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16.5.: theater und literatur aktuell +++ theater und literatur

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Kampnagel setzt auf bewährten Avantgarde +++ "perspectives" zeigen deutsch-französisches Spitzentheater +++ Mülheimer Theatertage präsentieren junge Dramatiker +++ Erfolgsautor von Düffel: Situation für Dramatiker so gut wie nie zuvor +++ Große Hermann-Hesse-Ausstellung wird in Berlin eröffnet

Kampnagel setzt auf bewährten Avantgarde-Kurs mit neuen Akzenten
Hamburg (ddp-nrd). Experimentelles und Unterhaltendes verspricht das Avantgarde-Theater auf Kampnagel in Hamburg seinen Gästen in der zweiten Spielzeit von Intendantin Gordana Vnuk. "Unser Konzept, Unterhaltung auf höchstem Niveau ebenso wie radikale, innovative Theaterformen zu zeigen, werden wir in der Spielzeit 2002/2003 fortsetzen", sagte Vnuk am Mittwoch in der Hansestadt.
Die Spielzeit wird im Oktober mit dem neuesten Stück des Südafrikaners William Kentridge und der Handspring Puppet Company eröffnet. Diese Kampnagel-Produktion entsteht in Zusammenarbeit mit dem schauspielfrankfurt, der documenta XI und den Berliner Festspielen. "Confessions of Zeno" nach einem Roman von Italo Svevo ist ein theatrales Gesamtkunstwerk: Puppen- und Schattenspiel, untermalt von der Musik eines Streichquartetts, wird mit Gesang, Schauspiel und Videoprojektionen zu einer neuen Form von Live-Kino kombiniert, wie Vnuk ankündigte.
Die erfolgreiche Reihe außereuropäischer Tanzproduktionen wird mit dem Spektakel "Casa" der brasilianischen Starchoreographin Deborah Colker fortgesetzt. Zudem stehen eine Produktion mit dem kolumbianischen Tänzer und Choreographen Alvaro Restrepo, Tanzgastspiele des Japaners Kim Itoh sowie der afrikanischen Compagnie Salia ni Seydou auf dem Programm.
Im Rahmen der kroatischen Kulturwochen in Deutschland präsentiert Kampnagel im Deutschen Schauspielhaus am 23. Oktober eines der ambitioniertesten Schauspielprojekte, die es derzeit in Europa zu sehen gibt, wie Vnuk betonte. Branko Brezovec hat mit einem 70-köpfigen Ensemble des ZKM Theaters aus Zagreb in einem gigantischen Bühnenbild den "Großmeister aller Schurken" nach einer Erzählung von Miroslav Krleza inszeniert. Mit Francois Tanguy und seinem "Theatre du Radeau" stellt Kampnagel im Dezember zudem die Arbeit eines der wichtigsten Avantgarde-Regisseure Frankreichs vor.
Auf lokaler Ebene will Kampnagel die Zusammenarbeit mit der freien Hamburger Szene fortsetzen. Unter anderem koproduziert das Theater neue Stücke der Hamburger Choreographen Jan Pusch und Jochen Roller, die Uraufführung einer Kammeroper von Wolfgang Knuth und ein multimediales Projekt des deutsch-britischen Performancekollektivs Gob Squad.
Gordana Vnuk leitet die renommierte Hamburger Avantgardebühne seit August 2001. Insgesamt waren die Veranstaltungen in den ersten drei Quartalen der laufenden Spielzeit zu 78 Prozent ausgelastet, wie Vnuk sagte. Etwa 75 000 Zuschauer besuchten in diesem Zeitraum das Theaterzentrum an der Jarrestraße.
