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Praktische und theoretische Kompetenzen

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Neue Empfehlungen der ALMS zur Musikpädagogik an Hochschulen
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Die Arbeitsgemeinschaft der Leitenden musikpädagogischer Studiengänge in der Bundesrepublik Deutschland (ALMS) befasst sich mit denjenigen Studiengängen, die auf die Arbeit in Musikschulen und auf das private Unterrichten vorbereiten. Diese Studiengänge stellen die Basis der musikalischen Bildungsarbeit und Nachwuchsförderung in unserer Gesellschaft dar und verdienen daher besondere Aufmerksamkeit. Bereits vor einiger Zeit hat sich die ALMS mit der Umstellung dieser Studiengänge auf die Abschlüsse Bachelor und Master beschäftigt. Sie hat entsprechende Empfehlungen erarbeitet, die die Auffassung der Fachleute repräsentieren und als Orientierung herangezogen werden können. Die nmz hat über diese Empfehlungen bereits im Oktober 2005 berichtet. Nicht zuletzt wollte die ALMS einem zu starken Auseinanderdriften der Grundrichtungen verschiedener Hochschulen in Deutschland wehren, war es doch gerade auch der Gesichtspunkt der Vergleichbarkeit, der die Bologna-Beschlüsse motiviert hatte!

Auf ihrer Jahrestagung 2007 hat die ALMS hierzu nun noch einen Anhang verabschiedet, der Empfehlungen zur Einrichtung speziell musikpädagogischer Eignungsprüfungen für diese Studiengänge beinhaltet. Hintergrund war zunächst auch die Tatsache, dass an vielen Häusern ein Y-Modell favorisiert wird, in dem die Studierenden sich erst nach einem gemeinsamen Grundstudium von bis zu vier Semestern für die rein künstlerische oder eben die künstlerisch-pädagogische Studienrichtung entscheiden sollen. Für die rein künstlerische Ausrichtung ist dabei ein bestimmtes künstlerisches Niveau Voraussetzung. Es steht dabei zu befürchten, dass eine Eignungsprüfung zu Beginn des Studiums eher den rein künstlerisch orientierten und befähigten Bewerberinnen und Bewerbern entgegenkommen könnte. Schließlich werden hier spätere Orchestermusikerinnen und -musiker mit späteren Musikschul- oder Privatlehrkräften zusammen anhand eines Vorspiels oder Vorsingens bewertet. Schon dies wäre also ein Grund, über einen freiwilligen musikpädagogischen Prüfungsteil nachzudenken, der es gerade den musikpädagogisch Motivierten ermöglichen würde, ihr besonderes Profil zu zeigen und einen Studienplatz zu erhalten. Daneben müsste eine Quote sicherstellen, dass eine angemessene Anzahl solcherart profilierter Bewerberinnen und Bewerber aufgenommen werden; anderenfalls müsste man sich für die Zukunft Sorgen um die Qualität der musikpädagogischen Ausbildung sowie des musikpädagogischen Praxisfeldes machen.

Vielfältige Anforderungen

In ihrem nun veröffentlichten Empfehlungspapier plädiert die ALMS zunächst für den Erhalt eines eigenständigen künstlerisch-pädagogischen Studienganges. Die Gründe liegen auf der Hand: Das Studium enthält reichhaltige wissenschaftliche und pädagogische Anteile, die es von der Ausrichtung der Orchesteraspirantinnen und -aspiranten abheben. Auch das spätere Berufsleben verlangt von den Absolventinnen und Absolventen ganz spezielle praktische und theoretische Kompetenzen. Außerschulische musikalische Bildungsarbeit stellt sich heute als ein breites Feld mit vielfältigen Anforderungen dar, die von der Förderung besonders disponierter Kinder – sei es nun das Etikett „hochbegabt“ oder das Etikett „behindert“ – bis zu Nachmittagsangeboten für große Gruppen an allgemein bildenden Schulen und vom Vorschulalter bis zur Arbeit mit Seniorinnen und Senioren reichen. Ergänzend zum Instrument müssen auch künstlerische Inhalte wie Singen, Musiktheorie oder Körperarbeit so verinnerlicht werden, dass sie später fruchtbar in die Arbeit eingebracht werden können. Ein einheitlicher „Bachelor of music“ müsste zumindest ein eigenständiges und fundiertes musikpädagogisches Profil erlauben, um diesen Erfordernissen gerecht werden zu können; viel geübt zu haben und hier und da eine Vorlesung über ein musikpädagogisches Thema besucht zu haben: das ist hier sicher nicht hinreichend.

