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Wilhelm Lehr als stets aufmerksamer Klavierbegleiter. Foto: W. Lehr
Wilhelm Lehr als stets aufmerksamer Klavierbegleiter. Foto: W. Lehr
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Musiker, Macher und Ratgeber

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Eine Würdigung zum 70. Geburtstag von Wilhelm Lehr
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Eine der prägendsten Persönlichkeiten in der bayerischen Schulmusik der vergangenen Jahrzehnte feierte am 18. Januar ihren 70. Geburtstag: Wilhelm Lehr, der Ehrenvorsitzende des Verbandes Bayerischer Schulmusiker. „Schon 70?“, ist man geneigt zu fragen angesichts der vitalen Präsenz eines Machers, der über mehrere Jahrzehnte das Bild der bayerischen Schulmusik mitbestimmt hat und der auch nach seiner Pensionierung weiterhin in der Funktion des Vizepräsidenten des Bayerischen Musikrates die musikalische Landschaft Bayerns an entscheidender Stelle beeinflusst und gestaltet.

Musiklehrer, Referatsleiter, Schuldirektor

Musikalisch geprägt wurde der 1947 in Kirchdorf (Kreis Freising) geborene Jubilar früh durch seinen Vater, der in Güntersdorf (Landkreis Pfaffenhofen) zunächst als Volksschullehrer und Organist arbeitete und später als Seminarlehrer für Musik am Theresien-Gymnasium München zahlreichen Schulmusikern die Grundlagen für den beruflichen Werdegang vermittelte. Das unbestreitbare musikalische Talent des achtjährigen Willi wurde anfangs in der Vorschule der Regensburger Domspatzen in Etterzhausen weiterentwickelt. Bis zum Stimmbruch blieb er Regensburger Domspatz, danach wechselte er als Schüler ans Camerloher-Gymnasium in Freising, wo er 1966 sein Abitur ablegte. Im gleichen Jahr bestand Lehr die Aufnahmeprüfung für Schulmusik an der Münchner Musikhochschule, konnte allerdings mit der Ausbildung nicht unmittelbar beginnen, da er zunächst noch als Gebirgsjäger in Berchtesgaden seine Wehrpflicht ableisten musste.

Nach dem Schulmusikstudium, das Wilhelm Lehr 1972 abschloss, war er zunächst am Theresiengymnasium in München im Referendariat und kam dann zum Zweigschuleinsatz nach Niederalteich ans Schulheim St. Gotthart. Dort gefiel es dem jungen Schulmusiker so gut, dass er sich vorübergehend aus dem Staatsdienst beurlauben ließ und bis 1977 an der Schule blieb. Danach wechselte Lehr ans Werner-von Siemens-Gymnasium nach Regensburg. Neben seiner beruflichen Tätigkeit absolvierte er noch an der dortigen Universität ein Zweitstudium für Diplompädagogik und Musikwissenschaft.

1980 übernahm Wilhelm Lehr das Amt des Referatsleiters Musik an der Akademie für Lehrerfortbildung in Dillingen. Dort setzte er entscheidende Impulse für die gesamte staatliche Musiklehrerfortbildung in allen Schularten. Ab 1989 war er dann als Schulleiter tätig, eine Funktion, mit der er zwar vor allem verwaltungsmäßig und organisatorisch das Bild seiner Schule in der Region prägen konnte, aber auch noch weiterhin musikalische Impulse setzte. Zunächst am Gymnasium in Bogen (1989–92), anschließend bis zu seiner Pensionierung am Theodor-Heuss-Gymnasium in Nördlingen war Lehr ein Schulleiter, dem neben den rein fachlichen Belangen immer auch das gute menschliche Klima an seiner Schule sowie das persönliche Wohl von Schülern und Lehrern eine Herzensangelegenheit waren.

Bildungspolitisches Engagement und strategisches Geschick

Bereits in jungen Jahren hatte Lehr erkannt, dass eine Diskrepanz bestand zwischen der bei offiziellen Anlässen immer wieder geäußerten und auch wissenschaftlich erwiesenen eminenten Bedeutung der Musikausbildung für Kinder und Jugendliche und der Stellung des Faches in der Realität des Schulalltages. Um dies zu verbessern, entschied er sich für die Übernahme von Aufgaben und Ämtern, die an der Schnittstelle von Schule, Verwaltung und Politik anzutreffen sind. Daher war es folgerichtig, dass sich Wilhelm Lehr schon bald auch im VBS engagierte, zunächst als Stellvertretender Vorsitzender (unter Prof. Hennevogel), danach über viele Jahre als Verbandsvorsitzender. Mit taktischem und strategischem Geschick, unbestreitbarer Kompetenz in fachlichen Belangen sowie überzeugend freundlichem, aber konsequentem Auftreten setzte er sich für die Belange der Schulmusik ein und erreichte spürbare Verbesserungen des Ist-Zustandes  – sowohl für den beruflichen Alltag der Lehrkräfte als auch für die Stellung des Musikunterrichts an den bayerischen Schulen. Dabei hatte Lehr immer die Musikerziehung als Ganzes im Auge; es war ihm eine Herzensangelegenheit, Vertreter für die Musiklehrerinnen und -lehrer aller Schularten zu sein.