(Das gesamte Spielzeitprogramm im Internet: www.kampnagel.de)

"perspectives" zeigen deutsch-französisches Spitzentheater
Saarbrücken/Moselle (ddp-swe). Das Saarbrücker Theaterfestival "perspectives" startet am Freitag zu seinem 25. Geburtstag einen Neuanfang. Das einzige Festival, das zeitgenössische französische Theaterstücke und Performances in Deutschland zeigt, streckt 2002 seine Fühler auch von Deutschland nach Frankreich aus. Der neue Kooperationspartner, das Departement Moselle, wird in verschiedenen Orten deutsche Produktionen zeigen. Damit sollen die "perspectives nouvelles" nach dem Willen der Veranstalter das Zusammenwachsen der Grenzregion weiter fördern.
Ein Highlight des Programms ist die Deutsche Erstaufführung von "La Tragédie d\'Hamlet" in der Regie des internationalen Starregisseurs Peter Brook im Saarbrücker E-Werk. Das Berliner Ensemble zeigt Tom Peukerts Stück "Artaud erinnert sich an Hitler und das Romanische Café". Martin Wuttke steckt dabei in einem Glaskäfig und monologisiert zwischen Wahnsinn und Poesie von der erfundenen Begegnung des französischen Theaterreformers mit dem Diktator. Die Schaubühne in Berlin gastiert mit "Supermarket" in der Regie von Schaubühnenchef Thomas Ostermeier.
Experimentelles Theater nimmt aber auch weiterhin einen hohen Stellenwert ein. Spektakuläres Beispiel ist die Performance "Kinder der Nacht": 14 Straßenkinder aus Dakar führen die Besucher bei dieser Uraufführung mit Taschenlampen durch einen Zivilschutzbunker. Dort zeigen sie ihre Malereien, Fotografien und Texte, die von ihrem Leid erzählen. Die "perspectives" finden vom 17. bis 25. Mai 2002 in Saarbrücken und Metz sowie in Forbach, Saarguemines und anderen Orten im französischen Departement Moselle statt.
(Internet: www.perspectives-sb.de)

Mülheimer Theatertage präsentieren pralles Leben von jungen Dramatikern
Mülheim/Ruhr (ddp). Verschwendete Leben, das Elend von Singles, eine Habsburg-Groteske oder Sex in der City - pralles Leben, nachgezeichnet von jungen Dramatikern steht im Mittelpunkt der 27. Mülheimer Theatertage "stücke". Von Samstag bis zum 5. Juni präsentieren sich in der Stadt an der Ruhr erneut angesehene Vertreter dieser Zunft. Aus rund 150 Stücken des vergangenen Jahres wählte ein Auswahlgremium Produktionen von acht Autoren aus. Uraufführung feierten sie an so renommierten Bühnen wie dem Thalia Theater Hamburg, dem Wiener Burgtheater, dem Schauspielhaus Zürich oder der Berliner Volksbühne.
Wie im Vorjahr wählte die Jury auch in diesem Jahr Sibylle Berg ("Hund, Frau Mann"), René Pollesch ("Prater-Trilogie") und Roland Schimmelpfennig ("Push up 1 - 3") in den Kreis der Teilnehmer. Zu den Dramatiker-Stars zählt Botho Strauß, der erst im vergangenen Frühjahr in Bochum mit "Der Narr und seine Frau heute Abend in Pancomedia" für Furore sorgte. Für Mülheim wählten die Festivalmacher das jüngste Stück des Autors aus.
In "Unerwartete Rückkehr" wird Gerichtstag gehalten und eine "Masse nicht verbrachten Lebens" eingeklagt. Zwei Paare, der Mann - die Frau - seine Freundin - der andere Mann - bilden das Personal. Sie treten an zu einem Spiel zu viert, in dem jeder nur noch sich selbst hat. Eine ganz eigene Form der Nachwuchsförderung demonstrierte Strauß anlässlich der 27. "stücke": "Unerwartete Rückkehr" ist zwar fester Bestandteil des Spielplans, doch ringt das Stück nicht um den angesehenen Dramatikerpreis. Der Wettbewerb solle "unter den jungen Autoren ausgetragen werden", lautete die Begründung von Strauß.
