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Mehr junge Sänger in Chören - insgesamt weniger Mitglieder

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Berlin/Mainz - Der Deutsche Chorverband sieht trotz zurückgehender Sängerzahlen kein Nachwuchsproblem. «Gerade bei Kindern und Jugendlichen beobachten wir in den vergangenen Jahren eine ungeheure Lust am Singen», sagte der Präsident des Verbands, der frühere Bremer Bürgermeister Henning Scherf (SPD) der Deutschen Presse-Agentur. Der Verband zählte zwar Anfang 2015 mit 1,41 Millionen Mitgliedern 1,4 Prozent weniger als ein Jahr zuvor. Doch der Anteil der jungen Sänger bis 27 Jahren stieg zugleich von 12,2 auf 14,7 Prozent.

Unter der Dusche singen viele. Aber im Chor singen - ist das noch im Trend? Die Zahl der Sänger nimmt leicht ab, es gibt allerdings die Tendenz zu mehr und zu kleineren Chören, berichtet der Deutsche Musikrat in Bonn.

Rund 2,2 Millionen Sänger in etwa 60 000 Chören zählte er Anfang 2014, der jüngsten Erhebung. Zwei Drittel machten in weltlichen Chören mit, ein Drittel sang in Kirchenchören. Der Deutsche Chorverband macht ein Chorsterben bei bestimmten Formen wie dem traditionellen Männergesangsverein aus - dafür kommen Pop-, Jazz- und Gospelchöre neu hinzu. Und Nachwuchssorgen gibt es bisher nicht.

«Wir haben in Deutschland nicht zu wenig junge Leute, die gerne in einen Chor gehen würden - ganz im Gegenteil», sagt der Präsident des Deutschen Chorverbands, der frühere Bremer Bürgermeister Henning Scherf (SPD).

Die Zahlen belegen das steigende Interesse junger Sänger: Anfang 2012 registrierte der Deutsche Musikrat knapp 309 000 Kinder und Jugendliche in Chören, zwei Jahre später waren es rund 379 000. «Was aber fehlt, sind qualifizierte Chorleiterinnen und Chorleiter, dieses Potenzial zu aktivieren», sagt Scherf. Deshalb investiere der Verband vor allem in die Ausbildung der Chorleiter.

Wer gern in einem Chor mitmachen möchte und (Semi-)Profi werden will, für den gibt es in Deutschland ein nach Angaben der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz einzigartiges Angebot: die Chorakademie am Collegium musicum.

«Wir bieten eine Zusatzqualifikation an im Bereich Chorsingen, damit die Studierenden, die Spaß am Singen haben, das ein Stück weit perfektionieren können», sagt Leiter Felix Koch. Die Ausbildung dauert vier bis sechs Semester - zusätzlich zu einem anderen Studium. Die Akademie hat 30 bis 35 Plätze.

Allerdings geht es nicht um einen neuen Placido Domingo oder eine neue Cecilia Bartoli: «Wir bilden hier keine Opernsolisten aus, wir bilden Chorsolisten aus», sagt Koch. Das Ziel ist, tragende Stimmen in einem Chor zu haben. Die Ausbildung umfasse eine Stunde pro Woche Einzel-Gesangsunterricht, separate Stimmbildung sowie Grundkenntnisse in Musiktheorie und Gehörbildung an einem Vormittag in der Woche. Gesungen wird nicht nur im großen Uni-Chor, sondern auch in einer Chorschola, einem Übungschor. Zum Ende eines Semesters kommt ein Auftritt bei der «Open Stage», wo Beiträge vorgesungen werden.

Miriam Hohn (23) studiert im vierten Semester Philosophie und Theologie in Mainz für einen Master of Education. Im Jahr 2000 begann sie mit dem Singen im Kinderchor in Waldbreitbach in Rheinland-Pfalz. Daran will sie wieder anknüpfen. «Das ist genau das Richtige für mich, dass ich wieder in die Musik komme», sagt Miriam. «Das bringt mich einfach weiter.» Für ein Gesangsstudium sei es zu spät für sie.

Ihr Kommilitone Carl Ryan (22) hat die Musik im Blut - sein Vater sang im Opernchor in Darmstadt. Auch Carl hat schon als Kind gesungen. «Die Chorsängerausbildung war einer der ausschlaggebenden Gründe, warum ich mich dann für Mainz entschieden habe.» Er studiert Englisch und Sozialkunde auf Lehramt. Für ihn ist die Chorakademie nicht das Ziel, er will weitermachen. «Ich möchte versuchen, auf eine Musikhochschule für Gesang zu kommen.»

Die Chorakademie hat schon Solisten hervorgebracht: Bariton Christian Wagner, Altistin Rebekka Stolz oder Bassbariton Florian Küppers, der am Staatstheater Mainz singt.

Für Nachwuchs ist also gesorgt - ob nur aus Spaß am Singen oder als (semi-)professionelles Chormitglied. Wer heute in einen Chor geht, singt andere Lieder als die Generation der Eltern. «Der klassische Männergesangverein mit traditionellem Liedgut wird es da natürlich schwer haben, Nachwuchs zu bekommen», sagt Verbandspräsident Scherf. «Aber dafür entstehen an anderer Stelle in den verschiedensten Genres unglaublich viele neue, spannende, ambitionierte Ensembles, was uns optimistisch in die Zukunft blicken lässt.»

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