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George Glück und Ich + Ich (Annette Humpe, Adel El-Tawil). Foto: Martin Hufner
George Glück und Ich + Ich (Annette Humpe, Adel El-Tawil). Foto: Martin Hufner
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Wiederholung und Differenz, die Dritte

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Eindrücke von der Verleihung der Musikautorenpreise der GEMA 2011
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Zum dritten Mal wurde am 14. April der Deutsche Musikautorenpreis der GEMA, Motto: Urheber ehren Urheber, verliehen. Anstelle des gewohnten Verleihungsplatzes im Axica-Gebäude am Brandenburger Tor hatte man dieses Mal das Hotel Ritz-Carlton am Potsdamer Platz nehmen müssen. Zeitgleich musste sich nämlich die NATO am Brandenburger Tor besprechen. 300 Gäste aus Politik, Wirtschaft und Kultur fanden sich trotzdem zur Essens-Gala ein.

In insgesamt zehn Kategorien wurde der Musikautorenpreis 2011 vergeben – von „Komposition Oper/Lied“ bis zu „Komposition Rock“, von „Text Liedermacher/Lied“ bis „Text Schlager“. Die Trophäe in Form eines stilisierten Notenschlüssels erhielten: Reinhard Mey, Ulrich Reuter, Prof. York Höller, Prof. Dr. Hans Werner Henze, Jutta Staudenmayer, Annette Humpe, Adel El-Tawil, Florian Fischer, Sebas­tian Kirchner (Ich + Ich), Matthias Jabs, Klaus Meine, Rudolf Schenker (Scorpions), Prof. Aribert Reimann, Alin Coen sowie Der Graf und Henning Verlage (Unheilig). Soviel zur reinen Information. Denn die Preise sind ja bis auf einen eher der Ehren halber.

Bekannte Beimusik

Die Beimusik spielt bei der Veranstaltung die größte Nebenrolle. Die Reden, Laudationes und Dankesworte sind neben dem Essen und Sich-Treffen und Händeschütteln nicht ganz unwichtig. Immer dazwischen, und manchmal Reste des „guten Geschmacks“ streifend, wenn nicht übertretend „nennen wir sie der Einfachheit halber launig“, der Moderator Dieter Moor. Wie würdig oder unwürdig das Spektakel und seine Protagonisten vielleicht auch agierten, die Veranstaltung verändert sich und verändert sich nicht. In seinen Grußworten wiederholt sich beispielsweise der Kulturstaatsminister Bernd Neumann, dass man sie vielleicht in Zukunft nur wiederholen braucht – Einsparpotential für die Ausgaben der GEMA: „Urheber sind wichtig“ und „ich habe die Bagatellklausel gegenüber Frau Zypries gekippt“. Toll, wenn man weiß, was kommt. Denn was kommt, ist das, was war. In ihren Dankesworten überschlugen sich die Prämierten geradezu kniefallend gegenüber der GEMA, Moritz Eggert fand dafür den richtigen Begriff im Bad Blog Of Musick. So hat die GEMA (oder besser die Einnahmen, die man mit ihr erzielt) Reinhard Mey die musikalische Freiheit geschenkt, Annette Humpe kann damit sich und ihr Kind ernähren. Klaus Meine, Frontmann der Scorpions: „Wir werden oft gefragt: Was gebt ihr jungen Bands als Ratschlag? Glaubt an euch selbst, lebt euren Traum, folgt euren Herzen, versucht in euren Herzen die richtige Inspiration zu finden und vergesst nicht, euch bei der GEMA anzumelden. Besser isses!“ – Was denn anderes kann man bei so einer Preisverleihung an die eh schon von der GEMA Verwöhnten erwarten. Der einzige Preis, der an jemanden geht, der nicht entsprechende GEMA-Bezüge haben dürfte, ist der Nachwuchspreis. Der wird dann auch wenigstens honoriert, als Kompensation. Letztes Jahr hat ihn Johannes Kreidler bekommen, dessen Lob der GEMA trotzdem mindestens kritisch ausfiel. Alin Coen hat ihn dieses Jahr bekommen und war gerührt. Die Mischung aus Glamour und Selbstreferenzialität neigt sich da zu beiden Seiten gleichermaßen. Angenehm peinlich war der Auftritt von Stefanie Hertel als Laudatorin, die ihre „heile Welt“ auch in und gegen Fuku­shima zu verteidigen wusste. Auf jeden Text gehört eben ein grober Schlager.

