen Fall unterbrechen, und keine Betonung am Ende! Wie soll es sonst jemals traurig klingen?“ Und dann singt sie es, so wahr und schön, dass der jungen Sängerin selbst die Tränen kommen. „Diese Grenze musst Du ausloten“, weiß Annette Berg. Denn an dieser „cutting edge“ ereignet sich der subjektiv wahre Ausdruck. „Welcome to my World“ ist die Mission des Sängers, „aber bitte nicht privat werden“.

Insgesamt 12 junge Sängerinnen und Sänger aus Deutschland, Frankreich, Italien, der Schweiz, der Ukraine und Armenien, von denen nur wenige noch in den letzten Semestern studieren und die meisten sich mit ers­ten Engagements, Wettbewerben und Vorsingen den Weg in die berufliche Laufbahn bahnen, nahmen im September am zehntägigen Exzellenz-Labor Gesang teil, das die Jeunesses Musicales Deutschland nach einem ermutigenden Start im Vorjahr bereits zum zweiten Mal durchführte. Mit von der Partie waren auch drei junge Pianisten, die als Korrepetitoren am Theater arbeiten möchten oder dies bereits tun.

Das Exzellenz-Labor Gesang ist seit 2014 ein dritter hochkarätiger Baustein in der „Opernlinie“ der JMD, seit 1965 begründet mit den anspruchsvollen Produktionen der „Jungen Oper Schloss Weikersheim“ und seit 2010 erweitert mit dem Europäischen Gesangswettbewerb DEBUT. Idee und Konzept des Exzellenz-Labors wurden von der Sängerin Hedwig Fassbender, Professorin an der Frankfurter Musikhochschule, als eigenständiges Format entwickelt: Der Intensivkurs ist ein hochwertiges Angebot auf dem Weg zum Berufserfolg, das hervorragenden jungen Sängern hilft, ihr Profil zu schärfen, um im heutigen Musikbetrieb kompetent, selbstbewusst und (wieder-)erkennbar aufzutreten. Die individuell zugeschnittene Kursarbeit vermittelt letzten Schliff in Technik, Stilistik und Bühnenpräsenz. Gearbeitet wird in Einzel- oder Gruppencoachings sowie im Team-Teaching. Kollegialer Respekt und  wertschätzender Umgang miteinander ermöglichen eine Atmosphäre des Vertrauens – „auf Augenhöhe“.

Das gilt, selbst wenn er Alix Le Saux um zwei Köpfe überragt, auch für Umberto Finazzi, der mit der agilen Mezzosopranistin die Rosina-Arie „Una voce poco fa“ aus Rossinis Barbiere arbeitet. Der renommierte Coach der Mailänder Scala verleiht seinen Anregungen mit Mimik und Gestik Plastizität. „Nicht diese unbedingte Süße. Hier, schon nach dem ersten Halbsatz, zeigt Rosina ihre andere Natur: sprunghaft, frech, fordernd. Da, eine winzige Pause, zum Luftholen im selben Duktus!“ Bald darauf steckt er mit dem jungen Pianisten Benjamin Laurent, der zu den Mitgliedern des Pariser Opernstudios gehört, am Flügel die Köpfe zusammen, um den klangvollsten Fingersatz für Rossinis Begleitmechanik zu suchen. Derweil schaltet sich Sänger und Agent René Massis ein, der veranschaulicht, wie bei der Koloratur die Mundöffnung von der Höhe zur Tiefe verringert werden soll, um den Fokus des Klangs zu halten.

Es sind diese feinen Unterschiede, die einen guten Gesang und eine schöne Stimme erst zum „Sprechen“ bringen – und zwar unmittelbar!

Allesamt sind die Sänger schon Profis, wie etwa Sopranistin Elisabeth Auerbach, die bei DEBUT 2014 den Kurs als Sonderpreis der JMD gewann und, obwohl bereits in Heidelberg im Engagement, dankbar ist für diese Chance auf weitere Kultivierung ihrer Kunst. Oder Tenor Oleksiy Palchykov, Mitglied des Pariser Opernstudios, der nach seinem Achtungserfolg bei DEBUT 2012 in diesem Jahr als Finalist bei „Cardiff-Singer of the World“ international Aufsehen erregte. Für ihn zahlte sich der Kurs unmittelbar aus, indem er sich am vorletzten Kurstag  ein Festengagement an einem großen deutschen Theater ersang. Eine Überraschung barg der Kurs für Mezzo Bettina Gfeller, aus der Hedwig Fassbender dann doch eine waschechte Sopranistin ausmachte. Als man im Abschlusskonzert ihr aus dem Pianissimo sich wundersam aufschwingendes hohes „as“ in der Cavatine der Agathe aus Webers „Freischütz“ hörte, so klar und rein und ganz ohne jede falsche Vibrato-Couvertüre, dann wurde man mit Gänsehaut Zeuge, wie sich aus dem vorher eher unscheinbaren Mezzo ein wundervoller Sopran erhob.

Beim fulminanten Abschlusskonzert im gut gefüllten Saal des Historischen Museums Frankfurt wurden die jungen Künstlerinnen und Künstler mit dem begeisterten Applaus eines kunstverwöhnten Publikums, der Freunde Junger Musiker Frankfurt und der Vertreter der Deutsche Bank Stiftung belohnt, deren überzeugter Förderung die Durchführung des Exzellenz-Labors Gesang zu danken ist.

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