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Ein potenzieller Kulturstandort im Münchner Westen: So könnte das „Philharmonische Kraftwerk Aubing“ aussehen. Foto: Peter Haimerl Architektur
Ein potenzieller Kulturstandort im Münchner Westen: So könnte das „Philharmonische Kraftwerk Aubing“ aussehen. Foto: Peter Haimerl Architektur
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Eine „Tate Modern“ der Musik: „Philharmonisches Kraftwerk Aubing“ – ein neuer Impuls in der Münchner Konzertsaaldebatte

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Viele zeitliche und räumliche Szenarien sind in der Münchner Konzertsaaldebatte ins Spiel gebracht worden, aber keines ist so konkret wie jenes, das nun bei einem Pressegespräch der Allguth GmbH vorgestellt wurde. Ein Tankstellenbetreiber als Konzerthaus-Ermöglicher?

Was unwahrscheinlich klingt, könnte schon im Herbst 2019 Realität sein. Denn die Allguth-Geschäftsführer Christian und Michael Amberger haben sich mit dem Sänger und Kulturmanager Thomas E. Bauer und dem Architekten Peter Haimerl zwei Akteure mit ins Boot geholt, die schon mit dem Konzerthaus in Blaibach bewiesen haben, was man mit einer Vision und einem ordentlichen Dickschädel zu Wege bringen kann.

Der Kontakt kam zustande, als die Gebrüder Amberger sich Gedanken über eine Nutzung des Aubinger Kraftwerks machten. Dieses und das umliegende Grundstück im Münchner Westen hatten sie ursprünglich als neuen Firmensitz auserkoren, was dann zugunsten von Gräfelfing fallen gelassen wurde. Der eigentlich für ein Kulturzentrum ausgeschriebene Architektenwettbewerb rief Haimerl und Bauer auf den Plan, die mit ihrer Idee eines „Philharmonischen Kraftwerks“ weit darüber hinaus gingen.

Architekt Peter Haimerl war von dem 1937 errichteten, von der Bahn nach dem Krieg als Heizkraftwerk genutzten Bau sofort begeistert: „Solche Industriedenkmäler gibt es in München kaum noch.“ Überdies habe es die Schuhschachtel-Proportionen, die für einen akustisch idealen Konzertsaal – ähnlich dem vielgepriesenen in Luzern – wie geschaffen seien. Für Haimerl ist das Kraftwerk aber auch eine Alternative zu Hochglanz-Häusern à la Elbphilharmonie. Er stellt sich eine Art „Tate Modern“ der Musik vor, die mit experimentellen Veranstaltungsformen auch ein neues Publikum anspricht.

„Dieses Gebäude ist eine Behauptung“, so Haimerl, „die nun mit Inhalt gefüllt werden muss“. Er sieht in dem zwar verkehrstechnisch gut angebundenen, aber auf den ersten Blick unattraktiven Standort auch eine Chance zur Stadtentwicklung, denn im Gegensatz zum dicht besiedelten Osten der Stadt habe der Westen Münchens großen Nachholbedarf. Ein Bevölkerungszuwachs von 200.000 Einwohnern bis 2030 werde prognostiziert. Haimerl verweist auf das Vorbild Paris, wo die neue Philharmonie an der Peripherie in kürzester Zeit große Anziehungskraft entwickelt habe.

Neben dem modular veränderbaren und somit für viele Musikstile und Konzertformate nutzbaren Hauptsaal im Kraftwerk (1.800 Plätze) sehen Haimerls Planungen weitere Bauten vor, die auch einen Kammermusiksaal mit 400 Plätzen, einen Gastronomiebereich und weitere Räumlichkeiten beinhalten. Orientierungsmaßstab hierfür waren die Bedürfnisse der Münchner Philharmoniker, die während der Sanierung des Gasteig ab 2020 eine Interimsspielstätte benötigen und, so Thomas Bauer, schon „hohe Sympathie“ für die Idee signalisiert hätten – inklusive eines Besuchs von Chefdirigent Valery Gergiev auf dem Gelände.

Die städtischen Philharmoniker wären zunächst die Hauptmieter und damit ein wichtiger Faktor für die Refinanzierung der Baukosten, die von den privaten Investoren auf maximal 100 Millionen geschätzt werden. Doch auch andere „heimatlose“ Klangkörper könnte das Kraftwerk beherbergen, deutet Bauer an, und verweist unter anderem auf das Münchner Kammerorchester. Käme die Zusammenarbeit mit den Philharmonikern nicht zustande, wäre das wohl das Aus für die nun vorgelegten Pläne. Christian Amberger stellte für diesen Fall aber modifizierte Konzepte in Aussicht, etwas in Form eines Musicaltheaters.

Thomas Bauer sieht im Philharmonischen Kraftwerk neben den musikalisch-künstlerischen Potenzialen weitere Chancen: In einer noch genauer zu definierenden Betreiberkonstruktion könnten die Ambergers und Bauer gemeinsam mit städtischen Akteuren, etwa der Gasteig GmbH, neue Modelle urbaner Kulturzusammenarbeit austesten. Zum anderen könne ein Stück Zeitdruck aus der aktuellen Diskussion zu einem neuen Münchner Konzertsaal genommen werden. Denn, so Bauer, das Gutachten über die fünf Standorte, das morgen im Kabinett beraten wird, bevorzuge den Standort Ostbahnhof (Pfanni-Gelände) unter anderem wohl deswegen, weil er relativ zeitnah zu realisieren wäre.

Auch wenn die Kraftwerker ihr Projekt trotz des verdächtigen Timings der Bekanntgabe ausdrücklich nicht als Teil der Standortdebatte verstehen, so könnten ihre Pläne doch einen neuen Impuls in der komplizierten Gemengelage aus Stadt, Freistaat und Bayerischem Rundfunk setzen. Unabhängig davon strotzt Thomas Bauer wieder einmal vor Zuversicht. Das Beispiel Blaibach zeige, was möglich sei – „wenn die Energie stimmt.“

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