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Neue Marke Mozartfest: Intendantin Evelyn Meining stellt ihr Festivalprogramm in der Bayerischen Vertretung in Berlin vor. Foto: Henning Schacht
Neue Marke Mozartfest: Intendantin Evelyn Meining stellt ihr Festivalprogramm in der Bayerischen Vertretung in Berlin vor. Foto: Henning Schacht
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Zeitgenössischer Klassiker: das Mozartfest Würzburg

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Ein Gespräch mit der Intendantin Evelyn Meining über ihr Festivalprogramm 2014
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Das Programm des Mozartfestes Würzburg 2014 ist überschrieben mit „Mozart – trazoM“. Es ist das erste Festival unter der künstlerischen Leitung der neu berufenen Intendantin Evelyn Meining, die vom Rheingau Festival an den Main gekommen ist. Vom 23. Mai bis zum 29. Juni wird es rund 60 Veranstaltungen geben, ein „MozartLabor“ und mit Jörg Widmann erstmals einen artiste étoile.

neue musikzeitung: Frau Meining, mit dem Programm 2014 legen Sie Ihre erste Arbeit für das Mozartfest Würzburg vor. Wie definieren Sie Ihren Auftrag als Intendantin?

Evelyn Meining:  Das Mozartfest Würzburg ist jetzt 93 Jahre alt, es wurde 1921 als Mozartwoche von Hermann Zilcher gegründet. Was sich in den Köpfen der Musikfreunde und Kulturkenner festgesetzt hat, war in erster Linie die bedeutende Tradi­tion des Festivals. Eine Tradition, die in den zahlreichen Konzerten mit dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks und den Bamberger Symphonikern samt ihren Chefdirigenten – darunter Eugen Jochum, Joseph Keilberth, Rafael Kubelik, Sir Colin Davis – begründet liegt. Auch bei den Solisten waren die Promis von Martha Argerich bis Fritz Wunderlich alle da. Die Träger des Mozartfestes, die Stadt Würzburg, der Freistaat sowie der Bayerische Rundfunk, hatten den Wunsch, das Mozartfest in die Zukunft zu führen. Nicht ein klingendes Museum ist heute gefordert, sondern Würzburg und sein Mozartfest als ein besonderer Ort der Auseinandersetzung mit Mozart.

nmz: „Mozart – trazoM. Musik im Spiegel“: Was verbirgt sich hinter diesem Motto?

Meining: Es ist mein Grundgedanke, Mozart exklusiv und neu zu begegnen und deshalb steht jede Ausgabe des Festivals unter einem Thema. „trazoM“ ist ein von Mozart selbst in manchen Briefen verwendetes Spiegelbild seines Namens. Ein Spiegel kann sehr viel mehr sein als ein einfacher Spiegel. Er kann eine Spiegelscherbe sein, ein Zerrspiegel, ein Spiegelkabinett, in welchem sich das Ursprungsbild immer weiter verliert, wo Verzerrungen oder Überblendungen stattfinden. So werden wir auch Wolfgang Rihm im Programm haben, der sich bekanntermaßen sehr viel mit Mozart beschäftigt hat und zum Mozartjahr 2006 „Fremdes Licht“ für hohen Sopran, Violine, Klarinette und kleines Orchester geschrieben hat. Mit Jörg und Carolin Widmann, mit Mojca Erdmann und den Bambergern führen wir das Werk in der Originalbesetzung seiner Uraufführung auf. Wir haben auch eine Auftragskomposition an einen jungen Komponisten, Christoph Weiß, erteilt. Er wird nach dem Vorbild des Kegelstadt-Trios für Bratsche, Klarinette und Klavier ein neues Trio schreiben.

nmz: Will das Würzburger Publikum wirklich so viel Neues?

Meining: Damit rechnen wir! Und die bisherigen Reaktionen auf das Programm sind ermutigend. Ein neues Publikum zu gewinnen, geht mit Neuer Musik teilweise sogar leichter als mit sogenannter „Alter Musik“. Denn Neue Musik schafft auch neue Konzertformen. Und neue Pfade schaffen wir, um ein Publikum anzusprechen, das noch nicht der „klassischen“ Generation angehört, noch nicht deren Geldbeutel hat. Noch ein Beispiel für einen anderen Zugang: Unsere Last-Night heißt „Jupiternacht“  – Mozarts sinfonisches Werk gipfelt bekanntlich in der Jupiter-Sinfonie, der Nr. 41. Es wird eine Aufführung geben in einem lockeren Rahmen, in einer alten, sehr schick hergerichteten Druckmaschinenhalle im VCC.

Will man das Festival in die Zukunft führen, muss man etwas schaffen, das es woanders nicht gibt. Das Besondere ist eben nicht das Durchdeklinieren des Stückekanons – die Konstellation ist das entscheidende Kriterium. Es gibt aber auch einige schöne, sehr bewahrenswerte Elemente, die wir behutsam weiterentwickeln – etwa die Nachtmusiken oder den in der ganzen Stadt klingenden Mozarttag für Jedermann.

nmz: Der Komponist, Dirigent und Klarinettist Jörg Widmann ist Ihr artiste étoile, ihr künstlerischer Stern für 2014. Warum Widmann?

