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Hohe Ad Hoc-Kunst: Craig Taborn  und Vijay Iyer. Foto: Ssirus W. Pakzad
Hohe Ad Hoc-Kunst: Craig Taborn und Vijay Iyer. Foto: Ssirus W. Pakzad
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Das Verwischen der Spuren: Craig Taborn und Vijay Iyer beim Pianissimo-Festival auf Schloss Elmau

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Zum Auftakt des „Pianissimo“-Festivals fanden sich zwei der aufregendsten Klavierkünstler der Gegenwart auf Schloss Elmau zu einem deutschlandweiten Exklusiv-Konzert ein. Der aus Indien stammende Amerikaner Vijay Iyer und sein New Yorker Kollege Craig Taborn sind schon lange miteinander vertraut. Beide dienten zeitgleich im Ensemble des Art Ensemble of Chicago-Saxofonisten Roscoe Mitchell.

An zwei sehr unterschiedlich klingenden und zu handhabenden Steinway-Flügeln tauschten sich die Virtuosen munter aus (und wechselten gelegentlich die Seiten). Gut eineinhalb Stunden zelebrierten die Tastenmänner hohe Ad Hoc-Kunst – ihr Programm war vollständig improvisiert. Obwohl das, was sich Iyer und Taborn einander zuspielten, jeglichem Schönklang verweigerte und das Publikum mitunter sehr spröde, sperrige, harte Kost zu hören bekam, hatte die Musik des Duos etwas Mitreißendes.

Das lag zum einen daran, dass man in fast jedem Moment die Intensität des musikalischen Dialogs spürte und zum anderen an der Tatsache, dass gekonnt Spuren gelegt und wieder verwischt wurden. Was war das nun für Musik? Jazz? Egal. Eine Andeutung von Blues, eine Walking-Bass-Linie lösen sich in gewaltigen Akkordkaskaden, in flirrenden Läufen auf, Blue Notes passieren die Grenzen zu zeitgenössischer Klassik. Neue Musik-Anspielungen werden von pastellenem Impressionismus überrumpelt.

Nichts ist wirklich berechenbar an diesem Abend. Hier sind zwei am Werk, die nicht viel auf Genrebezeichnungen geben, zwei, die wissen, dass es in der Musik mehr Verbindendes als Trennendes gibt. So erzählten sie es beim anschließenden Abendessen auch einem englischen Klassik-Kritiker, der von dem Konzert so fasziniert und begeistert wie verwirrt war. Erstaunlich auch, wie die Menschen im Auditorium, fast ausschließlich Hotelgäste des „Cultural Hideaways“, auf das furiose, sehr freie Treiben der Pianisten reagierten.

Es war sicher kein Fachpublikum, das mit solcher Art von unbequemen Klängen vertraut ist – auf Schloss Elmau gibt es schließlich höchst selten derart freie Musik zu hören, Trotzdem waren fast alle Zuhörer überwältigt von der schieren Musikalität der beiden kantigen Ausnahme-Pianisten, die derzeit Preis um Preis abräumen und der Stolz ihrer deutschen Labels sind – Iyer ist bei ACT unter Vertrag, Taborn neuer ECM-Künstler.
 

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