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Das neue Biennale-Doppel: Daniel Ott (li.) und Manos Tsangaris. Foto: Juan Martin Koch
Das neue Biennale-Doppel: Daniel Ott (li.) und Manos Tsangaris. Foto: Juan Martin Koch
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Werkstatt und Labor: Unter Daniel Ott und Manos Tsangaris soll sich die Münchener Musiktheater-Biennale für alternative Formate öffnen

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Der Überraschungseffekt war schon verpufft, als sich ein Grüppchen Journalisten zum Pressegespräch im Münchener Kulturreferat einfand. Offenbar via Stadtrat war die Personalie vorab durchgesickert: Daniel Ott und Manos Tsangaris werden die Leitung der Musiktheater-Biennale übernehmen. Der Kulturausschuss hatte den Vorschlag von Kulturreferent Hans-Georg Küppers am Vormittag einstimmig verabschiedet.

Ein konzeptionelles Feuerwerk war es nicht, was Küppers und die künftige Doppelspitze anschließend abbrannten, doch wurde deutlich, dass nicht die Suche nach einem (stadt-)bekannten „großen“ Namen zu dieser Personalentscheidung geführt hatte, sondern dass diese Entscheidung das Ergebnis der Überlegungen darstellt, die man sich für die Zukunft des Festivals gemacht hat.

Hans-Georg Küppers betonte die internationale Bedeutung der Biennale, an der man sich weiterhin zu messen habe. Bewährte Formate, gemeint sind Kompositionsaufträge und Kooperationen mit Theatern in anderen Städten, würden (als „Standbein“) beibehalten, gleichzeitig wolle man das Festival aber (im Sinne eines „Spielbeins“) weiterentwickeln. Damit reagiere man auf die zunehmende Durchdringung künstlerischer Ausdrucksformen, auf das Ineinanderfließen von Elementen wie Installation, Environment, Performance, Tanz oder Videokunst und auf den spartenübergreifende Charakter, den heutige Musiktheaterproduktionen oft aufwiesen.

Mit Tsangaris und Ott seien, so Küppers weiter, zwei Persönlichkeiten berufen worden, die gerade auf diesem Feld eine langjährige Erfahrung auch bei gemeinsamen Projekten gesammelt hätten. Er halte die beiden Komponisten deshalb für bestens geeignet, den „Labor- und Werkstattcharakter“, den die Biennale stärker als bisher einnehmen solle, zu entwickeln.

Peter Ruzicka, der noch bis 2014 in Amt und Würden ist, bescheinigte Küppers, er habe das Festival „seit vielen, vielen Jahren sehr erfolgreich“ geleitet. Die anschließende Formulierung war dann freilich – möglicherweise unabsichtlich – weniger euphorisch: Ruzicka habe, „immerhin dafür gesorgt, dass die Komponistinnen und Komponisten, die aufgetreten sind (…), dass die Arbeiten an anderen Theatern fortgeführt worden sind.“ Neben dem Werkstattcharakter, bei dem beispielsweise Libretto, Musik und Regie weniger nebeneinanderher als vielmehr in einem gemeinsamen, auch nach außen sichtbaren Prozess entstehen könnten, äußerte Küppers den Wunsch, das Festival stärker an die Stadt anzubinden. Dabei seien einerseits engere Kooperationen mit Ensembles und Künstlern vor Ort denkbar, als Beispiel nannte er das Münchener Kammerorchester, andererseits verstärkte Anstrengungen auf dem Gebiet der Vermittlung.

Den von Tsangaris seit einiger Zeit in die Diskussion gebrachten Begriff der Kunst-„Ermittlung“, auf den Küppers in diesem Zusammenhang anspielte, griff der Komponist, der an der Dresdner Musikhochschule als Professor lehrt, im weiteren Verlauf auf, relativierte aber gleichzeitig. Natürlich gehe es um Vermittlung, so Tsangaris: „Es geht darum, dass man bestimmte Inhalte, die durchaus nicht immer ganz leicht sind, öffnet und für Menschen die Möglichkeit schafft, sich zu beteiligen. Das heißt aber nicht, dass alles von vornherein vermittelbar sein muss.“ In Bezug auf die Öffnung für neue Formate betonte Tsangaris, niemand müsse befürchten, dass nun „sämtliche Kinder mit sämtlichen Bädern“ ausgeschüttet würden.

