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Gewachsenes Zutrauen in eigene Fähigkeiten

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Die Zentralkonferenz ”Jugend musiziert“ fand Anfang November in Landshut statt
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Mit seinem Angebot an junge Instrumentalisten und Sänger steht ”Jugend musiziert“ nicht nur musikpolitisch auf der Höhe der Zeit, auch seine Diskussionskultur kann sich sehen lassen – so lautet die unbescheidene Bilanz am Ende der Zentralkonferenz, die von 2. bis 4. November in der Bayerischen Sparkassenakademie in Landshut stattgefunden hatte.
Nach drei Tagen intensiven Austausches aller nur denkbaren Argumente für und wider stand fest: ”Jugend musiziert“ geht den nächsten großen Schritt und erweitert sein Kategorien-Spektrum um Popmusikinstrumente und Pop-Gesang.

130 Delegierte aller politischen und organisatorischen Ebenen des Wettbewerbs ”Jugend musiziert“ hatten sich für drei Tage in Klausur begeben, um vor allem die große und entscheidende Frage zu erörtern: „’Jugend musiziert‘ und Pop – passt das zusammen und ist das für alle machbar?“

Einzug in die Gremien hatte diese Frage bereits vor gut vier Jahren gehalten, als, auf Initiative von Prof. Udo Dahmen, Vizepräsident im Deutschen Musikrat und Direktor der Pop-Akademie Mannheim ein Konzept bei ”Jugend musiziert“ vorgestellt wurde, das ebenso überzeugend wie überraschend war.

Zu diesem Zeitpunkt waren bereits auf der Basis von Mutmaßungen Szenarien entwickelt worden, die den verantwortlichen Organisatoren an der Basis von ”Jugend musiziert“ die Haare zu Berge stehen ließen: von zusätzlichen tausend Teilnehmern wurde gemunkelt, riesigen Verstärkertürmen und mehrköpfigen Bands, die mit aufwändigem Equipment beim Abschlusskonzert jedes Blockflötenensemble unter Schalldruck von der Bühne blasen würden. Der Vorschlag Dahmens jedoch sah – im Gegensatz zu allen bislang bekannten Förderkonzepten für Popmusik – vor, zunächst das solistische Können zu entwickeln und zu fördern, bevor man am „Sound“ einer Band zu arbeiten beginne.

Am Anfang steht der Solist

Damit war eine Idee geboren, die in sich plausibel war, die die Qualität besaß, die schlimmsten Bedenken zu zerstreuen und die prinzipiell dazu geeignet war, in den Wettbewerb mit seinen gut eingeführten Abläufen und Anforderungen integriert zu werden: Traditionell können Musikerinnen und Musiker bei ”Jugend musiziert“ entweder als Solisten oder als Ensemble mitmachen. Betrachtet man die Genese des Wettbewerbs im Verlauf der Jahrzehnte, so stand bis weit in die 70er-Jahre das solistische Können im Vordergrund und erst allmählich entwickelte sich der neue Schwerpunkt, die Ensemblekategorien. Das Verhältnis hat sich heute umgekehrt, mehr als 70 Prozent aller Teilnehmer auf Bundesebene sind Teil eines Ensembles. Ein deutliches Zeichen nicht nur für die Beliebtheit dieser Kategorien, sondern auch für das gewachsene Zutrauen in die eigenen technischen Fähigkeiten, die einen den Mut finden lassen, sich schwieriger Kammermusik-Literatur zuzuwenden.

Pilotphase „Pop“

Dem Popmusik-Konzept sollten Fakten und Erfahrungswerte folgen, so erklärten sich in den Jahren 2005, 2006 und 2007 fünf verschiedene Landeswettbewerbe bereit, einzelne Pop-Kategorien im Rahmen einer Pilotphase durchzuführen. Im Vorfeld hatte ”Jugend musiziert“ Fachleute aus den Popmusikstudiengängen der diversen Musikhochschulen, freischaffende Pop-Musiker und versierte Musikpädagogen zusammengezogen, um gemeinsam mit ihnen Ausschreibungsmodalitäten für die Instrumente E-Gitarre, E-Bass, Drumset, Vocals, Keyboard und DJ-ing zu formulieren. Denn unbestritten war von Anfang an: das Niveau, mit dem die Instrumentalisten und Sänger der bisherigen ”Jugend musiziert“-Kategorien konfrontiert werden und das sie in vielen Fällen mit Bravour meistern, sollte auch für die neuen Genres angestrebt werden. So dass sich schon in Pilotphase I der eine oder andere Keyboarder bei der Lektüre der Ausschreibung verwundert die Augen gerieben haben wird, denn weder war Begleitautomatik erlaubt, noch die Cover-Version eines aktuellen Hits: Vielmehr spielten nun Kreativität, kompositorische Fähigkeiten, Originalität und die unbedingte technische Beherrschung des Instruments eine Rolle.

