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Neue Töne bei Festspielen MV: Quartett als «Preisträger in Residence»

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Schwerin - Die Musiker des französischen Streichquartetts Quatuor Ebène gewannen 2005 den Ensemble-Preis der Festspiele Mecklenburg-Vorpommern. Seither waren sie regelmäßig Gäste des publikumsträchtigen Musikfestivals. In diesem Jahr durften sie als «Preisträger in Residence» das Programm der Saison maßgeblich mitgestalten, ein Privileg, das bislang nur Solisten zuteil wurde.

In einem Interview der Deutschen Presse-Agentur blickt der Cellist Raphaël Merlin auf die kommende Spielzeit und erinnert sich an das erste Konzert des Quartetts bei den Festspielen. Interview: Frank Pfaff, dpa

 

Frage: Erstmals wurde ein Ensemble «Preisträger in Residence» und durfte das Programm mitgestalten. Was dürfen die Festspiel-Gäste erwarten?

Antwort: Wir sind zu 80 Prozent ein ganz normales Streichquartett mit klassischem Repertoire. Von Haydn über Bach, Beethoven und Schumann bis hin zu Brahms. Zu 20 Prozent spielen wir aber auch Musik, die das Klassikpublikum für gewöhnlich nicht erwartet. Wir finden dieses Cross-over spannend. Im August werden wir bei den Festspielen eine Jazz-Woche veranstalten. Eine Musikrichtung, die man nicht sofort mit einem Streichquartett in Verbindung bringt. Schon im Juli wird es einen Liederabend geben mit französischen Werken unterschiedlicher Epochen. Es werden sehr verschiedene Klagfarben sein, mit denen wir dieser Festspiel-Saison unseren Stempel aufdrücken wollen.

Frage: Und worauf freuen Sie sich besonders?

Antwort: Das Besondere an dieser Residence ist ja, über einen längeren Zeitraum an einem Ort zu sein und sich mit mehr Ruhe auf die Konzerte vorbereiten zu können. Wir sind es als Musiker anders gewöhnt. Wir sind immer unterwegs, vom Flughafen zum Konzertsaal, dann zum Hotel und am nächsten Tag oft schon wieder im Flieger. Wir freuen uns deshalb auf einen schönen Sommer, in dem wir uns in herrlicher Umgebung mit Freuden treffen und mit ihnen tolle Projekte umsetzen können. Wir haben zwischendurch auch an anderen Orten Gastspiele. Die Festspiele Mecklenburg-Vorpommern werden aber klar im Mittelpunkt stehen. Schließlich stehen wir hier fast 20 Mal auf der Bühne.

Frage: Bei ihrem Debüt vor zehn Jahren gewannen Sie als aufstrebendes Quartett den Ensemble-Preis. Welche Erinnerungen verbinden Sie damit?

Antwort: Es war sehr warm, der kleine Saal sehr voll und das Atmen fiel schwer. Doch dann hat sich eine geradezu elektrisierende Spannung aufgebaut, ganz besonders beim 3. Schumann-Quartett. Es war feurig-feierlich. Auch wenn wir technisch sicher nicht perfekt spielten, so gab es eine sehr intensive Verbindung zum Publikum. Als wir dann von der Auszeichnung hörten, haben wir sofort an dieses Schumann-Quartett denken müssen. Das war ein sehr spezielles Erlebnis für uns und wohl auch für das Publikum.

Frage: Nun die «Residence» - für Sie neben Lust auch Last?

Antwort: Natürlich ist viel Arbeit damit verbunden, fast einen ganzen Sommer musikalisch zu planen und auch die künstlerischen Partner zu finden. Einige Freunde, die wir gern dabei haben wollten, waren leider nicht frei. Aber es ist unglaublich stimulierend zu wissen, dass man nicht nur ein Programm, sondern eine ganze Programmfolge zu konzipieren hat und dabei auch selten gespielte Stücke einbauen oder Ensembles neu zusammenstellen kann. Auf diese Weise kam auch ein Brahms-Zyklus zustande. All das sind für uns fantastische Erfahrungen. Doch beschleicht uns gelegentlich auch die Angst, ob wir all die Stücke auch ausreichend einüben können. Das wird kein einfacher und bequemer Sommer. Aber es wird ganz sicher sehr leidenschaftlich.

Frage: Künstler sind gemeinhin Individualisten. Wie hält man in einem festen Ensemble über Jahre hinweg die Harmonie?

Antwort: Das Quartett wurde 1999 gegründet, spielte dann von 2002 bis 2014 in unveränderter Besetzung. Seit einem Jahr ist nun der Bratschist Adrien Boisseau dabei und bringt auch neues Blut mit hinein. Der Blickwinkel wird etwas breiter, aber man schaut deshalb nicht kollektiv in die entgegengesetzte Richtung. Das Musizieren in einem festen Ensemble hat etwas von einer Ehe. Gut 1200 Konzerte haben wir schon gegeben. Man reist, spielt und diskutiert viel zusammen. Das ist eine Schule für das Leben. Man lernt Geduld zu üben und offen zu bleiben für neue Ideen.

ZUM ENSEMBLE: Das Quartett entstand 1999 am Konservatorium für Musik und Theater in Boulogne-Billancour. Ihm gehören heute Pierre Colombet, Garbiel Le Magadure (beide Violine), Adrien Boisseau (Viola) und Raphaël Merlin (Violoncello) an. Mit ihrem vielschichtigen Repertoire begeistern sie Publikum und Kritiker gleichermaßen. Den ersten großen Erfolg errang das Quartett 2004 beim ARD-Musikwettbewerb, im Jahr darauf gab es den Belmont-Preis der Forberg-Schneider-Stiftung und den Ensemblepreis bei den Festspielen MV. Quatuor Ebène spielte mehrere CDs ein und wurde dafür mehrfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Gramophone Award, dem Echo Klassik und dem BBC Music Magazine Award 2014.

 

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