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Verschiedenheit im Einheitlichen: Mozarts letzte Symphonien mit Harnoncourt, Brüggen und Haenchen

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Mozarts drei letzte Sinfonien in vereinheitlichendem Sinn als Gruppe zu erkennen (und dementsprechend zu werten), ist als Betrachtungsaspekt nicht neu. Allein auf Grund ihrer Entstehung in der unfassbar kurzen Zeit von drei Sommermonaten 1788 erscheinen die drei Kompositionen als geschlossener Komplex, und sie sind es ebenso in struktureller Hinsicht.

Die Musikwissenschaft beglaubigt das ihrerseits durch Analyse der von Mozart benützten werkübergreifenden kompositionstechnischen Mittel. Diese setzt der ausführende Interpret wie selbstverständlich um, der Hörer hingegen vermag, was einleuchtet, sie höchstens punktuell nachzuvollziehen. Voraussetzung dafür wäre, diese Sinfonien als Zyklus oft rezipieren zu können. Öffentliche Darbietungen der Trias bilden jedoch die Ausnahme, im Gegensatz zu vielfach offerierten Tonträger-Aufnahmen. Im Einzelvortrag repräsentieren die drei Sinfonien Mozarts Beitrag zu diesem Genre permanent, bilden erwartungsgemäß drei Repertoire-Schwerpunkte.

Die drei hier anzuzeigenden Neueinspielungen der Dreiergruppe, erschienen von Mai bis August 2014, liefern der Diskussion über den Zyklusgedanken weitere Nahrung. Von den drei Dirigenten Frans Brüggen, Hartmut Haenchen und Nikolaus Harnoncourt tut dies der Letztere sowohl verbaliter als auch durch dirigentische Vorgehensweise höchst engagiert, ja radikal wie von ihm in jeder Hinsicht vertraut.

Harnoncourt definiert, ja charakterisiert die Abfolge der drei Sinfonien als logisch zwanghaftes und damit einheitliches Opus summum, das er mit dem Begriff „Instrumental-Oratorium“ (das Genre existiert nicht) belegt. Neben dem Prinzip der strukturalistischen Vereinheitlichung der drei Sinfonien miteinander – für das er Peter Gülke die Ersterkennung zuerkennt – bemüht er die schon früher herangezogenen, ebenfalls von Gülke beglaubigten Thesen, die Es-Dur-Sinfonie verfüge über eine mächtige Einleitung (Adagio zum Kopfsatz), aber über keinen schlüssigen Finalsatz (was der Schweizer Musikologe Hans Georg Nägeli schon 1826 beobachtet und moniert hatte). Den halte erst das Finale der Jupiter-Sinfonie, sozusagen als Oratoriums-Abschluss, bereit.

So erscheint der Zyklusgedanke nicht abwegig. Aus ihm zieht Harnoncourt, als einzige auf Anhieb sich mitteilende Maßnahme, die Konsequenz, an den des Final-Charakters entbehrenden Schlusssatz der Es-Dur-Sinfonie den Kopfsatz der g-Moll-Sinfonie ohne Atempause nahezu, anzuschließen. Dass, bei Weiterverfolgung der These, auf den Schlusssatz der g-Moll-Sinfonie die Jupiter-Sinfonie ebenso zügig folgen müsste, wäre folgerichtig. Aber für den praktischen Vollzug der auf dieser Argumentationsebene liegenden Maßnahme ermangelt es den technischen Möglichkeiten des Tonträgers an Fassungsvermögen – der Übergang zur zweiten CD ist unvermeidlich.

Wenn man die musikalischen und musizierten Verläufe von Mozarts drei letzten Sinfonien in den drei spezifischen Darstellungen durch Harnoncourt, Brüggen und Haenchen verfolgt und – eine jede auf individuelle Weise – dankbar genießt, wird unabweisbar deutlich, dass wissenschaftliche Theoriebildung, zum andern eine von Spekulation nicht freie Begeisterungshaltung so berechtigt wie verständlich sind. Zum emotionshaltigen Einstieg in Wahrnehmung und Erklärungsbedarf von Kunstwerken vermögen sie sich allerdings kaum als zuständig zu erweisen.

So bleiben am Ende Beurteilungen der Unterschiede in Zugriff, Figuren- und Klanggestaltung, in charakterisierender und charakteristischer Wucht der drei Wiedergaben durch ihre Dirigenten. In der Beziehung bietet sich eine Fülle von Betrachtungsaspekten, die zu unterschiedlichen, dabei nie enttäuschenden Ergebnissen führen. Harnoncourt erzielt die härteste, unnachgiebige Widerborstigkeit einkalkulierende Darstellung, Haenchen die geschmeidigste (der ein Live-Mitschnitt mit unterschiedlichen Wiederholungsmodifikationen bei öffentlichen Darstellungen zugrunde liegt).

Brüggens bereits von 2010 datierende, klanglich manchmal ins Pauschale abrutschende geht in Richtung des klassischen Großkonzertant-Repräsentativen. Diese Bewertungs-Eckdaten stellen sich spontan ein. Bei weiterem Hören können sie sich relativieren und für neue Meinungsbildungen den Platz freimachen. Ein Fest mit Mozart, ganz wörtlich verstanden, bedeuten alle drei Editionen.

Wolfgang Amadeus Mozart: Sinfonien KV 543, 550, 551

· Concentus Musicus Wien, Nikolaus Harnoncourt. Sony Classical 888430263529
· Orchestra of the Eighteenth Century, Frans Brüggen. Glossa/Note 1 8424561211193
· Kammerorchester Carl Philipp Emanuel Bach, Hartmut Haenchen. Berlin Classics/Edel Musik 885470005874

 

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