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Neuer Jazz Preis 2013: Max Andrzejewski’s Hütte. Foto: Manfred Rinderspacher
Neuer Jazz Preis 2013: Max Andrzejewski’s Hütte. Foto: Manfred Rinderspacher
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Der Jazz gewinnt: Der Neue Deutsche Jazzpreis 2013 geht an Max Andrzejewski und seine „Hütte“

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Zum achten Mal wurde von der IG Jazz Rhein-Neckar der Neue Deutsche Jazzpreis verliehen, dotiert mit 10.000 Euro für die Siegerband und 1.000 Euro für den siegreichen Solisten. Ausgezeichnet wurde diesmal der in Berlin lebende Schlagzeuger Max Andrzejewski – sowohl mit seiner Band „Hütte“ wie auch als Solist. Wir gratulieren!

Das Besondere am Neuen Deutschen Jazzpreis ist, dass hier das Live-Publikum den Gewinner bestimmt: Für besondere Spannung und innere Beteiligung der Zuhörer ist gesorgt. Am Wettbewerbsabend traten die drei Kandidaten-Bands zum Konzertfinale an, spielten nacheinander jeweils rund 45 Minuten lang auf der Bühne der mit über 400 Besuchern ausverkauften Alten Feuerwache in Mannheim.

Möglich wurde dieser finale Showdown dank eines längeren Auswahlprozesses, denn auch diesmal hatten sich wieder über 200 Bands beworben. Eine Jury der IG Jazz Rhein-Neckar traf eine Vorauswahl von 14 Bands, die dem diesjährigen Kurator vorgelegt wurde, dem französischen Klarinettisten und Saxophonisten Louis Sclavis, der dann über die drei Formationen entschied, die ins Live-Finale durften. Dabei schlug sich wieder einmal die persönliche Orientierung des Kurators in der Endauswahl nieder: Insgesamt fünf Holzbläser waren am Wettbewerbsabend beteiligt, sogar die selten gehörte Bassklarinette – Sclavis’ Hauptinstrument – war gleich zwei Mal vertreten, dafür kein einziger Pianist. Im Vorjahr, als der Pianist Django Bates Kurator war, gab es keinen einzigen Bläser, dafür in jeder Band ein Klavier bzw. Vibraphon.

Als Ouvertüre zum Wettbewerb präsentierten sich die IG Jazz und ihr Kurator am Vorabend in eigener Sache – natürlich musikalisch. Im „Jazzlabor Mannheim – Köln“ trafen sich drei Mannheimer Musiker mit drei Musikern der Kölner Szene im bewährten Workshop-Modell: Jeder hatte eine eigene Komposition eingebracht und mit dem Sextett dafür eine gemeinsame Basis erarbeitet. Die Zugabe zur vielfältigen Talentschau lieferte der Trompeter Frederik Köster (Preisträger 2009) mit einem zweiten eigenen Stück, dem vom Fußball inspirierten „Upsides“. Radikal innovativ ging danach der Kurator Louis Sclavis mit seinem Atlas Trio zu Werke, das eines der besten Jazzalben des Jahres 2012 vorgelegt hat. Zusammen mit Benjamin Moussay (Keyboards) und Gilles Coronado (Gitarre) erforschte Sclavis Grenzgebiete zwischen Jazz, Neuer Musik, Rock und Trance; ein Besucher sprach von „Mozart meets Led Zeppelin“. Für viele Hörer war der Auftritt eine absolute Entdeckung, kalt ließ er niemanden. Faszinierte Begeisterung bei den meisten, entrüstetete Ablehnung bei wenigen.

Am zweiten Abend dann gehörte die Bühne ganz dem Finale um den Jazzpreis, den in früheren Jahren u.a. [em], Der Rote Bereich, Klima Kalima und das Johannes Enders Quartett gewinnen konnten. Um es vorwegzunehmen: Jede der drei großartigen Finalbands von 2013 hatte den Preis verdient. Das Trio Ohne 4 Gespielt 3 (Sven Decker, Katrin Scherer, Bernd Oezsevim) führte hochvirtuos vor, was man nur mit zwei Holzbläsern und Schlagzeug alles anstellen kann: zerklüftete Themen, scharfe Brüche, raffinierte Übergänge – vielleicht fehlte ein wenig der Charme. Das Quartett Günter Adler (Rudi Mahall, Daniel Erdmann, Johannes Fink, Heinrich Köbberling) verband Ornette-Coleman-Ästhetik, satten Swing und musikantischen Spaß zu einer zeitlosen Ovation an den Geist des Jazz – möglicherweise mit etwas zu viel Schmäh drum herum.

Den Sieg trug schließlich Max Andrzejewski’s Hütte davon (Johannes Schleiermacher, Tobias Hoffmann, Andreas Lang, Max Andrzejewski), die Band mit der größten konzeptionellen Vielfalt – von Free-Jazz-Gesten bis hin zu Rock- und Punk-Elementen – und mit den meisten Berührungspunkten zur Pop-Kultur: E-Gitarre, Gesang, Eingängigkeit. Dass das Quartett am Ende über 60 Prozent der Hörerstimmen erhielt, verdankte sich wohl auch einer umfänglichen Fan-Gruppe im Publikum. Das soll den Erfolg der „Hütte“ aber nicht schmälern: In ästhetischen Fragen gibt es ohnehin keine objektiven Urteile. Dafür feiert man in Mannheim alljährlich den Jazz noch als lebendige Publikumskunst, fern aller hochkompetenten, abgehobenen, verkopften Fachjurys. Diese Botschaft ist unbezahlbar. Alle Musiker freuten sich mit der „Hütte“. Der Preis sichert die nächste Bandproduktion. Aber der eigentliche Gewinner war der Jazz.

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