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Rotstift-Akrobaten: Bayerischer Rechnungshof empfiehlt Ausgliederung der BR-Klangkörper

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München - (Aktualisiert) Wenn sich die Rechnungshof-Erbsenzähler mit Kultur-Institutionen befassen, ist das Ergebnis meist eine saure Milchmädchen-Rechnung. Solches ist auch im folgenden Fall zu befürchten: Der Bayerische Oberste Rechnungshof (ORH) empfiehlt die organisatorische und wirtschaftliche Ausgliederung der drei Klangkörper des Bayerischen Rundfunks (BR). «Von ihrem ursprünglichen Auftrag, Sendungen für die Programme des BR zu erstellen, haben sich die Orchester und der Chor des BR immer mehr entfernt», stellt der ORH in einem soeben veröffentlichten Sonderbericht zur finanziellen Situation des BR fest...

Es sei aber «nicht Aufgabe des BR, einen zunehmend als unabhängiges Konzertorchester fungierenden Klangkörper aus den öffentlich-rechtlichen Rundfunkgebühren zu finanzieren».

Obwohl das Symphonieorchester, das Rundfunkorchester und der Chor im Jahr 2004 fast 20 Prozent des Gesamtetats des BR-Hörfunks verschlungen hätten, trugen sie lediglich zu 1,5 Prozent zum Radioprogramm bei. Jede von den Klangkörpern gefüllte Sendeminute kostete laut ORH demnach über 1000 Euro. Die Durchschnittsminutenkosten im gesamten BR-Hörfunk liegen bei lediglich 64 Euro.

Außerdem waren 2004 mit 238 Stellen rund ein Viertel aller Planstellen des Hörfunks bei den Klangkörpern gebunden. Bis 2007 seien allerdings deutliche Sparmaßnahmen zu beobachten, räumte der ORH ein. Und bei den produzierten Konzertminuten seien bei allen drei Klangkörpern erhebliche Steigerungen festzustellen.

Nach Auffassung des ORH müssen die Orchester künftig wieder stärker in die programmliche Gestaltung eingebunden werden. Auslandskonzerte sollte künftig nur noch dann veranstaltet werden, «soweit die variablen Kosten gedeckt und ein Deckungsbeitrag zu den Fixkosten erzielt wird». Die Konzertaktivitäten in Bayern und Deutschland sollten nach Auffassung des ORH ebenfalls «nachrangigen Charakter haben».
 

Medienminister Schneider verteidigt BR gegen Kritik des Rechnungshofs

München (ddp-bay). Die Staatsregierung weist die Kritik des Bayerischen Obersten Rechnungshofs (ORH) an den hohen Kosten und der Organisation der zwei Orchester und des Chores des Bayerischen Rundfunks (BR) als überzogen zurück. Der «überragende kulturelle Wert» der Klangkörper dürfe nicht gefährdet werden, warnte Medienminister Siegfried Schneider (CSU) am Mittwoch auf ddp-Anfrage in München. «Das kulturelle und gesellschaftliche Engagement des BR, zum Beispiel bei der Nachwuchsförderung, ist auch in Zukunft unverzichtbar und entzieht sich einer rein kommerziellen Betrachtung», betonte Schneider. Der ORH hatte in einem Sonderbericht zur finanziellen Situation des BR moniert, die Klangkörper seien viel zu teuer und hätten sich zu sehr verselbstständigt. «Von ihrem ursprünglichen Auftrag, Sendungen für die Programme des BR zu erstellen, haben sich die Orchester und der Chor des BR immer mehr entfernt», heißt es in dem Bericht. Die staatlichen Rechnungsprüfer empfehlen deshalb eine organisatorische und wirtschaftliche Ausgliederung. Es sei «nicht Aufgabe des BR, einen zunehmend als unabhängiges Konzertorchester fungierenden Klangkörper aus den öffentlich-rechtlichen Rundfunkgebühren zu finanzieren».

 

Weitere Stellungnahmen:

BR-Intendant Thomas Gruber wies die Kritik und die Vorschläge der Rechnungsprüfer als realitätsfremd zurück. Bayerns Medienminister Siegfried Schneider (CSU) warnte, der «überragende kulturelle Wert» der Klangkörper dürfe nicht gefährdet werden. «Das kulturelle und gesellschaftliche Engagement des BR, zum Beispiel bei der Nachwuchsförderung, ist auch in Zukunft unverzichtbar und entzieht sich einer rein kommerziellen Betrachtung», betonte Schneider. Kunstminister Wolfgang Heubisch (FDP) wollte sich nicht zu dem Thema äußern. Das sei «allein Sache des BR», hieß es aus dem Ministerium.

Obwohl das Symphonieorchester, das Rundfunkorchester und der Chor im Jahr 2004 fast 20 Prozent des Gesamtetats des BR-Hörfunks verschlungen haben, trugen sie laut ORH lediglich mit 1,5 Prozent zum Radioprogramm bei. Jede von den Klangkörpern gefüllte Sendeminute kostete demnach über 1000 Euro. Die Durchschnittsminutenkosten im gesamten BR-Hörfunk liegen bei lediglich 64 Euro. Auch auf journalistischer Seite im BR hat es bereits seit Jahren intern immer wieder Kritik an den hohen Ausgaben für die Orchester und den Chor gegeben. BR-Sprecher Rudi Küffner sagte dazu: «Es darf hier nicht um eine rein haushalterische Sicht der Dinge gehen. Der BR hat schließlich einen Kulturauftrag.» Man habe sich intern bereits mehrfach mit Modellen einer Ausgliederung beschäftigt. Sie hätten sich jedoch als untauglich erwiesen. «Ein privates, ausgelagertes Symphonieorchester könnte nicht überleben», warnte Küffner.

