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Aida in Bonn. Foto: Thilo Beu
Aida in Bonn. Foto: Thilo Beu (*)
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Zuschauer einer zynischen Feier – Premiere von Verdis Aida an der Oper Bonn

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Dietrich Hilsdorf und Will Humburg, der Regisseur und der Dirigent – wenn diese beiden Vollblut-Theatermacher aufeinandertreffen, ist großes, kraftvolles Spektakel mit entschiedener politischer Aussage zu erwarten. Das haben die beiden oft genug in den zurückliegenden Jahren bewiesen. Nun bestätigt Verdis „Aida“, deren Premiere an der Oper Bonn orkanartig umjubelt wurde, einmal mehr, dass Hilsdorf noch lange kein zahnlos gewordener Tiger ist und Verdi-Spezialist Humburg nach wie vor als gewaltiger und impulsiver Klangmagier agiert.

Intelligente Rezeption und der Wille zur Auseinandersetzung mit seiner Deutung des Stoffes verlangt Hilsdorf in all seinen Regiearbeiten, nun auch wieder mit der „Aida“, die nicht am Nil sondern am Rhein spielt, irgendwann in Zeiten der Bonner Republik, als das Opernhaus der Bundeshauptstadt gebaut wurde – aber nicht Eins zu Eins. Hilsdorfs Ansatz ist „globaler“, denn der Satz der siegreichen Ägypter „Mit Gottes Hilfe haben wir gesiegt“ könnte so ähnlich auch von einem George W. Bush, Baschar al-Assad oder irgendeinem europäischen Staatschef stammen. Wenn Verdis Radamès zum Heerführer erkoren wird, spielt sich das unter den Augen des Publikums ab. Denn Dieter Richters Bühne ist nichts anderes als die Erweiterung des realen Theatersaals, quasi dessen Spiegelung. Noch weitaus deutlicher – und spektakulärer – nimmt Hilsdorf das Publikum mit ins Geschehen anlässlich der Triumphszene, hier das Zentrum des Geschehens, das isoliert für sich als feierlicher Festakt zur Begrüßung des siegreichen (ägyptischen) Heeres ausgestaltet wird. Und da ziehen Humburg und Hilsdorf nun wirklich alle Register dessen, was das Musiktheater zu bieten hat. Das Beethoven-Orchester Bonn spielt auf der Bühne, Kriegsveteranen sind die ersten in der langen Parade, die dem König huldigen, Vertreter der Rüstungsindustrie defilieren in Elefantenköpfen vorbei, Töchter und Söhne Gefallener führen ein Tänzchen auf, Jungfrauen präsentieren körbeweise abgeschnittene Arme, zwischendurch bereichern die „Memfis Twins“, die am Rhein wohl glatt als Funkenmariechen durchgehen würden, die Festivität bis zum großen Finale dieser Kriegsfier-Show. Da ist keinerlei Distanz mehr möglich – wir, die Zuschauer, werden ganz unmittelbar Teil der zynisch feiernden Ägypter.

Dies alles aber wirkt nie platt oder dekorativ, ganz im Gegenteil: Hilsdorf diffamiert diese Logik des Siegens auf Kosten des Lebens anderer. Da ist es nur folgerichtig, dass der ägyptische König, der den Kriegsgefangenen Gnade verspricht, in seiner Loge kurzerhand von den politisch einflussreichen Priestern umgebracht wird. Gnade ist in dieser Gesellschaft nicht vorgesehen.

Der Schlussteil der „Aida“ dann als intimes Kammerspiel zwischen Königstochter Amneris, dem von ihr geliebten Radamès und Aida, die diesen ebenso leidenschaftlich begehrt und ihm ins Verließ als lebendig Begrabene folgt. Das ist anrührend, das ist nicht minder großes Theater wie zuvor die Massen-Szenen.

Aus Verdis so vielschichtiger Musik macht Will Humburg ein Ereignis voller Sogkraft, die schlichtweg überwältigt. Vor allem bietet diese Inszenierung durch und durch große und großartige Stimmen, die Hilsdorfs Konzept perfekt umsetzen. Da ist die fabelhafte Yannick-Muriel Noah in der Titelpartie, die gleichermaßen dramatische wie zarte und introvertierte Gefühle vermittelt, Tuija Knihtilä als ihre Gegenspielerin und Königstochter Amneris mit vollem, klangschönem Mezzo, George Oniani als Radamès, der seinen glanzvollen Tenor gut in Szene setzt, Rolf Broman in der Rolle des Hohenpriesters Ramfis, Priit Volmer als König und Mark Morouse als Aidas gefangen genommener Vater Amonasro – und nicht zuletzt der von Volkmar Olbrich prächtig einstudierte Chor nebst Extrachor der Oper Bonn. Ein Fest für Augen und Ohren, von Anfang bis Ende!

Weitere Vorstellungen: 16. 2.; 22. 2.; 9. 3.; 15. 3.;23. 3.; 4. 4.; 20. 4.; 30. 4. 2014

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