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Höhenflüge jenseits der Avantgarde

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John Tavener: Werke für Violoncello. Raphael Wallfisch, Royal Philharmonic Orchestra, Ltg. Justin Brown. In der Reihe „Quadromania. Music of the 20th Century”, Membran 222190-444.

Wie sich ein junger Vogel in die Lüfte schwingt, an Höhe gewinnt und dahingleitet, gespannt und zugleich berauscht über sein eigenes Fliegenkönnen, so tastet sich das Cello in John Taveners „Protecting veil“ mit verhaltener Spannung in die hohen Lagen. Und die Interpretation des Cellovirtuosen Raphael Wallfisch, begleitet durch das Royal Philharmonic Orchestra, verdeutlicht: Da ist ein Raum, der sich weit über alle Resonanzräume erhebt, offen ist und doch Geborgenheit bietet.

Was die drei Stücke von John Tavener auf der ersten CD aus der Porträtsammlung avantgardistischer Werke vereint, ist das durchgehend weiche Timbre und das Fehlen scharfer Dissonanzen, wie sie Hörer moderner Musik fast zwingend erwarten. Wie zahlreiche andere Werke des Londoner Komponisten vermitteln die auf einfache Konsonanzen reduzierten Klänge der Werke Taveners den Eindruck disziplinierter Ruhe. Dabei wird die strenge Klang-ökonomie des melodietragenden Instrumentes unterbrochen von Orchestereinsätzen, die in Klangfarbe und Ausdruck intensiv hervortreten.

Ob die Werke des Kompositionsprofessors am Londoner Trinity College freilich passende Beispiele für avantgardistische Musik darstellen, ist fraglich. Fraglich, weil die Avantgarde den ideologisch behaupteten Vormarsch gegen eine schal gewordene Musiktradition meint. Und weil der 1944 geborene Schöpfer unzähliger sakraler Werke mit seiner Vorliebe für viktorianische Hymnen und seinen Vorbildern Ligeti, Boulez und Messiaen an Traditionen anknüpft, ohne sie zu verleugnen.

Wenn der durch Strawinskys „Canticum Sacrum“ zur Komposition Inspirierte mit etwas bricht, so mit der Vorstellung, Musik müsse hochreflexiv sein, um Wert zu besitzen. Taveners Klänge erreichen Flughöhen, doch geschieht das stets von einem festen Grund aus.

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