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Krzysztof Penderecki. Foto: Schott Music/Katharina Freiberger
Krzysztof Penderecki. Foto: Schott Music/Katharina Freiberger
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Aufbruch in neue Tonsprachen

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Warschau feierte den 80. Geburtstag Krzysztof Pendereckis mit einem opulenten Festival
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Konzerte in New York, Yale, Boston, Budapest und die Weltpremiere der Film-Dokumentation „Wege durchs Labyrinth – Der Komponist Krzysztof Penderecki“ in Leipzig hatte er, samt hunderter Interviews, gerade erst hinter sich gelassen, da erwartete man den Maestro bereits in Warschau. Mit 10 Konzerten in Nationalphilharmonie, Schloss und einer finalen Gala in Europas größtem Opernhaus zelebrierte die polnische Metropole den Geburtstag des, neben Chopin, populärsten Komponisten des Landes. Gekommen waren zahllose Freunde und langjährige musikalische Weggefährten des Komponisten, Dirigenten und Baumsammlers. So las sich das Tableau der angereisten Solisten und Dirigenten wie ein „Who-is-Who“ der globalen Klassikszene: Gergiev, Slatkin, Janowski, Maazel, Dutoit, Shanghai Quartet, Mutter, Rachlin, Bashmet et cetera ... Im Verein mit sämtlichen polnischen Spitzenorchestern beeindruckten sie mit einer vielgesichtigen wie umfassenden Werkschau, bei der rund 40 Werke des Jubilars zur Aufführung kamen.

Am Ende des siebentägigen Penderecki-Marathons würdigte Kulturminister Bogdan Zdrojewski den (musikalisch) reich Beschenkten als „wichtigsten Vertreter des polnischen Kulturlebens und  bedeutendsten Botschafter der polnischen Kultur in der Welt“. Große Worte, doch in diesem Fall mehr als nur Geste eines Politikers, der seine protokollarischen Pflichten zu erfüllen hatte: Denn tatsächlich leuchtet kein zweiter Stern des polnischen Kulturlebens vergleichbar hell. Penderecki und sein Schaffen prägen seit Jahrzehnten die nationale Identität. Viele seiner weit über 100 Werke zählen bereits zum Repertoire-Kanon der internationalen Konzert- und Opernbühnen, andere wie „Threnos“ die „Lukas-Passion“, das „Sextett“ oder das 2. Violinkonzert „Metamorphosen“ – um nur einige zu nennen – gelten zweifellos als Klassiker der zeitgenössischen Musik.

Gäste aus fünf Kontinenten und ein generationenumspannendes heimisches Publikum hatten sich vornehmlich in der legendären Philharmonie eingefunden, um dem so originären wie vielstilistischen Werke-Kosmos Pendereckis seine Reverenz zu erweisen. Eine schlüssige wie von Raffinement getragene Gesamtdramaturgie erleichterte dabei den Zugang zu den komplexen, zum Teil hermetischen Klangwelten. So wurden einerseits jeweils Werke verschiedener kompositorischer Phasen gegenüber gestellt, andererseits für die einzelnen Werke unterschiedliche Dirigenten und Solisten verpflichtet; ein Konzept, mit dem Fes-tivaldirektorin Elzbieta Penderecka nicht nur (mehrfache) Vergleichbarkeit generierte, sondern auch für Kurzweil sorgte. Eindrücklich beispielsweise, so konträre Dirigentenpersönlichkeiten wie Lawrence Foster, Andres Mustonen und Lorin Maazel in unmittelbarer Abfolge am Pult zu finden oder wechselnd besetzte, hochkarätige Kammermusik-Formationen. Erkenntnis zeitigend jedoch insbesonders die Möglichkeit, ein repräsentatives „Bild“ eines Lebenswerkes  gewärtigen zu können, das in Facettenreichtum und Dichte seinesgleichen sucht. Penderecki hat in nahezu allen Genres, Gattungen und Stilen komponiert. Sich von der reinen Avantgarde zu lösen, hieß für die Dogmatiker der Szene: Verrat. Für den Maestro selbst bedeutete es Aufbruch in neue Tonsprachen, vor allem aber – mentale Unabhängigkeit.

Wie frei Penderecki seither agierte, zeigt ein Werkespektrum zwischen dem ersten Streichquartett, der Oper „Die Teufel von Loudun“, der 8. Sinfonie „Lieder der Vergänglichkeit“ oder dem Doppelkonzert für Violine und Viola von 2012, einem Kosmos, der von ungebrochener Kreativität und Schaffensdrang ebenso gekennzeichnet ist wie von tadellosem Handwerk und der Affinität zur genauen Form. Wer also beim Festival die Kondition aufbrachte, sich dieser Vielfalt zu stellen, musste konstatieren, wie neu und überraschend diese Werke stets klingen, wie schließlich Heterogenes zu einer Idee sich fügt. Und selbst wenn bisweilen Überliefertes verhandelt, reflektiert respektive integriert wird: Pendereckis Musik macht sich niemals gemein. Weder mit dem Zeitgeist, noch mit Moden oder dem entsprechenden Diskurs.

So erwies sich nach einer Woche Penderecki „total“ wieder einmal, dass mit statischen Kategorisierungs-Kanonaden diesem Œuvre kaum beizukommen ist. Angemessen flexibel, motiviert und passioniert gaben sich dann auch die geladenen Gäste. Renommierte Musiker wie Barry Douglas, Julian Rachlin, Claudio Bohórquez, Ivan Monighetti, Arto Noras, Daniel Müller-Schott oder Michel Lethiec kreierten Klangtableaus zwischen Intimität und Opulenz, zwischen forcierten Rhythmen und zarter Einlassung.

Mit „Threnos“, dem „Duo concertante für Violine und Kontrabass“, dem „Concerto grosso für 3 Celli und Orchester“ und „Credo“ faltete schließlich die (Geburtstags-)Gala am letzten  Festivaltag dann noch einmal paradigmatisch das Spektrum des Penderecki'schen Werkes auf. Zugleich machten die Auftritte der Dirigenten Gergiev, Dutoit und Krzysztof Urbanski ebenso wie die Mitwirkung der Solisten Anne-Sophie Mutter und Roman Patkolo deutlich, welche Wertschätzung der Maestro bei den Musikern genießt.

Polen feierte seinen Komponisten, und die Welt war nach Warschau gekommen. Anderen hätte solch eminente Zeremonie den Kopf verdreht. Penderecki indes sah die Betriebsamkeit eher gelassen: Womöglich war er in Gedanken bereits wieder bei seinen Bäumen, dem Park – und den zahlreichen, noch ungeschriebenen Werken.

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