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23.11.: theater und literatur aktuell +++ theater und literatur

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München: Kulturreferentin sieht keinen Ersatzstandort für Deutsches Theater +++ Handschriften Walter Benjamins versteigert +++ Jelinek-Uraufführung in Berlin +++ Shakespeare immer noch Nummer eins auf deutschen Bühnen

München: Kulturreferentin sieht keinen Ersatzstandort für Deutsches Theater
München (ddp-bay). Die Münchner Kulturreferentin Lydia Hartl (parteilos) sieht keinen Ersatzstandort für das vom Aus bedrohte Deutsche Theater. Zwar stehe außer Frage, dass eine Stadt wie München Platz für Musicals haben müsse, die Frage sei aber wo und wie. «Einen Ersatz für das Deutsche Theater, das immerhin 1600 Sitzplätze hat, gibt es bis jetzt nicht», sagte Hartl dem «Münchner Merkur» (Freitagausgabe). Das Münchner Volkstheater sei keine Lösung. Es sei zu klein und nur in der Theaterspielpause im Sommer frei. Das Deutsche Theater in der Schwanthalerstraße um jeden Preis zu erhalten, sei angesichts der Kosten nicht realistisch.
Zuvor hatte Bürgermeister Hep Monatzeder (Grüne) einen Umzug des Theaters ins ehemalige Radstadion im Olympiapark vorgeschlagen. Weil die Stadt als Träger des Theaters die rund 140 Millionen Euro Renovierungskosten nicht tragen kann, soll der Theaterbetrieb in der Nähe des Hauptbahnhofs im Jahr 2004 eingestellt werden.

Handschriften Walter Benjamins versteigert
orf - Handschriftliche Aufzeichnungen des Publizisten und Kulturphilosophen Walter Benjamin sind am Donnerstag in Hamburg für 68.000 Euro versteigert worden. Die Papiere sollen nach dem Willen der Kulturstaatsministerin Christina Weiss (parteilos) in das "Verzeichnis national wertvollen Kulturgutes" aufgenommen werden.
Damit dürften sie nicht aus Deutschland ausgeführt werden. Der Name des Käufers wurde nicht genannt. Die Schriften wurden im Auktionshaus Hauswedell & Nolte zu einem Mindestgebot von 12.000 Euro gehandelt.
Die 28 versteigerten Blätter gehören zu Aufzeichnungen zu Benjamins Sammlung "Berliner Kindheit". Diese autobiografische Schrift sowie das bekannte Werk "Berliner Chronik" beschreiben die jungen Jahre des 1892 geborenen Philosophen. Er hatte sie Ende der 30er Jahre geschrieben.
Benjamin stammte aus einer großbürgerlichen jüdischen Familie. Ein 1922 veröffentlichter Essay zu "Goethes Wahlverwandtschaften" untermauerte seinen Rang als Literaturkritiker, der Texte zur französischen Lyrik bis zur Sammlung von Gedankenfragmenten wie "Einbahnstraße" (1928) und Hörfunkmanuskripte für Kindersendungen verfasste. Mit einer Überdosis Morphium nahm sich Benjamin 1940 auf der Flucht vor den Nazis das Leben.

Jelinek-Uraufführung in Berlin
orf - Am Abend des österreichischen Wahlsonntags (24.11.) geht in Berlin die nächste Jelinek-Uraufführung über die Bühne: Die Teile vier und fünf des Prinzessinnen-Zyklus "Der Tod und das Mädchen" werden in den Kammerspielen des Deutschen Theaters inszeniert.
Der Abend bietet Theaterfreunden zwei besondere Attraktionen: Erstmals inszeniert Hans Neuenfels einen Text der österreichischen Autorin, und seine Frau Elisabeth Trissenaar spielt "Jackie", eine Figur, deren Vorbild unschwer als Jacqueline Kennedy Onassis zu identifizieren ist. Elfriede Jelinek wird krankheitshalber der Premiere fernbleiben.
"Jackie sollte in einem Chanel-Kostüm auftreten, denke ich", schreibt die Autorin in der ersten Regieanweisung zu "Der Tod und das Mädchen IV". Doch trotz des aparten Kostüms sieht Jelinek ihre monologisierende Figur als Schwerarbeiterin. Sie soll ihre toten Kinder und toten Männer "mühevoll hinter sich herschleifen und daher beim Sprechen immer atemloser werden, keuchen, bis sie den Monolog irgendwann abbrechen muß, weil sie nicht mehr kann. Je nach Kondition und Tagesverfassung wird das einmal früher, das andere Mal später sein. Und dann ist der Monolog eben aus und aus."
Dass dies bei Neuenfels durchaus auch ganz anders aussehen könnte, weiß die Autorin: "Aber Sie werden ja sicher was ganz anderes machen", lautet ihr Nachsatz.
Nach Schneewittchen, Dornröschen und Rosamunde - den Protagonistinnen der vor wenigen Wochen in Hamburg uraufgeführten ersten drei Prinzessinnendramen - setzt Jelinek also ihren Zyklus mit weiteren Frauenfiguren fort. "Jackie, als der moderne Prototyp einer Präsidentengattin, hat alles überlebt - Männer, Macht und Marilyn - und triumphiert", so das Deutsche Theater in einer Ankündigung.
In Teil V weiden dann Sylvia (Plath) und Inge(borg Bachmann) einen geschlachteten Widder aus, nach den Vorstellungen der Autorin eine äußerst blutige Angelegenheit. "Es geht um Marlen Haushofers \'Die Wand\' und darum, dass diese Ikonen der Frauenliteratur wie Bachmann, Plath oder eben Haushofer in eine Situation kommen wie Odysseus auf seiner Fahrt: Weibliche seefahrende Helden. Sie müssen das Blut des Opfertiers trinken, um aus ihrem Schattendasein wenigstens kurz ins Leben zurückkehren zu können", hatte Jelinek kürzlich im APA-Gespräch erläutert.
"Die Figuren sind alle weiblich, und natürlich gibt es dabei immer auch meine typischen Selbstironisierungen. Immer wird auch diese Verzweiflung thematisiert, das Bewusstsein der eigenen Lächerlichkeit."

