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Zwischen Hörsaal und Konzertbühne: „filmtonart“ und „Cinema in Concert“ beim Bayerischen Rundfunk

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Nach einem erfolgreich gestarteten Versuchsballon im letzten Jahr hat der BR sein eintägiges Filmmusikmeeting (filmtonart) mit anschließendem Konzert (Cinema in Concert) als Auftakt zum Filmfest München in diesem Jahr fortgesetzt. In den Kulissen der BR-Studios in der Münchner Hopfenstraße kamen Ende Juni erneut Filmkomponisten, Regisseure, Produzenten aber auch Filmmusikstudenten zu Gesprächsrunden und Präsentationen über die Tonspur beim Film zusammen.

Die Intention der Veranstaltung ist nicht etwa, ein Präsentationsforum für Komponisten zu schaffen, vielmehr möchte der Bayerische Rundfunk eine Schnittstelle sein, an der die Diskussion über ein Thema stattfindet, das in der Vergangenheit vielfach ausgeblendet wurde, nun aber immer stärker in den Fokus sowohl künstlerischer als auch wirtschaftlicher Überlegungen rückt. Bis sich das Ganze zu einer kapitalen Begegnungsstätte zwischen Komponisten, Regisseuren und Produzenten gemausert hat, werden wohl noch einige Durchläufe benötigt, denn abgesehen von den für Panels und Keynotes engagierten Protagonisten aus nichtmusikalischen Bereichen des Filmmilieus, bildeten auch diesmal wieder die Komponisten das Gros der Teilnehmer. Das ist allerdings zunächst noch zu verschmerzen, denn der BR signalisiert deutlich, dass man filmtonart langsam entwickeln und nichts überstürzen möchte.

Bei den Themen steuert filmtonart einen großen Bogen und stößt dabei in musikalischer Hinsicht kaum in tiefere Gewässer vor, vielmehr steht die sinnliche Erfahrung von Musik im Film („Mythos Filmmusik – wo die Sprache aufhört, fängt die Musik an?“), musikrechtliche Aspekte („Musik im Film – (R)echt komplex.“) sowie aktuelle technische Herausforderungen für die Filmmusik im Zeitalter des 3-D-Kinos („3-D – auch ein Hörerlebnis!“) im Blickfeld der Gespräche. Auch die positive Entwicklung des deutschen Films mit einigen international erfolgreichen Produktionen in den letzten Jahren gab Anlass zum Austausch über mögliche Effekte auf die deutsche Filmmusik.

Enjott Schneider, Professor für Filmmusik an der Hochschule für Musik und Theater München, sorgte mit seinen Studenten für die sinnlichen Programmelemente. Er nutzte im Rahmen eines offenen Wettbewerbs die Gelegenheit, einige Arbeiten seiner Studenten vorzustellen. Die Aufgabe der Studenten und aller Interessierten war es, einen Kurzfilm von Studenten der Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg nachzuvertonen. Gezeigt werden sollte wohl vor allem die fundamental unterschiedliche Wirkung, die verschiedene Vertonungsansätze bei Filmen bewirken können. Die außer Konkurrenz gestarteten Filmmusikstudenten überzeugten erwartungsgemäß mit handwerklich anspruchsvollen Kompositionen und teils scharfem Blick für die filmische Aussage. Nachdem sie auf ein live agierendes Kammerorchester zurückgreifen konnten, wählten alle einen klassischen Vertonungsansatz mit Streichensemble und teils eingespielten Samples, während die mit heimischen Produktionsmitteln erzeugten Einsendungen mehrheitlich elektronischen Ansätzen folgten. Als Preis wurde ein Schnupper-Tag im Studio von Marcus H. Rosenmüllers Haus-Komponisten Gerd Baumann („Wer früher stirbt ist länger tot“, „Räuber Kneißl“) vergeben.

Das Panel „Filmmusik – die Klassik der Zukunft?“, moderiert von BR-Redakteur Matthias Keller, konnte letztlich die große Frage nicht beantworten. Lediglich über die zunehmende Akzeptanz des Genres im Klassikbereich, sowohl beim Publikum als auch – nach langen Grabenkämpfen – bei Musikern und Dirigenten, war man sich auf dem Podium einig. Frank Strobel und Ludwig Wicki, beide vielbeschäftigte Dirigenten im Filmmusikbereich, verteidigten denn auch vehement den Qualitätsanspruch des Genres und verwiesen sogar auf avantgardistische Anklänge in mancher Partitur. Ludwig Wicki, der mit seinem Luzerner Orchestra of the 21st Century Konzertprogramme auf wirtschaftlichen Erfolg hin trimmen muss, gab allerdings zu, dass ein Konzertprogramm mit Filmmusiken von Schnittke für ihn nicht durchführbar wäre. Was die Filmmusik im klassischen Konzertbetrieb angeht, wird die Hauptlast der Konzertprogramme in der nahen Zukunft wohl weiterhin von den schönsten Melodien ergreifender Hollywood-Romanzen und den schmetternden Hörnern der großen Blockbuster-Themen getragen.

Davon konnte man sich beim abendlichen Galakonzert im Circus Krone überzeugen. Das Programm von Cinema in Concert – exzellent moderiert von einem phantastisch aufgelegten Roger Willemsen – brachte einmal mehr große Namen wie John Williams, Ennio Morricone, Nino Rota, Vangelis, Maurice Jarre und Jerry Goldsmith auf engstem Raum, wobei das Münchner Rundfunkorchester unter Ulf Schirmer durchaus gekonnt schmetterte („Ben Hur“, Miklos Rosza) und an geeigneter Stelle auch triefte („Dr. Schiwago“, M. Jarre). Lediglich die Hörner machten gerade bei lyrischen Solostellen nicht den besten Eindruck. Highlight war der Choral aus John Williams’ Soundtrack zu „Star Wars I – Die dunkle Bedrohung“, bei dem sich der Chor des Bayerischen Rundfunks mit machtvoller Düsternis erhob.

Als Umarmung des romantischen Idioms, das die große klassische Filmmusik wohl noch eine Weile in ihrem Bann halten wird, könnte man die Vergabe des ersten BR Filmmusikpreises an Howard Shore während des Konzertes werten, denn schließlich ist dessen Oscar gekrönter Welterfolg, die Soundtracks zur Herr-der-Ringe-Trilogie, quasi der Inbegriff der wagnerschen Leitmotiv-Stilistik und eine wuchtige Reminiszenz an die Symphonische Dichtung. Der Preis, ohne Zweifel verdient, hätte natürlich auch an einen hiesigen Komponisten gehen können, zumal die restliche Veranstaltung doch eher national ausgerichtet ist und keinerlei Zug nach Hollywood vermittelt, aber ein bisschen Glanz muss eben sein, wenn die Münchner zum Gala-Konzert laden.


 

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