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Trauer beim Theaterfestival Ruhr: Keine Triennale-"Blind Dates"

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Bei dem Ende August erstmals startenden Bühnenfest Ruhr-Triennale wird es keine kulturellen "Blind Dates" geben, wie sie das Theaterfestival Ruhr (T 7) in den vergangenen vier Jahren populär gemacht hat.

Essen/Herten (ddp-nrw). Es gäbe keine Anfrage seitens der Triennale, solche Fahrten durchzuführen, sagte T7-Sprecher Hansgünther Heyme am Wochenende in Herten.
Bei den "Blind Dates" des Theaterfestivals Ruhr war das Publikum in der Vergangenheit zwölf Stunden lang mit einem Dutzend Bussen durch das Ruhrgebiet gefahren worden. Dabei wussten die Zuschauer nie, welche Produktionen aus dem aktuellen Programm der beteiligten Festivals ihnen wo gezeigt werden.

"Uns frisst nun der große Tiger Triennale", stimmte Festivalsprecher Heyme das Publikum beim "Leichenschmaus" in der Kaue der ehemaligen Zeche Ewald in Herten auf eine ungewisse Zukunft ein. Zuvor waren die Theaterreisenden in einem Trauermarsch durch die stillgelegten Werks- und Maschinenhallen gezogen. Am "Wegesrand" hatte der Dortmunder Regisseur Rolf Dennemann die Erzählung das "Unverhoffte Wiedersehen" von Johann Peter Hebel inszeniert.

Wie in den Jahren zuvor seinen auch in diesem Jahr die 1200 Karten für die Fahrten am Samstag und Sonntag innerhalb von wenigen Stunden vergriffen gewesen, berichtete Projektleiter Jürgen Fischer. Dem großen Finale vor und in der eindrucksvollen Kulisse des verlassenen Bergwerks Ewald war eine mehrstündige Kultur-Fahrt durch das Ruhrgebiet vorausgegangenen, auf der die sieben am Theaterfestivals Ruhr beteiligten Festivals ihre Visitenkarte abgaben.

Unter anderem las die Autorin Sybille Berg, nominiert für den Dramatikerpreis der Mülheimer Literaturtage NRW, im Blaumann an eine Kohlenlore gelehnt Liebesgeschichten. Hansgünther Heyme blickte das Publikum eine Stunde lang bei den Proben zu Ibrahim Bassa und Ibrahim Sultan über die Schulter. Die Dramen von Daniel Casper von Lohenstein werden bei den Ruhrfestspielen Recklinghausen am 4. Mai uraufgeführt.

Im Innenhof des Schoss Broich in Mülheim war derweil das Welttheater der Straße aus Schwerte zu Gast und ließ Menschen an Stahlseilen hängend über den Burghof schweben. Den bleibendsten Eindruck hinterließ aber der niederländische Puppenspieler Neville Tranter, der das Publikum auf das Figurentheater der Nationen, "Fidena", in Bochum einstimmte.

Tranter zeigte Szenen aus den laufenden Proben zu seiner neuen Produktion "Schicklgruber", die Hitlers letzten Tag im Berliner Bunker nachstellt. Der minutenlange Beifall zeigte Tranter, dass er mit seiner bisherigen Interpretation der Ereignisse hinter den dicken Betonmauern auf dem richtigen Weg ist.

Neben dem Überraschungsmoment und den individuellen Spielorten der Industriekultur lebte die Theaterreise stets von dem intensiven Erfahrungsaustausch während der Bustransfers. "Die Busse schaffen eine große Intimität", sagte Festivalsprecher Heyme zurückblickend. "So nah sind wir unserem Publikum sonst nie gekommen." Und erfahrene Theaterkritiker wie Werner Streletz von der "Westdeutschen Allgemeinen Zeitung" finden nach dem letzten "Blind Date", "dass diese Art der Theaterreise auch der Triennale gut tun könnte".

Jan Buchholz