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Artenschutz im Orchester: Elfenbein im Geigenbogen sorgt für Probleme

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München/New York - Das Gastspiel der Münchner Philharmoniker in der New Yorker Carnegie Hall stand unter keinem guten Stern. Zuerst erkrankte Chefdirigent Lorin Maazel. Und dann gab es auch noch massive Probleme bei der Einreise. Dabei ging es nicht um die Musiker, sondern um deren Instrumente. Genauer gesagt, ihre Geigenbögen. Denn fast jeder Geigenbogen ist an der Spitze mit Elfenbein verstärkt.

 
 
Und dieses Material darf aufgrund strenger Artenschutzbestimmungen in den USA im Prinzip weder ein- noch ausgeführt werden.
 
Das Washingtoner Artenschutzübereinkommen (Cites) regelt weltweit den Handel mit geschützten Tieren und Produkten daraus. Lange Zeit waren die Bestimmungen bei Orchester-Tourneen eher lax ausgelegt worden. Doch zum 1. April zog die US-Regierung die Zügel an. «Seither wird wesentlich strenger kontrolliert», sagt Mario Sterz vom Bundesamt für Naturschutz (BfN) in Bonn.
 
Die USA verlangten nun für jedes Instrument eine sogenannte Instrumentenbescheinigung, ein Cites-Dokument, mit dem bestätigt wird, dass fragliche Materialien nachweislich vor den Handelsverboten verbaut wurden oder aus registrierten Altbeständen stammen. Betroffen sind vor allem Elfenbein, Schildpatt und geschütztes Rio-Palisander, ein Tropenholz, das ebenfalls im Geigenbau verwendet wird.
 
Keiner der Musiker der Philharmoniker konnte ein solches Dokument beim US-Zoll vorweisen. Auch eine für Sammeltransporte von Instrumenten in Containern vorgesehene Wanderausstellungs-Bescheinigung war nicht beantragt worden. Nur aufgrund intensiver Bemühungen der Carnegie Hall und der deutschen Botschaft konnte das Gastspiel trotzdem stattfinden. «Wir hatten schon Angst, dass der Zoll die wertvollen Bögen oder Instrumente beschlagnahmt», sagt Orchestersprecher Christian Beuke. Allein den Wert der betroffenen Bögen beziffert er auf 800 000 Euro.
 
Die neue Zoll-Praxis bei Orchestergastspielen geht zurück auf Beschlüsse der Cites-Vertragsstaatenkonferenz im vergangenen Jahr. Die USA wollten sich an die Spitze des Kampfes gegen die zunehmende Wilderei von Elefanten setzen und setzten eine Verschärfung der Bestimmungen durch. Seither gilt «Null-Toleranz» - und bei Musikern geht die Angst um. «Niemand will das Risiko eingehen, dass seine besten Instrumente und Bögen beschlagnahmt werden», heißt es in einem englischsprachigen Internetforum von Orchestermusikern.
 
Zur Unsicherheit trägt bei, dass die konsequente Anwendung der artenschutzrechtlichen Bestimmungen für Musikinstrumente von der EU noch nicht umgesetzt wurde. «Wir gehen davon aus, dass die entsprechenden Durchführungsbestimmungen noch bis Jahresende auf sich warten lassen», sagt Sterz.
 
Die jüngste Amerika-Tournee wurde auch für das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks zur Zitterpartie. Trotz umgangreicher diplomatischer Bemühungen im Vorfeld wurde auf dem New Yorker Flughafen ein Cello-Bogen mit Material des streng geschützten Pottwals beschlagnahmt. Fünf artenschutzrechtlich «besonders riskante» Geigenbögen hatte man aus dem brasilianischen Sao Paolo, wo das Orchester zuvor gastierte, vorsichtshalber in die Heimat zurückgeschickt. 
 
Georg Etscheit
 
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