Tsangaris, zunächst sichtlich angespannt, bekundete, Ott und er fühlten sich sehr geehrt. „Das ist nicht nur ein Spruch“, so Tsangaris, „es ist schließlich ein Zeichen, wenn Leute wie wir gefragt sind“. Die Doppelspitze signalisiere Vernetzung, im Team mit Ott sehe er ein Überwiegen des „Beschleunigungsmoments“ gegenüber dem „Trägheitsmoment“. Mit Blick auf München als Neue-Musik-Standort bekannte sich der Kagel-Schüler zum langjährigen Leiter der „Klang-Aktionen“: „Wir sind Kinder von Josef Anton Riedl.“

Daniel Ott, Professor an der Berliner Universität der Künste (sie war Kooperationspartner bei der Biennale-Produktion „A Game of Fives“), führte den Werkstattgedanken weiter aus. Hier könnten die Zeiten zwischen den im Zwei-Jahres-Rhythmus stattfindenden eigentlichen Festivals überbrückt und weitere Anknüpfungspunkte in der Stadt gefunden werden. Die kritische Frage nach dem Event-Charakter von möglichen Veranstaltungen in neuen, auch öffentlichen Räumen, versuchte Ott mit Verweis auf eigene Arbeiten, etwa im Rahmen des Festivals Rümlingen, zu entkräften. Am Beginn stehe ein Thema, Aufführungsort und -charakter ergäben sich daraus. Es gehe darum, so ergänzte Tsangaris, solche Projekte „von innen nach außen“ anzugehen.

Überhaupt deuteten die Fragen der Münchner Journalisten auf eine gewisse Skepsis hin. Offenbar schien man einen prominenten Namen erwartet zu haben, im Münchner Merkur war in der Vorab-Meldung gar von einer „Doppelspitze mit zwei Unbekannten“ die Rede gewesen. Auf genau diesen „Von-Außen“-Effekt dürfte aber die Münchner Personalentscheidung zielen, schließlich soll die neue Leitung unvoreingenommen auf verschiedene Kulturakteure der Stadt zugehen können, um neue Partnerschaften zu schließen. Manos Tsangaris dazu: „Wir haben eine gut vorbereitete Liste von Antrittsbesuchen.“ Der Blick geht aber gleichzeitig auch über die Stadtgrenzen hinaus: Das Biennale-Netzwerk soll künftig, so wurde angedeutet, auch die großen nationalen und internationalen Festivals einbeziehen.

Peter Ruzicka, der nicht am Pressegespräch teilnahm, kommentierte in der vom Kulturreferat versandten Pressemitteilung die Entscheidung wie folgt: „Ich sehe in der Berufung des neuen künstlerischen Leitungsteams Daniel Ott / Manos Tsangaris für die Münchener Biennale ab 2016 eine gute Richtungsentscheidung. Denn beide Leiter stehen ein für einen fortschrittlichen Musiktheaterbegriff, der sich gegen aufkommende Tendenzen der Restauration zu behaupten weiß. Die Münchener Biennale soll auch künftig Auftragswerke vergeben, die den Stand der aktuellen Produktion spiegeln und auch dem künstlerischen Experiment der jungen Komponistengeneration ausreichenden Raum geben. Denn gerade in Grenzüberschreitungen hat das Musiktheater immer wieder seine besondere Stellung unter den darstellenden Künsten zu markieren gewusst. Ich bin sicher, dass die 'Doppelspitze' Ott / Tsangaris ab 2016 einen in dieser Sicht erfolgreichen Weg beschreiten wird“.

Bliebe nachzutragen, dass sich am Etat des Festivals von 2,65 Millionen Euro für 2016 gegenüber 2014 nichts ändern wird und dass der Vertrag für das neue Leitungsteam – wie in der Vergangenheit auch – zunächst für einen Festivaljahrgang gilt, mit der Option auf Verlängerung.

Verwiesen sei im übrigen auf Alexander Strauchs kenntnisreichen Kommentar im Bad Blog of Musick.
 

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