Intendant Gruber ergänzte, der Weltruf insbesondere des Symphonieorchesters dürfe nicht leichtfertig aufs Spiel gesetzt werden. «Wir haben hier Schätze, deren Wert wir sehr genau zu schätzen wissen.» Der ORH räumte ein, dass die die drei Klangkörper aufgrund ihrer personellen Ausstattung in der Lage seien, Programmbeiträge mit sehr hohen Qualitätsansprüchen zu erarbeiten. Dies komme auch durch internationale Auszeichnungen zum Ausdruck. Allerdings müssten die Orchester künftig wieder stärker in die programmliche Gestaltung eingebunden werden. Auslandskonzerte sollte künftig nur noch dann veranstaltet werden, «soweit die variablen Kosten gedeckt und ein Deckungsbeitrag zu den Fixkosten erzielt wird».

Die Konzertaktivitäten in Bayern und Deutschland sollten nach Auffassung des ORH ebenfalls «nachrangigen Charakter haben». BR-Sprecher Küffner sagte, es sei schon heute die Vorgabe, bei Auslandsreisen «eine schwarze Null» anzustreben. «Und das klappt auch ganz gut.» Besonders kritisch sehen die staatlichen Rechnungsprüfer, dass die Klangkörper vom BR für private CD-Produktionen «zu einem - geringen - Pauschalhonorar oder sogar kostenlos zur Verfügung gestellt» wurden. 2004 sei so bei acht Produktionen ein Gesamtverlust von 2,3 Millionen Euro entstanden. Der ORH empfiehlt deshalb, Co-Produktionen «grundsätzlich zu überdenken».
 


Zahlen und Fakten zu den BR-Klangkörpern: Die zwei Orchester und der Chor des Bayerischen Rundfunks
(ddp). Der Bayerische Rundfunk (BR) unterhält drei sogenannte Klangkörper: das Symphonieorchester, das Rundfunkorchester und den Chor. Sie dienen dazu, zum gesetzlichen Auftrag des BR in Sachen Bildung und Unterhaltung beizutragen. Finanziert werden die Klangkörper, wie der gesamte BR, hauptsächlich aus den Rundfunkgebühren.

DAS SYMPHONIEORCHESTER: Am bekanntesten ist das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks. Der BR bezeichnet es selbst als den «Rolls Royce unter den Orchestern». Von Fachpublikationen wurde es auch in jüngster Zeit wieder zu den besten zehn Orchestern Europas und der Welt gezählt. 1949 gegründet hat es im Laufe der Jahrzehnte viele weltberühmte Künstler angelockt. Die lange Liste der Gastdirigenten reicht von Leonard Bernstein, Paul Hindemith und Igor Strawinsky bis hin zu Otto Klemperer, Zubin Mehta und Riccardo Muti. 2007 gehörten 110 Musiker und weitere Mitarbeiter zum Ensemble. Die Personalkosten betrugen fast 8,8 Millionen Euro. Der aktuelle Chefdirigent ist seit 2003 der Lette Mariss Jansons. Unter ihm wurde das BR-Symphonieorchester 2006 mit einem Grammy in der Kategorie «Beste Orchesterleistung» ausgezeichnet. Er lobte sein Orchester einmal als «nicht nur brillant - es hat keinerlei Schwächen».

DAS RUNDFUNKORCHESTER: Das Rundfunkorchester bezeichnet sich selbst gern als «Münchens erstaunlichstes Orchester». Sein Repertoire ist etwas leichter und mehr auf Unterhaltung ausgelegt. Dazu gehören Operetten, aber auch exotische klassische Musik, etwa aus der Türkei. Selbstdefiniertes Ziel ist es, die Hörer zu «unterhalten, berühren und begeistern und mit den Schönheiten der klassischen Musik Farbe in ihren Alltag» zu bringen. Das Orchester wurde 1952 gegründet. In den 1980er Jahren gab es diverse gemeinsame Konzerte mit Weltstars wie Luciano Pavarotti, Marilyn Horne und Montserrat Caballé. In den 1990ern beteiligt sich das Rundfunkorchester sogar an einer Tournee des Liedermachers Konstantin Wecker. Unter den Gastdirigenten des Orchesters waren unter anderem Plácido Domingo, Bobby McFerrin, Bruno Weil und Robert Stolz. Seit 2006 wird das Orchester von Ulf Schirmer geleitet. 2007 betrug die Zahl der festen Mitarbeiter 55. Die Personalkosten lagen bei knapp 4,2 Millionen Euro.

DER CHOR: Der Chor des Bayerischen Rundfunks sieht sich selbst als «Kulturbotschafter Bayerns». Er ist mit seiner Gründung 1946 der älteste Klangkörper des BR. Der Chor arbeitet sehr eng mit dem Symphonieorchester zusammen und gewann mit ihm gemeinsam 2009 den Echo-Klassik in der Kategorie Chorwerk-Einspielung des Jahres. Künstlerischer Leiter ist der Niederländer Peter Dijkstra. Der Chefdirigent aber ist, wie auch beim Symphonieorchester, der Lette Mariss Jansons. Vor allem auch jenseits des Mainstreams sieht der Chor seine Bestimmung. «Wir sind stolz auf ein Programm, das sich nicht dem kommerziellen Diktat unterwerfen muss.» Das aktuelle Repertoire reicht vom Barock bis zur Gegenwart mit zeitgenössischen Kompositionen aus England, Schottland, China und den Ostsee-Anrainerstaaten. Der Chor bestand 2007 aus 41 Mitgliedern und Mitarbeitern, für die 2,7 Millionen Euro ausgegeben wurden.