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Verkettung glücklicher Umstände: der Sulzbacher Tangentenflügel. Foto: Juan Martin Koch
Verkettung glücklicher Umstände: der Sulzbacher Tangentenflügel. Foto: Juan Martin Koch
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Sensationsfund in Sulzbach-Rosenberg: mit dem original erhaltenen Tangentenflügel wird eine versunkene Klangwelt lebendig

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Einer Verkettung glücklicher Zufälle ist es zu verdanken, dass sich im Oberpfälzischen Sulzbach-Rosenberg eines der bedeutendsten Zeugnisse für die Klavierbaukunst des 18. Jahrhunderts erhalten hat und nunmehr der Öffentlichkeit präsentiert werden konnte: ein Tangentenflügel aus der Regensburger Werkstatt Späth & Schmahl, der ein versunkenes Klangideal authentischer als je zuvor wieder auferstehen lässt.

Zunächst einmal war es ein Glück, dass der Druckereibesitzer und Verleger Johann Esaias von Seidel (1758–1827) seiner Gattin ausgerechnet einen Tangentenflügel zum Hochzeitsgeschenk machte, jenes seinerzeit beliebte, dann aber bald vom Siegeszug der Hammerklaviermechanik verdrängte Tasteninstrument, bei dem ein Holzplättchen (die „Tangente“) von unten gegen die Saite geschleudert wird. Nach ihrem Tod gab es keinen Spieler für das Instrument, das somit auf dem Speicher der Druckerei in Sulzbach-Rosenberg landete – dort allerdings gut in eine Holzkiste verpackt.

Als diese vor zehn Jahren von der heutigen Eigentümerfamilie entdeckt wurde, erkannte man den Wert des Fundes nicht sofort, doch als der Instrumentenrestaurator Georg Ott den Flügel begutachtete, wurde schnell klar, dass es sich um eine veritable Sensation handelte. Denn unter den weltweit nur knapp 20 erhaltenen Tangentenflügeln ist keiner in einem solch originalen Zustand. Sie wurden entweder noch im 19. Jahrhundert durch Reparaturen oder Umarbeitungen spielbar gehalten oder im 20. Jahrhundert nicht fachgerecht restauriert. Für Georg Ott stand deshalb das Konservieren dieses Zustands im Mittelpunkt seiner Arbeit.

Wie erfolgreich ihm dies gelungen ist, davon konnte sich ein hochinteressiertes Publikum in den von der Kulturwerkstatt Sulzbach-Rosenberg für Veranstaltungen genutzten Räumlichkeiten der historischen Druckerei Seidel überzeugen. Christoph Hammer, der Gründer der Neuen Hofkapelle München, und Sylvia Ackermann vom Claviersalon Miltenberg, wo das Instrument künftig fachgerecht aufbewahrt und auch regelmäßig zu hören sein wird, präsentierten ein Programm zu zwei und vier Händen: Abstecher zu Franz Xaver Sterkel und Johann Friedrich Hugo von Dahlberg eingeschlossen, spannte es den Bogen von frühem Haydn über Carl Philipp Emanuel Bachs empfindsames Fantasieren hin zu Mozarts vierhändiger Sonate KV 381.

Dabei wurde der klangliche Reichtum des Instruments auf faszinierende Weise hörbar gemacht: Seine Tongebung kann durch getrennte Pedalaufhebung des unteren und des oberen Registers (per Kniehebel), verschiedene Dämpfungen sowie durch einen Lauten- und eine Harfenzug (auch in Kombinationen) variiert werden. Harfenähnlich klingt vor allem der natürliche Klang im Diskant, der Lautenzug erinnert an ein stark gedämpftes Hammerklavier, andere Kombinationen haben Cembalo- und Clavichordcharakter, können dabei aber bis zu einem gewissen Grad anschlagsdynamisch differenziert werden.

Mit dem Sulzbacher Tangentenflügel von 1790 – so das unmittelbar nachvollziehbare Fazit Christoph Hammers – tauchen wir also ein in eine Klangwelt, die noch keinen einzelnen Tasteninstrumententypus zum einheitlichen Ideal erhobenen hatte, sondern die Vielfalt, den Reichtum an Varianten zelebrierte.

Dass die Sulzbacher den Fund stolz als „Mozartflügel“ bezeichnen, führt zwar ein wenig in die Irre, schließlich hat Wolfgang Amadé das Instrument nicht bespielt – einen historisch belegten Hintergrund hat der Adelstitel aber: Schließlich favorisierte dieser die Klaviere aus der Regensburger Werkstatt immerhin so lange, bis er die mit besserer Dämpfung ausgestatteten Hammerflügel des Augsburgers Johann Andreas Stein kennen lernte: „Ehe ich noch vom Stein seiner Arbeit etwas gesehen habe, waren mir die spättischen Clavier die Liebsten“, schrieb er im Oktober 1777 an seinen Vater. Inwiefern dieses Lob auch die Tangentenvariante miteinschloss, lässt sich nicht ermitteln, verdient hätte sie es.

Ein ausführlicher Beitrag zur Bedeutung des Instruments wird in der November-Ausgabe der nmz zu lesen sein.
 

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