Breiter Ansatz

Bei den Bewerberinnen und Bewerbern für ein künstlerisch-pädagogisches Studium ist daher zumindest der Ansatz einer breiteren und auch pädagogisch gefärbten Motivation wünschenswert. Stabile pädagogische Motive sind nicht einfach auf die Schnelle „herstellbar“, sie müssen reifen und sollen später möglichst tief in der Persönlichkeit wurzeln. Daher sollte man sich wünschen dürfen, dass sie schon zu Beginn erkennbar sind, was nicht ausschließt, dass „Spätberufene“ von einer Durchlässigkeit der Studiengänge profitieren und sich entsprechend „einklinken“ können. Weiter scheinen Entwicklungsmöglichkeiten in den Bereichen Kreativität, Kommunikation und Reflexion unerlässlich. So liegt es nahe, generell und unabhängig vom jeweiligen Studienmodell auch diese Bereiche im Rahmen der Eignungsprüfung zu erfassen.

Die ALMS schlägt dafür verschiedene Möglichkeiten vor: Zunächst wäre ein Gespräch denkbar – etwa über historische, interpretatorische und analytische Aspekte eines bei der Prüfung vorgetragenen Werkes, über sinnvolle Übeschritte und didaktische Aspekte dieses Werkes, über allgemeine musikpädagogische Fragestellungen (möglicherweise auch anhand von musikpädagogischen Texten) oder über Vorstellungen und Motivation bezüglich des Studiums und des angestrebten Berufsfeldes. Eine alternative Form wäre eine musikpädagogische Gruppenprüfung mit Aufgaben aus den Bereichen Rhythmus/Metrum, Körperausdruck, Improvisation und/oder Stimme sowie mit einem Gruppengespräch über musikpädagogische Fragen. Auch unterrichtspraktische Anteile könnten in einer solchen Prüfung enthalten sein.

Noch ein weiteres Empfehlungspapier wurde auf der diesjährigen Arbeitstagung der ALSM verabschiedet: Hier geht es um die Professur für Musikpädagogik an den Hochschulen. Empfohlen wird eine hauptamtliche, wissenschaftliche Professur für Musikpädagogik in künstlerisch-pädagogischen Studiengängen sowie Studienanteilen. Diese soll das Pendant zur hauptamtlichen, wissenschaftlichen Professur für den Studiengang Schulmusik darstellen.
Tatsächlich sind ja nicht nur Musikschullehrkräfte in der Regel finanziell schlechter gestellt als Lehrkräfte an allgemein bildenden Schulen, sondern auch im Hochschulbereich Professuren für Schulmusik häufig besser gestellt als die Kolleginnen und Kollegen, die die künstlerisch-pädagogischen Studiengänge leiten. Beide Gruppen aber leisten einen wertvollen Beitrag für die Kultur in unserer Gesellschaft, beide bedürfen einer Praxisorientierung ebenso wie einer wissenschaftlichen Fundierung.

Über Lehre und Forschung hinaus ist an die Betreuung von wissenschaftlichen Arbeiten, aber auch von Promotionen zu denken.

Insgesamt zielen die Empfehlungen der ALMS darauf ab, die musikpädagogische Ausbildung der nachwachsenden Generation mit Sorgfalt, Weitblick und Ernsthaftigkeit anzugehen und die dafür notwendigen Strukturen zu schaffen. Die Empfehlungen sind den Rektorinnen und Rektoren aller deutscher Musikhochschulen, Konservatorien und anderen einschlägigen Ausbildungsinstitute zugegangen und können in voller Länge unter http://www.alms-musik.de/pageID_2698283.html heruntergeladen werden.

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