Elfriede Jelinek: "Jackie und andere Prinzessinnen"
Uraufführung am Deutschen Theater Berlin, Kammerspiele
24. November, 20.00 Uhr
Weitere Aufführungen: 30. November, 8., 14., 19. Dezember

Regie: Hans Neuenfels, Bühne und Kostüme: Karl Kneidl
Mit: Elisabeth Trissenaar, Julia Wieninger, Almut Zilcher
Karten: 0049/30/28 441-225

Shakespeare immer noch Nummer eins auf deutschen Bühnen
Berlin (ddp). William Shakespeare (1564-1616) ist nach wie vor der meistgespielte Dramatiker an deutschen Bühnen. Selbst Goethe, Schiller oder Brecht seien im 20. Jahrhundert nicht so oft inszeniert worden, sagte der Präsident der Deutschen Shakespeare-Gesellschaft, Andreas Höfele, der Nachrichtenagentur ddp in Berlin. Er sei «der Autor, dessen sprachlicher und intellektueller Reichtum unerreicht ist». Die Gesellschaft hält am Freitag und Samstag ihre Herbsttagung in Berlin ab.
«Shakespeares große kulturelle Präsenz in Deutschland ist unbestritten», sagte der Anglist Höfele. Die wichtigsten deutschen Dramatiker hätten sich ihr Leben lang mit ihm auseinandergesetzt. «Für Bertolt Brecht war er eigentlich die Herausforderung, an der sich der Deutsche in seiner gesamten Dramatiker ? und Regisseurskarriere gerieben, gemessen und abgearbeitet hat», betonte er. Für Heiner Müller sei der Engländer nicht minder wichtig gewesen. Für Goethe und Schiller habe Shakespeare ebenfalls große Bedeutung gehabt. Auch heute biete er immer wieder neue Identifikationsangebote und werde deshalb noch gelesen und gespielt.
Welche Themen der Dramatiker jetzt bearbeiten würde, wisse natürlich niemand, fügte Höfele hinzu. «Das ist so wie die Frage, ob Mozart heute wie Andrew Lloyd Webber wäre.» Shakespeare habe sich jedoch immer zeitgeschichtlichen Themen gewidmet, Leidenschaften auf die Bühne gebracht, «und auch an Gewaltdarstellungen ließ er kaum zu wünschen übrig».
Von Spekulationen über die Identität Shakespeares - etwa dass er jemand ganz anderes oder gar eine Frau gewesen sei - hält die Gesellschaft nichts. «Allein schon die Fülle der angebotenen Kandidaten, die bis zu Königin Elisabeth reicht, zeigt, dass das Unsinn ist», betonte Höfele.
Die Deutsche Shakespeare-Gesellschaft mit Sitz in Weimar wurde 1864 gegründet und hat 2000 Mitglieder. Sie fördert die Kenntnis, Pflege und Aneignung des Werkes von Shakespeare im deutschen Sprachgebiet. Bei der Konferenz im Berliner Ensemble geht es in Vorträgen und Diskussionen um «ein Kernstück der deutschen Shakespeare-Rezeption», die Inszenierung seiner Dramen auf Berliner Bühnen vom Beginn des Regietheaters um 1900 bis zur Gegenwart.
(www.shakespeare-gesellschaft.de)