Eine unabdingbare Voraussetzung für alle diese erfolgreichen Tätigkeiten war dabei für Lehr immer persönliche Authentizität, zu erreichen durch permanenten Einsatz, geistige Wachheit und das Wahrnehmen gesellschaftlicher Entwicklungen. Die ständige Einarbeitung in immer neue Aufgabenbereiche verschaffte ihm einen ungewöhnlich großen geistigen Horizont sowie Detailkenntnis in den unterschiedlichsten fachlichen Bereichen. Aussagen, die Wilhelm Lehr machte, waren immer wohl durchdacht und fußten auf umfassender Kenntnis der Materie. Seine Überzeugungen vertrat Lehr immer couragiert und energisch. Er schreckte auch nicht davor zurück, die daraus resultierenden Meinungsverschiedenheiten konsequent auszutragen, sei es hier in Bayern, sei es im Bund als bayerischer Repräsentant im Verband Deutscher Schulmusiker. Legendär bleibt in dieser Hinsicht sein jährlicher Kommentar zu den Verhältnissen und der Tätigkeit des Bundesverbandes in der nmz unter dem Titel „Herbstmanöver“.

Musikunterricht zählt – ein Leben lang!

Lehrs Einstellung zur Musikerziehung lässt sich leicht an vier Begriffen festmachen: Qualifikation (der Mensch muss etwas lernen), Personalisation (jeder Mensch soll sich entwickeln können/müssen), Sozialisation (der Mensch muss in Gemeinschaft leben lernen) und Enkulturation (ohne Basis eines eigenen kulturellen Hintergrundes geht es nicht). Musik ist ein unverzichtbarer Bestandteil der Bildung und Ausbildung von Menschen. In ihrer Bedeutung ist sie allen anderen Bildungsbereichen gleichwertig. Freude an der Musik kann sich aber nur entwickeln, wenn man etwas gelernt hat. Das impliziert lebenslanges Lernen, deshalb ist Musikvermittlung in allen Lebensphasen des Menschen von entscheidender Bedeutung (Kinder, Heranwachsende, Erwachsene, Senioren).

Aus diesen Überlegungen heraus war Lehr bestrebt, sein Credo von der eminenten Bedeutung der  Musikerziehung ab 1989 auch durch Mitarbeit im Bay-erischen Musikrat umzusetzen. Mittlerweile ist er das dienstälteste Präsidiumsmitglied des BMR. 2008 wurde Lehr Vizepräsident des BMR und ist damit ein kompetenter Ratgeber und unentbehrlicher Helfer für den BMR-Präsidenten Dr. Thomas Goppel. Zudem ist Wilhelm Lehr für den Musikrat auch noch in verschiedenen Gremien, Kuratorien und Beiräten tätig. Besonders hervorzuheben ist sein Engagement als Medienrat der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien (BLM), wo er derzeit als Vorsitzender des Ausschusses „Medienkompetenz und Jugendschutz“ amtiert.

Offene Fragen – Zukunftsprojekte

Im Berufsleben hat Wilhelm Lehr wohl alles erreicht, was er erreichen konnte oder wollte. Doch gibt es nicht auch etwas, das unerfüllt geblieben ist? Wo  sieht er Defizite, die noch beseitigt werden müssten? Da ist wohl die erfolglose Bewerbung auf die Stelle des Direktors an der Akademie für Leh-rerfortbildung in Dillingen zu nennen. Nicht, weil ihm nicht bewusst gewesen wäre, dass es auch andere geeignete Kandidaten für eine derart wichtige Position gegeben hat, sondern weil Lehr gespürt zu haben glaubt, dass man diese Aufgabe einem Schulmusiker (oder ihm persönlich) nicht zugetraut hat. Und bis heute schmerzt es ihn, dass, trotz vieler Initiativen auch zu seiner Zeit als VBS-Vorsitzender, die Arbeit des Schulmusikers immer noch nicht der Arbeit der übrigen Lehrer einer Schulart gleichgestellt ist. Nach wie vor ist er der Meinung, dass es nicht gut ist, was die Wertigkeit des Faches betrifft, wenn einzelne Fächer als geeignet zum „Vorrücken“, beziehungsweise „Nicht-Vorrücken“ erklärt werden. Seine Überzeugung ist nach wie vor, dass alle Leistungen eines Schülers in die „Leistungsbilanz“ einzugehen haben.

Und wie sieht die persönliche Zukunft aus? Welche Pläne gibt es für eine so erfolgreiche Persönlichkeit denn noch in den nächsten Jahren? Hier sind die Wünsche des Jubilars recht bescheiden. Solange es die Verbände noch möchten, will er sich gerne weiterhin im Bayerischen Musikrat für die Belange der Musik engagieren. Privat ist er ohnehin voll ausgelastet und hat sich seit vielen Jahren Bereiche geschaffen, in die er sich zurückziehen konnte und die ihn vollständig erfüllen. So bewirtschaftet er mit großem Engagement einen kleinen Bauernhof, wobei ihm speziell die Waldarbeit und das von ihm überaus geliebte Traktor-Fahren einen Ausgleich zum hektischen Berufsleben verschaffen. Daneben hält er sich drei Pferde, reitet oder fährt mit den Kutschen über die Fel-der. Und nicht zu vergessen: Dem Familienmenschen Wilhelm Lehr ist es eine große Freude, die Enkelkinder heranwachsen zu sehen, mit ihnen zu spielen und zu musizieren und ihre Persönlichkeitsentwicklung mitzuerleben und mitzugestalten.

Der VBS gratuliert „seinem“ Ehrenvorsitzenden Willi Lehr ganz herzlich und bedankt sich im Namen der Mitglieder für alle Mühen, die fortdauernde Unterstützung und den Einsatz bei allen beruflichen Fragen. Wir wünschen dem Jubilar weiterhin Gesundheit und Freude an seinen vielfältigen Tätigkeiten und hoffen, dass sein immer geschätzter Rat, seine fachliche Kompetenz und seine Visionen der bay-erischen Schulmusik noch lange erhalten bleiben werden!

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