Hans Werner Henze

Aber es gab auch eine sehr beeindruckende und bewegende Szene bei der Veranstaltung. Hans Werner Henze war persönlich gekommen, um den Preis fürs Lebenswerk entgegenzunehmen. Er kam über den Seiteneingang, still, leise und vorsichtig. Die Laudatio auf Hans Werner Henze hielt Nobert Lammert, der Bundestagspräsident. Diesen hat sich Henze auch gewünscht. Und es gibt vielleicht keinen zweiten politischen Redner, der so hintersinnig und klug formulieren kann. Der CDU-Mann feierte den Kommunisten. Aber eben nicht als politischen Menschen, sondern als Komponisten. „Notwendig sind nicht Museen, Opernhäuser und Uraufführungen, notwendig ist die Schaffung des größten Kunstwerks der Menschheit: die Weltrevolution“, zitierte er den Preisträger, um dann fortzufahren, „Hans Werner Henze erhält den Preis für den Nachweis, dass wir eben doch Opernhäuser und Uraufführungen brauchen. Die wichtigsten Revolutionen haben nicht in der Politik stattgefunden, sondern in der Kunst.“ Vielleicht stimmt es nicht, aber es klingt gut. Henze bedankte sich, vom Alter gezeichnet, in einfachen und kurzen Sätzen. Er freute sich über die empfundene „Brüderlichkeit und Freundlichkeit, auf die man nicht verzichten möchte“. Stehende Ovationen.

Aus dem E-Musik-Bereich erhielten York Höller (Kategorie Instrumentalmusik) – leider verhindert – und Aribert Reimann (Kategorie Oper/Lied) die Preise. Damit dürfte in diesem Jahr Reimann (53 Jahre Mitglied der GEMA) nach dem diesjährigen Erhalt des Siemens-Musikpreises zum Mini-Superstar der E-Musik-Szene aufsteigen. Dass Reimann Preisträger werden würde, wussten allerdings die Twitterer von „schottmusic“ schon eine halbe Stunde zuvor. Aha! Da stellt sich natürlich die Frage, welche undichten Stellen es da bei GEMA und Schott gibt? Obwohl, so wichtig ist das auch nicht.

Es ist nicht zu lamentieren, dass Reinhard Mey den Preis für Liedermacher bekommen hat und nicht Kons­tantin Wecker, Aribert Reimann und nicht Hans-Jürgen von Bose, York Höller und nicht Peter Michael Hamel. Aber man muss sich schon fragen, ob es nicht letztlich alles Lebenswerk-Preise sind, nur in den Sparten. Meys Zeit ist vorbei, auch Wecker ist aktuell nicht bedeutender als andere. Nur, wenn es das Lebenswerk in den Kategorien ist, für das einem die Ehre erwiesen wird, dann müsste man am bes­ten immer neue Kategorien erfinden (außer beim Nachwuchs – oder man will Reinhard Mey auch dort vielleicht noch ehren, verdient hätte er es). 2010 erhielt Rebecca Saunders den Preis, der 2011 an York Höller ging. Was ist in diesem Jahr passiert – außer dass sich die Zusammensetzung der Jury verändert hat? Zu Lammerts These zurück, „die Revolution finde in der Kunst statt!“ Dann wäre die Vertreibung der Urheber/Musikautoren wegen der Nato-Sache wohl ein Akt politischer Unvernunft oder Dummheit ohne Maß, oder?

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