Erfahrungen

Die Erfahrungen der Organisatoren aus der dreijährigen Pilotphase fanden auf der Zentralkonferenz ebenfalls Eingang. Der durch und durch positiven Bilanz der Beteiligten an der Pilotphase standen die skeptischen Fragen zu Teilnehmerzahlen, dem organisatorischen und technischen Aufwand, den Voraussetzungen für Einspiel- und Wertungsräume und nicht zuletzt zum finanziellen Mehraufwand für zusätzliche Jurygremien, technische Ausstattung und Anmietung weiterer Wertungsräume gegenüber. Vieles davon konnte zufriedenstellend beantwortet werden.

Dazu gehörte der zu erwartende Teilnehmerzuwachs und die damit verbundene Finanzierbarkeit auf Regionalebene. Die neuen Solo-Kategorien würden nicht alle zum selben Zeitpunkt bei ”Jugend musiziert“ angeboten werden, sondern hintereinander, verteilt auf die kommenden drei Jahre, beginnend mit 2009, so dass der Neuzuwachs an Teilnehmern überschaubar bleibe.

Pop-Musik im
Dreijahresturnus

Die eingangs erwähnte geradezu vorbildliche Diskussionskultur während der drei Landshuter Tage ergab am Ende den folgenden Beschluss:

Künftig können Gitarristen, Bassisten, Sänger und Drummer solistisch bei ”Jugend musiziert“ mitmachen und sich mit eigenen Songs und Stücken aus der Pop- und Rockmusik bei ”Jugend musiziert“ bewerben. Die Kategorien lauten: Gitarre (Pop), Bass (Pop), Gesang (Pop) und Drumset. Darüber hinaus bieten die Bundesländer Berlin und Nordrhein-Westfalen die Kategorie DJ an.

Die vielleicht ungelenk wirkenden Bezeichnungen „Gitarre (Pop)“ beziehungsweise „Bass (Pop)“ sollen auf die Tatsache aufmerksam machen, dass auch Freunde und Freundinnen der akustischen Gitarre und des Kontrabasses mitmachen können, sofern ihr Repertoire den Ausschreibungsbedingungen von Pop entspricht. Weshalb nicht zuletzt deshalb die neuen Kategorien im bekannten dreijährigen Turnus in die kommenden Wettbewerbsjahre eingeflochten sind. Eine Beteiligung soll auch bei den Streichinstrumenten (Kontrabass), den Zupfinstrumenten, dem klassischen Gesang oder dem Schlagzeug möglich sein, ohne für ein und denselben Wettbewerb zwei oder mehr Wettbewerbsprogramme vorbereiten zu müssen. 2009 wird erstmals Bass angeboten werden, 2010 Pop-Gesang, 2011 Drumset und Gitarre. Die detaillierten Wettbewerbsbedingungen werden jeweils im Jahr zuvor über die Bundesgeschäftsstelle ”Jugend musiziert“ oder im Internet erhältlich sein.

Neue Kategorien, Sponsoren

Die bislang letzte offene Frage bleibt die der Finanzierung. Sie steht nicht erst mit dem jüngsten Beschluss im Raum. Ständig steigende Teilnehmerzahlen bei ”Jugend musiziert“ und das Ethos der Veranstalter, den Jugendlichen weiterhin einen perfekt organisierten Wettbewerb zu bieten, fordern großes Geschick bei gleichbleibend schmalem Budget. Und auch wenn die Öffentliche Hand ihr Interesse an einer Erweitung um die genannten Kategorien signalisiert hat, wird sich dieselbe nun nicht weiter öffnen und hätte aus Gründen des föderalen Prinzips ohnehin keine Auswirkung auf die Regionalwettbewerbe, die ja zum allergrößten Teil ehrenamtlich organisiert und durchgeführt werden. Es besteht die berechtigte Hoffnung, dass mit diesem Schritt die Aufmerksamkeit für ”Jugend musiziert“ noch einmal steigen wird und damit auch die Attraktivität für weitere Förderer und Sponsoren. Regionalwettbewerbe, die bereits mit den Sparkassen zusammenarbeiten, werden im örtlichen Sponsor sicherlich einen aufmerksamen Zuhörer haben, für den die neuen Kategorien auch aus Marketing-Sicht interessant sind. Vor allen pekuniären Überlegungen steht jedoch die Tatsache, dass ”Jugend musiziert“ den neuen Weg selbstbewusst gehen und seine Erwartungen an die musikalischen und künstlerischen Fähigkeiten auch auf die neuen Kategorien ausdehnen wird.

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