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Das neu gewählte JMD-Präsidium (von links nach rechts): Sönke Lentz, Tobias Schröter, Barbara Haack, Andreas Schultze-Florey, Claudia Klemkow-Lubda, Stefan Piendl, Hans-Herwig Geyer, Konstanze Sander. Foto: JMD
Das neu gewählte JMD-Präsidium (von links nach rechts): Sönke Lentz, Tobias Schröter, Barbara Haack, Andreas Schultze-Florey, Claudia Klemkow-Lubda, Stefan Piendl, Hans-Herwig Geyer, Konstanze Sander. Foto: JMD
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Selbstverantwortung junger Musiker fördern

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Hans-Herwig Geyer, Präsident der Jeunesses Musicales, im Gespräch mit der neuen musikzeitung
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Mit einer Satzungsänderung, die für eine breitere demokratische Basisarbeit im Verband und für eine intensive Beteiligung insbesondere junger Verbandsmitglieder sorgen soll, geht das soeben neu gewählte Präsidium der Jeunesses Musicales Deutschland (JMD) in eine neue „Legislaturperiode“. Hans-Herwig Geyer wurde von den Delegierten als Präsident bestätigt. Andreas Kolb sprach mit ihm über die strategische Weichenstellung der JMD in den nächsten drei Jahren.

neue musikzeitung: Bevor wir über die Zukunft des Verbandes reden: Sie sind seit drei Jahren Vorsitzender der JMD und haben seinerzeit eine Umstrukturierung der Vorstandsarbeit mit verantwortet. Wie hat sich diese Arbeitsform bewährt – und welches waren die Schwerpunkte in Ihrer ersten Amtszeit?
Hans-Herwig Geyer: Wir haben im Jahr 2004 einen Geschäftsführenden Vorstand etabliert, der in enger Abstimmung mit dem Generalsekretär das Tagesgeschäft der JMD durchführt und Entscheidungen für den Gesamtvorstand vorbereitet und vorantreibt. Dessen Sitzungen können dadurch ausschließlich für strategische Diskussionen, inhaltliche Weichenstellungen und wichtige Entscheidungen genutzt werden. Dieses Zusammenspiel von effizientem Management und Strategiekompetenz hat sich für unsere Zukunftsausrichtung als sehr erfolgreich erwiesen.
So haben wir inzwischen eine Reihe von attraktiven Projekten für unsere Mitgliedsorchester entwickelt. Diese sind exemplarisch sichtbar an der Initiative „tutti pro“, die zahlreichen Patenschaften unserer Mitgliedsorchester mit Berufsorchestern den Weg geebnet hat. Wir haben der Musikalischen Bildungsstätte in Weikersheim als Musikakademie mit einem kompetenten Fachleiter eine dynamische Zukunftsperspektive gegeben und als „World Meeting Center“ international neu positioniert. Wir haben das dringend notwendige Fundraising verbessert und eine eigene Stiftung gegründet, die bereits erste Früchte trägt. Neben diesen Fortschritten ging und geht es aber auch stets um die zukunftsorientierte Stärkung von Strukturen und Arbeitsweisen unseres Verbandes.

: Die neue Satzung sieht eine größere Beteiligung der persönlichen und korporativen Mitglieder an der Verbandsarbeit vor. Wie sieht das konkret aus und was versprechen Sie sich davon?
: Die Mitglieder der JMD sind Jugendorchester und junge Musiker beziehungsweise engagierte Fördermitglieder. Sie alle sind direkt im Bundesverband Mitglied. Mit der Abkehr vom bisher geübten Delegiertenprinzip brauchen sie nicht mehr die Hürde einer Landesversammlung und einer Wahl zum Delegierten zu nehmen, sondern können direkt zu Mitgliederversammlungen kommen. Wir hoffen damit, dass ehrenamtliches Engagement durch eine größere Unmittelbarkeit besser zu mobilisieren und zu motivieren ist.

: „Jugend in die Verantwortung“ haben Sie im Rahmen der Bundesdelegiertenversammlung der JMD gefordert. Welche Erfahrungen haben Sie mit der Einbindung junger Menschen bisher gemacht? Gibt es Nachwuchsprobleme? Und was bedeutet Ihre Forderung für die zukünftige Arbeit des Verbandes?
: Einer der zentralen Werte der JMD ist es, junge Musikerinnen und Musiker in ihrer Selbstverantwortung zu fördern, das heißt sich selbst stark zu machen für die Ausbildung, für eigene Aktivitäten und Projekte in der Jugendorchesterarbeit. Wir haben ein spezielles Seminar entwickelt, „Mitverantwortung im Jugendorchester“, das sehr gut angenommen wird und junge Menschen für Führungsaufgaben im Orchester fit macht. Wir finden hierbei, aber auch in Projekten wie in unserem Deutschen Jugendorchesterpreis, engagierte Musiker, die wir für die Mitarbeit im Verband gewinnen können – sei es nun in Arbeitsgemeinschaften oder in Gremien. Auch unsere Vorstandsentwicklung ist für diese Zielrichtung ein Beispiel. Die JMD soll sich mehr und mehr von einem Verband für junge Musiker zu einem Verband von jungen Musikern entwickeln.

