Sich dem Jazzidiom zu widmen, ist natürlich von persönlichen Präferenzen abhängig. Spezielle Interessen zeigen sich bei weiblichen Perspektiven. So hat Robin McKelle sich nach Abschweifungen in andere Genres wieder ihrer ursprünglichen Neigung, dem Swing, mit „Impressions Of Ella“ (Fitzgerald) zugewandt. Eindeutig sind ihre Interpretationen einiger Titel der Grand Dame des Jazz keine Imitationen, sondern individuell: Ihre helle Stimme kontrastiert dabei mit den „schwarzen“ Voicings von Altmeister Kenny Barron am Klavier, der die Songs durch Intermezzi wesentlich mitgestaltet. Wie überhaupt auch Peter Washington (Bass) und Kenny Washington (Schlagzeug) Robin McKelle als prima inter pares optimal unterstützen, sodass kollektives Einverständnis bei dieser Ella-Reverenz merkbar ist. (Doxie)
Weibliche Perspektiven
Im Oktett-Format „Lilac For People“ nähert sich die Sängerin und Komponistin Francesca Gaza (Italien/Deutschland) dem existenziellen Sujet „Sfiorire“ (Verwelken) durch impressionistische Jazz-Timbres, die in aufregender Crescendo- und Diminuendo-Dynamik organische Bewegungen suggerieren. Aparte Arrangements aus dominant dunklen Registern (Tuba/Bass-Klarinette) umgeben ihren Gesang, der aus statischem Akkord-Gespann wie eine wachsende Pflanze zur Hymne emporsprießen kann. Folk- und Pop-Elemente ranken zu irisierenden Klanggewächsen. (Tük)
Auf anderen World-Jazz-Pfaden will Deng Xiaomei mit ihrem International Ensemble Grenzen überschreiten, so der Albumtitel „Crossing Boundaries“ ihres Septetts. Und zwar mit einem Potpourri aus Songs sehr verschiedener Provenienz: eine Melodie-Idylle (Five Elements) aus ihrer Heimat kombiniert sie die Volksgeige Erhu unisono mit Olaf Schönborn am Saxophon, später aufgeraut mit E-Gitarrensounds von Heiko Duffner. Pochende Irish- oder Country-Rhythmen prallen weiters auf Erhu-Flimmern bei Orient-Groove („Briel“, von US-Avantgardist John Zorn) und „Far East Blues“, dessen Guzheng-Harfen-Pentatonik in relativ freien Sax- und Gitarren-Improvisationen intensiviert wird. Kulturelle Differenzen werden flexibel ausgeglichen und dadurch soundgemäß integriert. (Rodenstein).
Von klassisch geschulten, später im Jazz umkodierten Violinfähigkeiten lässt sich Terese Lien Evenstad aus Schweden als Komponistin antreiben, um per Quintett in Bewegung („Movement“) zu kommen. Gemeinsam mit ihrem Ehemann Alexander Ivarsson an der Klarinette präsentiert sie oft modale Themen, die entsprechenden Drive haben. Frohe Gypsy-Seufzer können zu eleganter Kadenz geleiten, Fusion Jazzrock zu schmeichelnder Popmelodik oder wie in einer Pastorale zu einer Waldlichtung. Ihr unprätenziöser Violinstil und ihre frischen, oft von Naturerlebnissen inspirierten Ideen sind musikalisch straff gebündelt und haben je ein klares Stil-Profil. (Berthold)
Eher progressiv und an somnambulen Nachtzuständen orientiert hat die Pianistin Olga Reznichenko für ihr Trio eine Suite entlang acht Traum-Episoden komponiert. Polyphonie und hochgradige Interaktionsdichte bestimmen diese Diskurse. Dunkles Ostinato und Minimal-Patterns verwirbeln sich zu komplexer Dramatik oder ein Mäander-Thema wird durch alle Richtungen durchquert. Wechselnde Dialog-Konstellationen und rhythmischer Drall geben ihren virtuosen, von Romantik und klassischer Moderne beeinflussten Stücken den Spin intensiver Neugier. (Traumton)
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