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LAK-Protest in Stuttgart: Baden-Württembergische Politprominenz, umringt von Studierenden. Foto: Julia Blank
LAK-Protest in Stuttgart: Baden-Württembergische Politprominenz, umringt von Studierenden. Foto: Julia Blank
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Misstrauisch, aber hoffnungsfroh: „Stiller Protest“ der Studierenden gegen die Musikhochschulpläne in Baden-Württemberg

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Dass Gehörtwerden keine Frage der Lautstärke ist, zeigte eine Demonstration der Baden-Württembergischen Musikstudenten, organisiert von der Landes-ASten-Konferenz. Diese hatten aufgrund der geplanten Einschnitte bei den Musikhochschulen zum „stillen Protest“ aufgerufen. Studierende sowie weitere Unterstützer versammelten sich unter den Schlagworten „Rettet die Musikhochschulen“ vor dem Stuttgarter „Kunstgebäude“ – Ausweichort der ersten Plenarsitzung des Landtags nach der Sommerpause –, um mit Instrumenten stumm ihren Unmut zu bekunden.

Jörg Willburger, Sprecher der Landesstudierendenvertretung erklärt: „Bisher waren die Studierenden gar nicht in diesen Prozess integriert. Ende Juli haben wir Frau Ministerin Bauer (Grüne) einen Brief geschrieben, in dem wir um einen Gesprächstermin gebeten haben – ohne Antwort. Einen Monat später an den Ministerpräsidenten, da kam auch nie eine Antwort. Wir wurden komplett übergangen, nicht gehört. Daher ‚stiller Protest‘“. Mit Transparenten, Flyern und Buttons positionierten sie sich daher unübersehbar vor dem Eingang des Kunstgebäudes – direkt nebenan bezeichnenderweise das Cafe „Künstlerbund“…

Unter den Demonstranten waren auch Mitglieder der Initiative „Stuttgart braucht jungen Jazz“, die sich nach der Pressemitteilung des Ministeriums für Wissenschaft und Kunst (MWK) vom 17. Juli aus freischaffenden Künstlern, Veranstaltern, Absolventen und Studenten gegründet hatte. Zwar ruderte die Landesregierung, was den Jazz betrifft, inzwischen zurück, darauf verlassen will sich die Initiative allerdings nicht. „Wir machen weiter“, heißt es dazu auf ihrer Internetseite. Aus Trossingen waren auch Mitarbeiter der Verwaltung angereist. Ilse Schmitt-Auer, Leiterin der Zentrale: „Wir sind hier, weil wir wollen, dass alles wieder auf Null gesetzt wird und man uns nicht einfach übergeht, nur weil wir aus dem ländlichen Raum sind.“

Das stille Aufgebot an Demonstranten zeigte Wirkung: Einige Abgeordnete, darunter Kai Schmidt-Eisenlohr (Grüne), Claus Schmiedel (Fraktionsvorsitz SPD), Helen Heberer (SPD), Rita Haller-Haid (SPD) und Dietrich Birk (CDU), zeigten sich gesprächsbereit und kamen nach der Plenarsitzung auf die Studenten zu. Manfred Kern bekräftigte, dass man das regionale Umfeld der Hochschulen nicht aus dem Auge verlieren dürfe, in dem die Musiker/-innen tätig sind und räumte ein, dass dies in dem Konzept von Bauer nicht beachtet worden sei und nun im Nachhinein nachgeschoben werden müsse. Weiter nahm er Bezug auf die angedachten Umstrukturierungen in Mannheim und Trossingen: „Wenn wir davon reden, dass wir alle fünf Standorte erhalten wollen, dann können wir nicht irgendwo die Beine wegschneiden und sagen ‚dann lauf doch irgendwie anders‘.“ Auch Claus Schmiedel sagte: „Wir gehen davon aus, dass es an allen Musikhochschulen einen Kernbereich gibt.“ Darüber hinaus gebe es Profile, über die geredet werden müsse.

Als keiner mehr damit rechnete, kam noch Winfried Kretschmann hinzu. Nachdem er Anfang September noch formuliert hatte „Der Vorschlag wird sich ändern müssen, das ist keine Frage…“, stellte er sich nunmehr wieder hinter Bauers Vorschlag, den er als „wohldurchdachtes Konzept“ bezeichnete. Andererseits erklärte er jedoch auch Gesprächsbereitschaft: „Wenn Sie bessere Vorschläge haben, sind wir offen“. Ein ambitioniertes Projekt gehe nie so durch, daher steige man hoch ein. „Wenn man niedrig einsteigt, rutscht es einem ganz weg“, so Kretschmann. Er sieht Bauers Konzept demnach als „Grundstruktur“, auf deren Basis nun Abwägungen, Überlegungen stattfinden müssten. Die Entrüstung in der Sache kann er dabei nicht so recht nachvollziehen: „Was ich nicht so mag, sind gleich Weltuntergangstöne (…) Es ist ein Vorschlag, weder eine Kabinettsvorlage noch ein Kabinettsbeschluss, noch gar ein Gesetzentwurf.“

Elisabeth Gutjahr, Rektorin der Trossinger Musikhochschule, sieht Kretschmanns Geste der Dialogbereitschaft positiv, ebenso Rudolf Meister, Rektor der Mannheimer Musikhochschule: „Was das Verfahren betrifft, ist es ein positives Signal. Was inhaltlich am Ende stehen wird, das müssen wir jetzt entwickeln.“

Ein weiterer Erfolg für die Studenten war, dass zehn Studierendenvertreter der Hochschulen am Nachmittag zu einer Gesprächsrunde mit Ministerin Bauer eingeladen wurden. Tabea Boots, Mitglied des Trossinger AStA schilderte danach ihre Eindrücke: „Das Gespräch verlief recht positiv. Wir haben uns erstmal sehr gefreut, überhaupt mit Frau Bauer ausführlich und in diesem Rahmen zu sprechen. Sie hat uns zugesichert, dass dies nicht der letzte Dialog war.“ Vertreter der Musikhochschulen wurden überdies eingeladen, bei der Anhörung der Fraktionen Grüne und SPD am 16. Oktober ebenfalls zu Wort zu kommen. Weiter steht am 8. Oktober eine Gesprächsrunde zwischen den fünf Rektoren/-innen der Musikhochschulen und Frau Bauer in Stuttgart an.

„Wir sind misstrauisch, aber hoffnungsfroh“, lautete eine Stimme aus der Menschentraube, die sich zeitweise um die Politprominenz gebildet hatte – eine leise Anmerkung, die die derzeitige Situation treffend beschrieb.

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