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Peter N. Gruber. Foto: Gramola
Peter N. Gruber. Foto: Gramola
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Wild groovende, nah-ferne Gartenblicke mit Showdown: Peter N. Gruber goes String Quartet

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Peter N. Gruber, Steirer Kontrabasslegende Jahrgang 1956, legt eine Gemeinschaftsproduktion seines Label Doublebass Records mit der hierzulande über Codaex vertriebenen Gramola Vienna vor, die es in sich hat, der vorausweisenden Zusammenfassung eines Künstlerlebens gleich.

Zwei Streichquartette soll Gruber bei seiner Arbeit verschlissen haben, so die ‚urban legend’, die in Österreich kursiert, bis er mit Frozen Fritz4 die Musiker fand, die seinen an allen Konventionen vorbeischrammenden Intentionen gerecht wurden: die Geiger Igmar Jenner und Andreas Semlitsch, den Bratschisten Simon Schellnegger und die Cellistin Sophie Abraham – und die haben sich in den Dienst einer Sache gestellt, die das weite Ausdrucksspektrum zwischen diversen folkloristischen Strömungen, Pop, Rock und Jazz, Klassik, avantgardistischen Effekten und Kabarett verlangt. Herausgekommen ist ein Album mit 18 unterschiedlichst ambitionierten, überwiegend miniaturistischen Stücken, die von über sieben Minuten (In a Filthy Attic) bis zu unter zwei Minuten (Vienna Spring) reichen.

Was am meisten begeistert, abgesehen von der so abwechslungsreichen und vom luziden bis zum deftigen reichenden kompositorischen Palette, ist das durchgehend groovende Spiel der vier Protagonisten, die es wahrhaft verstehen, zugleich maximal geerdet und ekstatisch hochfliegend mitzureißen. Humor – teils beißender, teils greller, teils versteckter, teils brillant exaltierter, und stets so eigensinniger wie unmittelbar kommunizierender – ist gewiss eine der Hauptstärken von Gruber, und zugleich liebt er das Morbide, doch das hinreißend Schöne dabei ist, dass seine Morbidität immer auch von Vitalität strotzt. Für selbstmitleidige Sentimentalität und sich selbst wichtig nehmende Weltverbesserei ist da überhaupt kein Platz. Das Leben ist eine Katastrophe, und im selben Moment ist alles (wie schon bei Shabistari und Shakespeare) nichts als Theater und Schein – und darüber muss ein kreativer und einigermaßen mündiger Mensch weder zum Prediger noch zum Zyniker werden, und alles Ernsthafte, existenziell Bedeutsame kann gesagt, gesungen, getanzt, gemalt, gespielt werden, ohne dass unser Geist im Nebel des Bedeutungsschwangeren erstickt zu werden braucht.

Die Sehnsucht schweift in die Ferne, die Perspektive ist weit, das Leben pulsiert unablässig, das Erklingende ist zum Greifen nah, und so spricht durch diese Miniaturen in ihrer Vielschichtigkeit und Direttissima-Hintersinnigkeit immer ein Gleichklang von Nähe und Ferne, der uns das so greifbar Scheinende doch nie ganz greifen lässt. Ein reicher Garten, vielleicht einem japanischen Zen-Garten gleich, indem er mit jedem Stück andere Blicke freigibt, uns stets aufs Neue überrascht. Nehmen wir ein etwas längeres Szenarium, ‚Ein grausames Spiel’, wo die melancholisch-statuarisch schreitenden Klangfolgen alter Musik allmählich von bösen Klamauk-Überstreichungen aus der Hexenküche der Atonalität sabotiert werden. Nehmen wir nur zum Beispiel die rituell beklemmende Atmosphäre von ‚Kreis der Gefangenen’, die verballhornte Harmlosigkeit in ‚Schäfchen zählen’, das quere Spiel der ‚Galgenhumoreske’, den salzig pittoresken Naturlaut-Impressionismus des ‚Mövenpicknick’ – die Palette Grubers ist von bestechendem Reiz.

Und am Schluss gibt’s einen österreichischen Kabarett-Showdown vom Gröbsten, der ‚Dilettant’ tobt sich aus und sein Ende wird mit militant spießiger Empörung herbeigeschrien. Auf dem Wege dahin so viel Tangorhythmus, klassisch-akademische Fakturen, sogar ein Weihnachtslied, auch ferne Nachklänge von Grubers mondäner Zeit mit ‚Opus’, jener Rockgruppe, mit der er einst Welterfolge feiern konnte, und unzählig vieles mehr. Ein wild durch die Genres streunender Mordsspaß für Freunde von Überraschendem im Fremden und Bekannten, von verwinkelten Bezügen und drastischen Entdeckungen.

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