Nach seinem Rückzieher vertritt nun Elfriede Jelinek allein die Dramatiker-Prominenz in Mülheim. In diesem Jahr präsentiert sie mit "Macht nichts" eine "Kleine Trilogie des Todes": Drei unablässig vor sich hinredende Wiedergänger und den Tod hat die Literatin versammelt. Die zwischen Recht und Unrecht ewig kreiselnden, ausweglosen Sprachstrudel werden in drei Bühnenfiguren gesperrt.
Kaum mehr Sorgen um sein Genre macht sich der Erfolgsautor John von Düffel. Seit Jahren gehören auch seine Stücke zum festen Repertoire an deutschen Bühnen. Als Dramaturg am Hamburger Thalia Theater freut er sich besonders darüber, dass Gesine Danckwart mit "Täglich Brot" und Fritz Kater mit "Fight City.Vineta" an dem Wettstreit in der Ruhrgebietsstadt teilnehmen können. An seinem Haus waren die Stücke erstmals zu sehen.
"Die Verlage lesen mittlerweile die Stoffe sehr gründlich", sagt von Düffel. "Und die meisten Autoren, die eine gewisse Qualität erreichen, kommen auch irgendwie unter." Noch bis vor zehn Jahren zerbrach sich die Fachwelt auf Kongressen den Kopf darüber, was für den Nachwuchs getan werden kann, wie er sagt. Mittlerweile habe sich aber die Erkenntnis durchgesetzt, dass das Publikum anstelle der alten Meister auch neue Stoffe wünsche.
Auch Marion Victor, Geschäftsführerin im Frankfurter Verlag der Autoren, kann den positiven Trend für die Theaterautoren bestätigen. Ihr Haus verlegt rund 300 Autoren, darunter Botho Strauß oder Theresia Walser. Die Situation für Dramatiker habe sich enorm verbessert, berichtet Victor. "Als unser Verlag vor 33 Jahren gegründet wurde, zählten wir zu den wenigen, die sich gezielt um die Autoren kümmerten." Die meisten hätten vor Jahrzehnten lediglich ein Augenmerk auf englische oder amerikanische Dramatiker gehabt.
Seit Mitte der 90er Jahre hätten aber immer mehr Häuser die deutschen Stückeschreiber entdeckt. Auch für die meisten Theater gehöre es mittlerweile zum guten Ton, sich mit jungen Autoren zu beschäftigen. Die Geschäftsführerin ist sich sicher: "Wer gute Ideen hat und kreativ ist, der kommt immer bei einem Verlag unter."
Mit der Auswahl der diesjährigen Stücke sei es gelungen, ein "überzeugendes Spektrum" der gegenwärtigen deutschen Theaterszene zusammenzutragen, sagt Festivalsprecher Klaus Völker. Erstmals unterstützt auch der Bund das Festival finanziell: Das Dramatiker-Festival erhält rund 128 000 Euro, hinzu kommen etwa 180 000 Euro des Landes.
Nicht zuletzt der Besucherandrang spricht für das Renommee der Mülheimer Theatertage: Im vergangenen Jahr waren sie den Angaben zufolge zu mehr als 90 Prozent ausgelastet - insgesamt über 3300 Besucher zählte das Festival. Der Gewinner des Dramatikerpreises soll sein Stück Ende August bei den Salzburger Festspielen präsentieren.
(Internet: www.stuecke.de sowie www.verlag-der-autoren.de)


Erfolgsautor von Düffel: Situation für Dramatiker so gut wie nie zuvor
Hamburg (ddp). Die Situation für Dramatiker ist nach Ansicht von Erfolgsautor John von Düffel in Deutschland heute so gut wie nie zuvor. Noch bis vor zehn Jahren habe sich die Fachwelt auf Kongressen den Kopf darüber zerbrochen, was für den Nachwuchs getan werden könne, sagte von Düffel am Donnerstag in einem Gespräch mit der Nachrichtenagentur ddp in Hamburg. Mittlerweile habe sich aber die Erkenntnis durchgesetzt, dass das Publikum statt alter Meister auch neue Stoffe wünsche. "Die Neugierde auf junge Autoren ist ungeheuer groß", sagte der Verfasser der Stücke "Vom Wasser" oder "Zeit des Verschwindens".