Meining: Mit seinen Werken leuchtet Widmann die Mozartschen Werke anders, neuartig an. Es könnte keinen besseren ersten artiste étoile geben als Jörg Widmann: Man denke an sein „Spiegelwerk“, die Oper „Das Gesicht im Spiegel“; er hat nach dem Vorbild Mozarts ein Jagdquartett geschrieben, er schreibt gerade für die Wigmore Hall ein neues Kegelstadt-Trio, er hat 2007 das tolle Orchesterstück „Armonica“ für die Wiener Philharmoniker geschrieben, in dem die Glasharmonika – ein spätes Lieblingsinstrument Mozarts – im Zentrum steht. Er hat auch einen Essay über seine Liebe zu Mozart geschrieben: „Ja es gibt ihn, den originalen Mozartklang“, und in seiner Verehrung für Mozart hat er den Spiegel aufgestellt und damit dem Programm Impulse gegeben.

nmz: Neben Widmann gibt es eine weitere Anzahl herausragender Solisten…

Meining: Wir sind stolz, dass Gidon Kremer, der Bariton Christian Gerhaher, die Sopranistin Mojca Erdmann, der Geiger Renaud Capuçon und die Pianistin Khatia Buniatishvili nach Würzburg kommen. Aber erst  in Verbindung mit dem spezifischen Programm und den Programmkonzepten machen die Namen die Qualität eines Festivals aus. Wir möchten eine Künstlerfamilie bilden, nicht jedes Jahr durchreisende Künstler hier platzieren. Unser artiste étoile ist  – mit Unterbrechungen – für mehrere Wochen in Würzburg: „Ich bin da“, sagte Widmann zu mir, „und mache mich angreifbar.“ Im doppelten Sinn des Wortes.

nmz: Neu auf dem Mozartfest ist das MozartLabor. Was ist darunter zu verstehen?

Meining: Das Labor wird ein Ort interdisziplinärer Begegnung an einem besonders inspirierenden Platz sein, dem Exerzitienhaus Himmelspforten. In dem ehemaligen Kloster werden wir an drei Tagen in großer Ruhe Inspiration und hoffentlich Innovation erfahren. Wir stellen Fragen, wollen diskutieren und in einen geistigen und musikalischen Austausch mit prominenten Persönlichkeiten wie dem in Würzburg beheimateten Mozartforscher Ulrich Konrad treten, mit dem Philosophen Peter Sloterdijk, mit dem Musikwissenschaftler und Pianisten Siegfried Mauser, mit der Klangforscherin Elena Ungeheuer (Uni Würzburg), mit einem Videoexperten  – dem jungen Filmemacher Michael Wende – und mit Radiojournalisten vom Lernradio Karlsruhe.
Vier international besetzte Kammermusikensembles kommen in die Himmelspforten und werden vier  Kammermusikwerke erarbeiten, davon sind zwei originale Mozartwerke und zwei zeitgenössische Werke. Das MozartLabor wird auch fürs Publikum geöffnet sein.

nmz: Zentraler Partner ist wie seit vielen Jahrzehnten der Bayerische Rundfunk?

Meining: Ja, wir haben fünf BR-Konzertmitschnitte, sowie eine Sendung „Thema Musik live“ aus dem Kaisersaal am 19. Juni, übrigens dem Geburtstag von Jörg Widmann, der das anschließende Konzert dirigiert. Neu konnte ich Deutschlandradio Kultur und Deutschlandfunk gewinnen, die ebenfalls  fünf Konzertübertragungen sowie eine Live-Sendung machen.

nmz: Wie kann das Mozartfest Würzburg zu einer internationalen Marke werden, vergleichbar mit großen Traditionsfestivals wie Salzburg oder Luzern?

Meining: Das Mozartfest hat das Potenzial dazu. Die Stadt ist überaus attraktiv, lässt sich auch touristisch gut bereisen. Wir haben mit der barocken Balthasar-Neumann-Residenz ein Weltkulturerbe. Würzburg ist eine Universitätsstadt mit circa 30.000 Studenten, eine Stadt des Geistes und der Musik  (Tilmann Riemenschneider ist ein Stichwort, Walther von der Vogelweide ist in Würzburg begraben). Dieses neben den Bayreuther Festspielen traditionsreichste Festival Bayerns sollte zu einer Adresse mit weiter Ausstrahlung werden. Bayerns Minis­terpräsident Horst Seehofer hat gesagt, das Mozartfest leuchte „als heller Stern am bayerischen Kulturhimmel“. Die Strahlkraft soll nicht irgendwo am bayerischen Himmel enden, sondern international sichtbar sein.

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