: In Zeiten der Globalisierung muss es einem internationalen Musikverband auf der einen Seite darum gehen, die Völkerverständigung und Begegnung zu befördern, auf der anderen Seite auch die kulturelle Vielfalt in der Welt zu bewahren. In welchem Spannungs- und Aufgabenfeld sieht sich hier die JMD?
: Ich sehe hier überhaupt kein Spannungsfeld. Das inzwischen durch die JMD auch in Deutschland weithin bekannt gewordene Beispiel Venezuela – ein Land, in dem man mit Musikausbildung ganz anders umgeht als bei uns – zeigt sehr gut, dass kulturelle Identität nur in einer völkerverständigenden Begegnung wirksam wird. Als „World Meeting Center“ unseres Weltverbandes werden wir an diesem Ziel weiterarbeiten, so etwa schon im nächsten Jahr mit der Einladung des arabisch-jüdischen Jugendorchesters der JM Israel oder der geplanten Unterstützung eines Musikbildungsprojekts in Kenia. Seit neuestem arbeiten wir auch eng mit dem Zentrum für Weltmusik der Universität Hildesheim zusammen. Musik als Mittel der Völkerverständigung ist nicht allein wichtig im internationalen Netzwerk, sondern auch in einer multikulturellen Gesellschaft im eigenen Land.

: Musikpädagogische Arbeit auf hohem Niveau für angehende junge Musiker gehört zu den Schwerpunkten der JMD. Wie sehen Sie hier die Anforderungen an eine hochschulergänzende Aus- und Fortbildung? Was kann die JMD dabei leisten?
: Die JMD war schon immer dafür bekannt, dass sie innovativ und kreativ die traditionellen Angebote der Musikausbildungsinstitute ergänzen konnte. Immer noch sind die Probespieltrainings, der Internationale Opernkurs oder der Internationale Kammermusikkurs Schloss Weikersheim hervorragend nachgefragte Ausnahmeangebote.
Ich denke, dass unser Kursprinzip mit seiner hohen Intensität der Auseinandersetzung mit der Materie, mit dem besonderen spiritus loci von Weikersheim und vor allem in der Zusammenarbeit mit erstklassigen Dozenten wie zum Beispiel dem Artemis Quartett auch künftig besonders wertvolle Beiträge leistet. Ziel der JMD bleibt es auch hier, neue, „unerhörte“ Zugänge zur Musik aufzuzeigen, die letztlich mehr Lebendigkeit und Authentizität bewirken.

: Dadurch, dass Studiengebühren projektgebundene Mittel sind, werden Musikhochschulen in Zukunft stärker als Konkurrenz zum Angebot der Jeunesses Musicales auftreten. Was für Maßnahmen will die Jeunesses dagegen ergreifen?
: In der Tat zieht der Staat mit den Studiengebühren freie Finanzkraft der Studierenden ab, die nicht mehr für Kurse zum Beispiel der JMD zur Verfügung steht. Und in der Tat bieten staatliche Hochschulen mit diesem Geld vermehrt Kurse selbst an. Ein „Dagegen“ ist aber nicht die angemessene Denkrichtung, sondern intelligente Formen der Kooperation und des Marketing. Für beides sind wir offen. Je näher wir mit unseren Zielgruppen selbst kommunizieren können, desto eher sehen wir deren Bedürfnisse, desto mehr können wir ihnen als JMD die Chance geben, ihre Angebote selbst zu kreieren: „Kurse on Demand“ könnte man ein solches Konzept nennen.

: Zur vielbeschworenen Krise der klassischen Musik: Wo sucht und wo findet die Jeunesses strategische Partner, mit denen gemeinsam sie über die Bildungsarbeit hinaus kulturpolitisch tätig wird?
: Dass es eine Krise der Klassischen Musik gäbe, sehe ich so pauschal nicht. Krisen sehe ich eher auf anderen Gebieten wie den Auswirkungen des Sozialverhaltens, der Konsumgewohnheiten, der neuen Medienpotenziale sowie der veränderten Formen des Engagements. Künftig müssen die Akteure im Musikleben mehr kooperieren, um sich nicht gegenseitig zu behindern, sondern echte Mehrwerte zu erzielen. Wir streben dies auch stets unter dem Dach des Deutschen Musikrats an, in dem wir für noch mehr Synergien eintreten. Ein Beispiel ist das „netzwerk junge ohren“, das wir gemeinsam mit der Deutschen Orchestervereinigung, der Phonoakademie und anderen Musikverbänden gegründet haben. Es wird dazu beitragen, jungen Menschen Musik frisch und interessant zu vermitteln, ohne sie zur Ware oder zum bloßen fun-event herabzuwürdigen.

: Welche Vision haben Sie heute von der Jeunesses im Jahre 2020?
: Unser Name wird unser Programm bleiben: Die JMD wird der musikalischen Jugend eine Organisationsform und zeitgemäße Mitwirkungsmöglichkeiten anbieten. Unsere Mitglieder werden auch im Jahr 2020 aktiv und innovativ das Musikleben in Deutschland in besonderer Weise bereichern, vor allem dort, wo Musikvermittlung im besten Sinne Menschen berührt.
Wir werden unsere öffentliche Förderung, die wir auch künftig verdienen, weiter stabilisiert und ausgebaut haben. Wir werden eine neue Qualität des privaten Förderengagements erreicht haben, vom Community-Sponsoring bis zu privaten Zuwendungen in unsere Stiftung. Im internationalen Bereich werden wir das weltweite Netzwerk der JMI für einen regen Austausch junger Musiker über alle Grenzen hinweg erschlossen haben. Der Name Jeunesses Musicales wird also auch künftig ein Synonym für Engagement und Sympathie im Musikleben unseres Landes sein.

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