Die Theater seien dazu übergegangen, die Autoren enger an sich zu binden: "Oft vergeben sie Auftragsarbeiten an den Nachwuchs und treten somit in Dialog mit ihm", beschreibt von Düffel das Verhältnis. "Früher hingegen waren die Autoren hauptsächlich damit beschäftigt, ihre Manuskripte Verlagen anzubieten." Die neue deutsche Dramatik habe sich zu einem Markenartikel entwickelt.
Die Gründe für die verbesserte Situation sieht von Düffel in einem Generationswechsel an den Theatern. Die jüngeren Intendanten, die eher mit Dramatikern ihrer Generation verbunden seien, hätten die alten Traditionen in eine "Lust auf neue Stoffe" verwandelt.
Das Theater habe an einem gewissen Punkt gemerkt, dass es sich auch am Wirklichkeitsbezug messen lassen müsse, wenn es nicht zu einem Museum erstarren wolle. "Und der Dramatiker legt die Nabelschnur zur Wirklichkeit." Dabei habe sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass sich das Publikum auch mit aktuellen Stücken ins Theater holen lasse.
Das Dramatiker-Festival Mülheimer Theatertage bezeichnete von Düffel als "Berliner Theatertreffen der Gegenwartsdramatik". Es sei deshalb so wichtig, weil es die bemerkenswertesten Uraufführungen einer Saison zeige. Für die Nachwuchsdramatiker sei es zu einer "wichtigen Plattform" geworden. Wer dort eingeladen sei, könne sich sicher sein, auch wahrgenommen zu werden.
(1966 in Göttingen geboren, wuchs von Düffel in Irland, Amerika und Deutschland auf. Nach seinem Studium der Philosophie, Germanistik und Volkswirtschaft promovierte er 1989 in Erkenntnistheorie. Zunächst arbeitete er als Film- und Theaterkritiker, später als Dramaturg. Zurzeit ist John von Düffel Dramaturg am Thalia Theater in Hamburg).

Große Hermann-Hesse-Ausstellung wird in Berlin eröffnet
Berlin (ddp). Unter dem Titel "WeltFlechtWerk - Die Einheit hinter den Gegensätzen" wird am Donnerstag eine große Hermann-Hesse-Ausstellung in Berlin eröffnet. Zum Festakt am Abend in der Philharmonie wird auch Bundespräsident Johannes Rau erwartet.
Die zentrale Ausstellung ist wichtiger Bestandteil des Hermann-Hesse-Jahres 2002, das zum 125. Geburtstag des Dichters europaweit begangen wird. Vom 17. Mai bis 31. Juli ist die Schau, die "die Denk- und Gefühlswelt" des Literaturnobelpreisträgers widerspiegeln soll, in den Sonderausstellungshallen am Kulturforum zu sehen. Ausrichter ist Hesses Geburtsstadt Calw.
Eine zweite Ausstellung über Hesses Freund und Illustrator Gunter Böhmer wird vom 18. Mai bis 1. September im Berliner Museum Nicolaihaus gezeigt. Calw richtet im Juli und August ein sommerliches Hermann-Hesse-Festival aus.
Hermann Hesse (1877-1962), weltweit meistgelesener deutschsprachiger Autor des 20. Jahrhunderts, war 1946 mit dem Literaturnobelpreis geehrt worden. Zu seinen bekanntesten Büchern gehören "Unterm Rad", "Siddhartha - Eine indische Dichtung", "Steppenwolf" und "Das Glasperlenspiel".