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Integration durch Musik - Weltgrößtes Zupfmusikfestival in Bruchsal

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Bruchsal - Salik Acar sitzt entspannt in seinem Wohnzimmer und spielt die Balama. Während der 43 Jahre alte Familienvater aus Bruchsal dem türkischen Saiteninstrument exotische Töne entlockt, scheint die Zeit stillzustehen. Der Lackierermeister, der 1980 nach Deutschland kam und seit zehn Jahren die deutsche Staatsbürgerschaft besitzt, wird auch beim «eurofestival zupfmusik 2010» in seiner Heimatstadt Bruchsal in Baden-Württemberg auftreten. «Eine große Ehre», wie er sagt. Von Donnerstag (3. Juni) bis 6. Juni werden auf den Straßen und in den Sälen der Stadt Gitarren, Mandolinen, Banjos und auch Balamas erklingen.

Nach Angaben des Bund Deutscher Zupfmusiker (BDZ) ist das Festival mit seinen etwa 1500 Musikern aus dem In- und Ausland das weltweit größte dieser Art. Solisten und Ensembles etwa aus Israel oder Australien spielen in Bruchsal gemeinsam mit den deutschen Instrumentalisten. Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) hat die Schirmherrschaft übernommen.

Auch wenn neben vielen Amateuren auch zahlreiche Profi-Musiker in der Stadt die Saiten zupfen, Salik Acar kommt eine bedeutende Rolle während des Festivals zu. Nicht nur repräsentiert er als Musiker die Stadt; auch sein Instrument, die gitarrenähnliche Balama mit ihren sieben Saiten, steht im Mittelpunkt. Zumindest beim «Gesprächskonzert», das für Samstagvormittag geplant ist. Wie die Vize-Präsidentin des BDZ, Stefanie Rauch, sagt, geht es neben der musikalischen Darbietung auch um das Thema «Integration durch Musik».

Fachleute aus mehreren Bundesländern treffen sich zu einem Gedankenaustausch, zu dem auch die Festivalbesucher eingeladen sind. Im Vordergrund steht laut Rauch etwa die Frage, wie sich die Musikvereine in Zukunft besser auf eine stetig steigende Anzahl von Mitgliedern mit Migrationshintergrund einstellen können. «Wir beobachten vor allem in den Städten einen Anstieg und es stellt sich natürlich die Frage, wie sich das gemeinsame Interesse am besten pflegen lässt», sagt die Vize-Präsidentin des BDZ.

So wolle man etwa darüber reden, wie sich die traditionellen Vereine den Einwanderern am besten öffnen können. Auch die Frage, inwieweit Musikwettbewerbe hier eine Rolle spielen könnten, wolle man besprechen, sagt Rauch. «Musik verbindet Menschen und diesen Umstand sollten wir nutzen, um Grenzen in unserer Gesellschaft zu überwinden», bringt sie die Intention des BDZ auf den Punkt.

Wie stark die verbindende Funktion der Musik ist, zeige sich auch bei der Generationen übergreifenden Resonanz auf die Festivals des BDZ, wie Rauch sagt. So kämen nicht nur unterschiedliche Kulturkreise miteinander in Berührung, auch verschiedene Generationen spielten gemeinsam ihre Instrumente. «Zupfinstrumente bieten für jedes Alter musikalischen Genuss, vom Volkslied bis hin zur Jazz-Gitarre», betont Rauch. In den Musikschulen habe die Gitarre mittlerweile das Klavier als wichtigstes Instrument abgelöst. Letztendlich gehe es bei dem
Festival, die Bandbreite der Instrumente und musikalischen Stilrichtungen zu repräsentieren. Da passe es auch gut, wenn auch über die Integration von Menschen gesprochen werde.

Auch Salik Acar glaubt, dass die Musik verbinden kann. «Ich habe es schon selbst erlebt, beispielsweise bei Konzerten auf Stadtfesten. Die Leute hören zu und viele sind neugierig auf die Musik», sagt der Mann, der ursprünglich von der türkischen Schwarzmeerküste stammt. Seit Jahren spielt er bei öffentlichen Anlässen in Bruchsal. Auch gemeinsam mit seinen zwei erwachsenen Söhnen und seiner Tochter zupft er manchmal gemeinsam die Saiten der Balama. Außerdem gibt er in der Bruchsaler Moschee Übungseinheiten für das Instrument. «Nicht oft, aber immer wieder kommen auch deutsche Musiker vorbei, die an dem Instrument interessiert sind», berichtet er.

Allerdings könne Integration nicht alleine durch kulturellen Austausch gelingen. «Es gibt immer noch viele Verständigungsprobleme», sagt der türkischstämmige Mann. Und er meint damit nicht nur sprachliche Barrieren. So fragen sich viele Türken, was denn die Deutschen eigentlich mit Integration meinten. «Da gibt es durchaus auch bei den deutschen Politikern unterschiedliche Haltungen, das macht es für die Einwanderer nicht immer einfach», sagt Acar. Viele Türken seien daher irritiert. Das sei eben auch ein Vorteil am Klang der Balama - die könne man wenigstens nicht falsch verstehen.

 

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