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Erlmann und Obergfell im Dialog. Foto: Hufner
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Abkühlungsversuche mit Samthandschuhen – Dialogreihe zum Thema „Immaterielle Güter: Wem gehört mein Werk?“ gestartet

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Das Vorhaben, das Holger Schulze und Eva Inés Obergfell in fünf Dialogen konzipieren, ist ehrenwert. Die Veranstaltungsreihe im Auditorium des Jacob und Wilhelm Grimm-Zentrums an der Humboldt-Universität Berlin „Immaterielle Güter: Wem gehört mein Werk? möchte die überhitzte Debatte unter betroffenen, beleidigten und aggressiven Verteidigern ihres jeweiligen Lebensstils und Geschäftsmodells abkühlen“. Der erste Dialog zwischen dem Musikwissenschaftler und –ethnologen Veit Erlmann (Austin, Texas) und der Rechtswissenschaftlerin Eva Inés Obergfell (Berlin) verlief aber geradezu unterkühlt und leer.

Im Zentrum des Dialogs stand nämlich Unverbindlichkeit. Während Erlmann versuchte, die Fragen des Urheberrechts mit einer Theorie, der Actor-Network-Theory (ANT) aufzuschließen, hat Obergfell die Partikel der Frage „Wem“ „gehört“ „mein“ „Werk“ – unterlegt mit Beispielen aus der Bildenden Kunst und der historischen Rechtssprechung – einzeln durchdekliniert. Obergfell konnte an den Beispielen durchaus sinnfällig darstellen, dass schon die Einzelbestandteile der Frage für sich (fast) unlösbare Probleme aufwerfen. Was ist ein „Werk“, wer ist „wem“, was ist „Besitz“ und was ist „mein“? Diese Fragen wurden komplett aus Sicht der Rechts- und/oder Kunstwissenschaft betrachtet. Obergfell konnte daran anknüpfend zeigen, wie sich die einzelnen Rechtsgebiete gegebenfalls durchdringen, oder, je nach Sichtweise, in die Quere kommen. Und plötzlich ist man beispielsweise im Wettbewerbsrecht. In globaler Sicht bereitet es zudem, trotz diverser internationaler Konventionen, erhebliche Probleme das zentraleuropäisch verankerte Autorenrecht mit dem angelsächsischen Verlagsrecht (Copyright) zu „harmonisieren.“ Das alles sind keine Neuigkeiten, aber durchaus Fragen, die dazu angetan sind, über Begriffe wie „geistiges Eigentum“ und „Immaterialgüterrecht“ tiefer nachzudenken.

Dem gegenüber blieben die Ideen von Erlmann ziemlich blass. Man versprach sich von ihm rechtsethnographische Hinweise. Aber die blieben eher aus. Stattdessen versuchte er das Phänomen Urheberrecht durch den Hinweis auf deren theoretisch-wissenschaftliche Methode der Actor-Network-Theory (ANT) anzugehen. Nach dieser Theorie lassen sich einzelne Akteure zu Netzwerken zusammensetzen. Wobei allen Akteuren die gleiche Bedeutung zugewiesen wird und der Begriff des Akteurs nicht an Personen, Gruppen oder Systeme gebunden ist, sondern alle Formen von Äußerungen (auch Satzung, Statuten …) umfassen könne. „Man folgt den Akteuren“ und sieht was passiert, bis sich so ein Netzwerk in der Art stabilisiert, dass man es wissenstheoretisch fassen kann. Das klingt so leer aber modern, wie es ist. Nun soll hier nicht der Ort sein, diese Theorie selbst zu analysieren und zu kritisieren, aber im Ergebnis konnte Erlmann an keinem Punkt so ein Netzwerk vorstellen – und er gab in einer launigen Nebenbemerkung zu, dass es unter Umständen auch nur für ihn sichtbar sei (dieses (welches) Netzwerk).

Was also hat man von der Geschichte, wie sie hier im Dialog geführt wurde? Und was heißt hier Dialog? Obergfell versuchte die Fäden von Erlmann immer wieder aufzunehmen und mit den Mitteln der Rechtswissenschaft in Form zu ziehen. Das geschah so sehr mit Samthandschuhen, dass man sich dann doch wieder ein bisschen die heißblütigen politischen Debatten zurückwünschte.

Und das dürfte der Hauptkritikpunkt an beiden Dialogpartnern sein: Sie sind auf der Suche nach Theorien und beweisen beide, dass sie keine haben. Der Mann von ANT, weil er es methodisch nicht kann, die Frau vom Recht, weil das Recht endlich nur eine abgeleitete Form gesellschaftlicher Politik ist, das zudem historisch gebunden ist. Es gibt ja nicht „das RECHT“. Statt sich dieser Defizite zu versichern, gräbt und schürft man im Positivismus herum.

Aber die Probleme, die das Urheberrecht mit sich bringt, insbesondere durch veränderte Reproduktionstechniken, allgemeiner der Entwicklung der Technik, könnte die Frage grundsätzlich aufwerfen, ob es überhaupt ein sinnvoller Rechtsmechanismus ist. Gesetze und Recht schafft ja nicht die Rechtswissenschaft sondern die Politik der Gesellschaft. Das mag für bestimmte Rahmenbedingungen funktionieren, dann aber obsolet werden, wie in der vorurheberrechtlichen Zeit.

Zu fragen wäre bei Fragen des Rechts, wie wird es gemacht und wer macht es. Gesetze sind Ergebnisse politischen Handelns. Wie rational oder irrational ist dieses Handeln. Wer, endlich, hat die Deutungsmacht über die Auslegung von Gesetzen und welche Interessen wirken darin ein. Diese Fragen aufzudröseln wäre komplexe Aufgabe genug. Welcher Art Werte sind Schöpfungen des Geistes oder von Maschinen? Man müsste eher einen Schritt aus der Situation heraus machen statt hinein. Mithin: Die politische (und auch ästhetische) Dimension der Urheberrechtsfragen blieben in diesem Dialog unbeantwortet, ja, wurden nicht einmal ansatzweise mitbedacht. Hier hätten auch ethnographisch, kulturell-historische Hinweise noch mehr Bedeutung für die Diskussion entfachen können.

Vielleicht sind das Dinge, die den noch folgenden „Dialogen“ angegangen werden – im ersten Dialog blieben sie einstweilen in der Verkapselung von „wertneutralen“ Theorien gefangen.

Die Veranstaltungsreihe:

Humboldt-Universität zu Berlin
Auditorium des Jacob und Wilhelm Grimm-Zentrums
Geschwister-Scholl-Straße 3
10117 Berlin

Donnerstag 9. Januar 2014, 19:30 Uhr
I. Urheberrecht und Rechtsethnographie

Eva Inés Obergfell (Humboldt-Universität zu Berlin)
Veit Erlmann (University of Texas Austin)

Donnerstag 23. Januar 2014, 19:30 Uhr
II. Pop und Musik

Peter Wicke (Humboldt-Universität zu Berlin)
Paul W. Hertin (Rechtsanwalt Berlin)

Donnerstag 22. Mai 2014, 19:30 Uhr
III. Kunsttheorie und Ökonomie

Stefan Römer (Kunstwissenschaftler Berlin)
N.N.

Donnerstag 5. Juni 2014, 19:30 Uhr
IV. Medien und Literatur

N.N.
N.N.

Donnerstag 3. Juli 2014, 19:30 Uhr
V. Tanz und Theater

N.N.
Artur-Axel Wandtke (Juristische Fakultät)

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