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Theo Geißler produziert. Foto: Hufner
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Kurz-Schluss – Wie ich einmal versuchte, dank göttlichen Fußballes die Welt zu verbessern

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Eigentlich interessiert mich jede Form von Leistungssport so intensiv wie ein Bollerwagen am Vatertag. Insofern war ich doch sehr überrascht, als meine kleine Video-Produktionsfirma namens »Prawda West« von einer Adidas-Werbeagentur um ein Exposé für einen FIFA-Werbefilm gebeten wurde: Um einen Clip wider die Manipulation von Fußballspielen im Umfeld der Weltmeisterschaft in Brasilien sollte es gehen. Versprochen wurde ein siebenstelliger Etat. [Vorabdruck aus Politik&Kultur]

Wir – nicht faul – fuhren in den nächstgelegenen Baumarkt. Dort erstanden wir ein paar Quadratmeter Kunstrasen, weiße Sprayfarbe, einen Schaumstoff-Keil, sicherheitshalber zwei Plastik-Törchen aus dem Urinal-Sortiment. (Unkundige Damen informieren sich bitte bei jedwedem Manne). Und – aus der der günstigen Fan-Artikel-Kollektion – etliche gelbe und Landes-Fähnchen plus Mini-Ball für den Schlüssel-Anhänger. Gesamtkosten 53,- Euro. Den Rest erledigten unsere Multimedia-Spezialisten samt Final-Cut in zwei Arbeitstagen am Apple. Oh Wunder – das Machwerk wurde akzeptiert.

Leider hatte ich mir – wie so oft freudentaumelig – das Kleingedruckte im zur Auszahlung nötigen Vertragsdokument nicht richtig durchgelesen. Es verpflichtete mich, »den erfahrenen Korrektor gesellschaftlicher Missverhältnisse im Dienste von Innen-, Finanzministerium und BND« zu schier Unaussprechlichem. Im Wesentlichen sollte ich unter dem Motto »Fußball-Götter« dazu beitragen, das Rasen-Kickertum in den Rang einer Weltreligion zu befördern. Durch »kommerziell-politisch-dramaturgische Eingriffe in das sportliche WM-Geschehen« – wie es zunächst unverfänglich hieß.

Na ja – ganz unmöglich schien mir dies dank etlicher günstiger Vorgaben nicht. Schließlich hatte ich die medialen Anstalten des öffentlichen Rechtes hierzulande, Printmedien und Privatsender weltweit praktisch kostenlos schon auf meiner Seite. Und auch die NSA spielte dank ihres Leitsatzes »Gegenaufklärung ist die wahre Aufklärung« in meiner Mannschaft.

Aufgrund sehr exakter Vorgaben und strafbewehrter erfolgsgebundener Etats sah ich mich bislang zu folgenden Eingriffen gezwungen: Zwölf Geisha-Behandlungen für Schiedsrichter Yuichi Nishimura kostete mich der Elfmeter (plus einiger übersehener Fouls) im Eröffnungsspiel Brasilien-Kroatien zum Erhalt der guten Stimmung beim Gastland. Zwecks Unterdrückung störender Proteste unzufriedener Bürger gegen maßlose Geldverschwendung beim Stadionbau waren außerdem tausend Heckler+Koch-MP-Sets unauffällig ins Land zu schaffen.

Die Flugreise nach Pukhet für Schiri Nicola Rizzoli, Preis für einen Spanien-Elfmeter im Treffen gegen Holland, hätte ich mir sparen können. Zur Strafe für die ungestümen Oranjes lässt FIFA-Präsident Sepp Blatter jetzt aber alle niederländischen Käse-Exporte nach Afrika, Südamerika und in die Schweiz verbieten. Genau nach Plan verlief gottseidank die Begegnung Deutschland-Portugal. Verteidiger Pedro gelobte gegen zehn Ecstasy-Pillen den dann auch erfolgten »Ausraster« – und Schiedsrichter Milorad Mazic – ein zuverlässiger Elfmeter Pfeifer – kann sich über ein Häuschen am Luganer See freuen.

Bei Redaktionsschluss dieser P&K-Ausgabe leider noch nicht zu Ende diskutiert war das Ergebnis des Spieles BRD-USA. Da wird nach meinen Informationen hinter den bleiernen Vorhängen der TTIP-Verhandlungen hart gerungen – unter engagierter Beteiligung des FIFA-Präsidenten. Weltmacht Fußball an der Seite der Weltmacht Amerika – natürlich eine Riesenchance, das grüne Feld, das runde Leder als Insignien einer dringend nötigen neuen Weltreligion – natürlich mit gewachsenen ökonomisch-ökumenischen Wurzeln – zu installieren. Angesichts des globalen Werteverfalls, angesichts unwirtschaftlicher ideologischer Kleinkriege (Irak, Syrien etc.) eine nahezu messianische Vorstellung.

Allerdings gelten die USA leider immer noch als Fußball-Entwicklungsland, bedürfen dringend gründlicher Image-Politur. Derzeit wird geprüft, ob Adidas aus Mitteln des amerikanischen Verteidigungshaushaltes jede Familie in den USA mit zwei bis drei WM-Bällen versorgen kann – anstelle aber im Sinne von Obama-Care. Nach einem gerechten Unentschieden gegen die US-Kicker droht Deutschland allerdings im Sinne der TTIP-Regularien das Verbot jeglicher Sport-Förderung mit öffentlichen Mitteln. Diese Bresche will der künftige Adidas-Aufsichtsrats-Vorsitzende Sepp Blatter dank einer groß angelegten Charity-Aktion lückenlos füllen …

Beschlossene Sache ist jedenfalls die Endspielpaarung: Brasilien gegen die USA. Im Sinne einer restlosen Entsozialisierung Südamerikas und aus höchst humanen ökonomisch-missionarischen Überlegungen gewinnt Brasilien nach Elfmeterschießen. Als Schiedsrichter fungiert Milorad Mazic. Und ich überlege bei jeder TV-Übertragung, ob ich unseren Fair-Play-FIFA-Clip nicht viel zu billig verhökert habe…

Theo Geißler ist Herausgeber von Politik & Kultur

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