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Thomas Goppel weiß wie Radio klingen muss. Foto: Martin Hufner
Thomas Goppel weiß wie Radio klingen muss. Foto: Martin Hufner
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Wenn dem Musikrat nicht mehr zu helfen ist, hilft er auch keinem mehr - Es goppelt mal wieder

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Es ist ja keine Neuigkeit mehr, aber BR-Klassik muss 2018 die UKW-Frequenz räumen. Der Widerstand gegen diese Entsorgung war nicht gering. Petitionen sammelten fleißig Unterschriften gegen diese schlechte Idee, der Deutsche Tonkünstlerverband, der Deutsche Komponistenverband, zahlreiche Musiker, Tondichter und Hörer setzten sich inhaltlich und technisch mit dem Thema auseinander. Am Ende hat der Rundfunkrat dem Wollen des Intendanten mit deutlicher Mehrheit zugestimmt. Was nun passiert, ist aber mindestens genauso unfassbar. Der Präsident des Bayerischen Musikrats und jetzt auch der Präsident des Deutschen Musikrates machen den willfährigen Kniefall und verabschieden sich von UKW.

So nimmt der Deutsche Musikrat in seiner aktuellen Meldung die Entscheidung mit Krokodilstränen auf. Martin Maria Krüger schreibt da: „Der Bayerische Rundfunk ist in die Offensive gegangen, um jüngere Hörerschichten zu gewinnen und den in seinem Sendebereich besonders ausgeprägten Generationenabriss zu verhindern. Der Deutsche Musikrat bedauert, dass dies mit der absehbaren, frühestens 2018 vorgesehenen Abschaltung der UKW-Ausstrahlung der deutschlandweit vorbildlichen Welle BR-Klassik verbunden sein soll. Er begrüßt jedoch ausdrücklich, dass letztlich BR-Intendant Ulrich Wilhelm und der Bayerische Rundfunkrat auf die nachhaltigen Proteste der Kultur- und Musikverbände, insbesondere des Bayerischen Musikrates unter seinem Präsidenten Dr. Thomas Goppel, reagiert und einen gemeinsam getragenen Konsens gefunden haben.“ Oja, der Dank gilt nur einem, dem Mann der Stunde, dem genialen Taktiker Thomas Goppel. Er hat seine Nase tief genug in die Meinung der Öffentlichkeit versenkt und weiß wie es gehen muss.

Vor zwei Monaten klang es aus Krügers Kehle übrigens noch so:

„BR-Intendant Ulrich Wilhelm hat mehrfach deutlich gemacht und belegt, dass der Klassik-Bereich innerhalb des BR weiter gestärkt werden soll. Wenn dies seine feste Absicht ist, kann auf den analogen Empfang nicht verzichtet werden.“ Ach was, es geht, weil es gehen muss.

Die Tatsache, dass man den Begriff des drohenden „Generationenabrisses“ wieder verwendet und damit die Argumentation des Intendanten veredelt, ist nicht anders zu werten als ein Kniefall vor der Institution, der dies zudem noch als Offensive verkaufen kann.

Gut, dass Goppel Krüger zu belehren wusste. Mehr als er muss man nicht wissen und schon gar nicht aus den Mündern des Deutschen Tonkünstlerverbandes, des Deutschen Komponistenverbandes oder anderen niederen Institutionen, geschweige Hörern vor Ort.

Yes, he can

Noch schlimmeres redet aber der Präsident des Bayerischen Musikrates und damit Wortgeber des Deutschen Musikrates, Thomas Goppel, daher und es macht deutlich, dass offenbar ein tiefer Riss durch den Bayerischen Musikrat geht:

„Die ursprünglichen Umstellungspläne des Intendanten hatten den Bayerischen Musikrat auf den Plan gerufen. BMR-Präsident Dr. Thomas Goppel sitzt mit Robert Helmschrott im Rundfunkrat, letzterer für die Komponisten. Während Helmschrott die UKW-Position für BR Klassik ohne `Wenn und Aber` bis zuletzt verteidigt wissen wollte, bemühte sich Goppel mit den Hörfunkgewaltigen um ein Zielkonzept, das die unterschiedlichen Interessen aller unter einem Dach zusammenfasst. „Nach vielen Gesprächen und kontroversen Diskussionen ergibt sich echter Zugewinn für die beteiligten Hörerschaften – kein fauler Kompromiss“, kommentiert Goppel.“

Die Sprache verrät, von welcher Seite man sich nähert: Dort die Hörfunkgewaltigen, da unten die freundlichen Abnicker, die ihre Tätigkeit als wahrscheinlich diplomatisch empfinden und mit ein paar Forderungen verbinden, die, wenn sie nicht wirklich so hundertprozentig umgesetzt werden, auch die Entsorgung von BR-Klassik verhindern werden (das war jetzt ironisch gemeint!). Es ist in Wirklichkeit bloß eine Kriecherei. Einen weiteren Tiefpunkt erreicht Goppel, wenn er mit der Macht der Fakten der Zukunft in die Technik entgleist:

„Jetzt haben die Klassikhörer bis 2018 Zeit, sich mit richtigem alternativen Gerät auszustatten. Auch die Umpolung der bestehenden Gerätschaften wird fast immer möglich und dabei wohl auch finanziell erschwinglich sein.“

Gemeint ist aber, sie haben jetzt endlich Zeit, sich an die schlechte Tonqualität der neuen Geräte zu gewöhnen und wieder einer neuen Technologie nachzuhopsen, die in den letzten 20 Jahren schon mehrfach mal auf- und abgebaut worden ist. Der Autor dieser Zeilen konnte sich davon übrigens selbst davon überzeugen. Bei DAB+ ist das Rauschen zwar weg, aber auch alle klangliche Brillanz, alle Subtilität der Tonformung. Seinen guten alten DSR-Tuner durfte er bereits 1999 entsorgen, nach Abschaltung des Digitalen Satelliten-Rundfunks.

Am Ende sieht sich Goppel schließlich in der Macherrolle: „Wir im Rundfunkrat sorgen dafür, dass das Ziel das Erledigungstempo bestimmt und nicht eine nach 2006 eingetretene Bequemlichkeit und Nachlässigkeit.“ Das sind Fußtritte in alle Richtungen. Allein der Rundfunkrat darf als Insel der Seligmachenden fortan gelten. Und den Helmschrott kriegen sie da bestimmt auch noch raus.

Es bleibt dabei. Die UKW-Abschaltung von BR-Klassik ist ein völlig unnötiger Vorgang, der auch keiner Beschleunigung bedarf. Wenn es dem BR wirklich um die Vermeidung eines Generationenabrisses (was immer das sein mag) ginge, wäre genug Platz im Angebot des BR, um dies zu ändern. Wenn man sich aber die BR-Klassikhörer wählt, so hat man die vermeintlich nachgiebigste, weil sterbende Gruppe gewählt. Mit den nachwachsenden Hörern aber hat man nicht gerechnet, auch hat man deren Intelligenz unterschätzt. Der erhoffte Generationenabriss trifft nämlich eine Gruppe nicht: Die der Klassikhörer.

Nicht getäuscht hat sich der BR allerdings in den Führungsgefolgshelfern von Deutschem Musikrat und Bayerischem Musikrat. Man wird ihnen wohl einmal ein Ehrenmal im digitalen Nirwana setzen – wo es dann keiner mitbekommt.

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