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Schrille Macht

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Adventliche Redaktionssitzung: In Bayern die „staade“, in Restdeutschland die besinnliche, friedvolle Zeit. Es mahnt die mächtige Mitherausgeberin nachdrücklich, dieses Editorial doch mal angemessen zu gestalten. Also sanft, positiv, frei von Flüchen wider den Ökonomismus im Kulturbereich, wider den grassierenden Schwachsinn eines von jeder moralischen Leine gelassenen Kapitalismus. Stattdessen konstruktiv, mit ernsthaft liebevoller Zuwendung für handelnde Persönlichkeiten und Institutionen. Sanftmut – dein Name sei Geißler. Gern.
Es läutet das Telefon. Matthias Pannes vom Verband deutscher Musikschulen berichtet, dass in Berlin 18 Musikschullehrerinnen und Musikschullehrer aus besonders widersinnigen, Schilda zur Ehre gereichenden Gründen, gefeuert wurden. Da ist der Hochglanz-Verpackungsprofi gefordert. Also: Jede Kommune ist im Grunde eine demokratisch strukturierte Lerneinheit. Eine Labor- und Vorbereitungs-Unit für unser Gemeinwesen der Zukunft. Und die Bundeshauptstadt geht da mit gutem Beispiel voran. Denn wie lernt man? Durch Fehler natürlich. Dass Klaus Wowereit als frischgebackener Kulturchef doch ein paar Mal auf die heiße Herdplatte tatschen muss, bis es ihm nicht mehr weh tut, beweist doch nur, dass er schon ziemlich abgebrüht ist. Eine wichtige Charaktereigenschaft, will man heutzutage vorankommen.

Ä hnlich Positives lässt sich vom GEMA-Vorstand berichten: Nachdem der (in Sachen Tarifvertrag) die erste Runde im Prozess gegen ver.di verloren hat, geht’s ab ins Revisionsverfahren. Das ist einfach mutig. Aber man hat sich auch jede Menge zusätzliche Marketing-Kompetenz ins Haus geholt. Sowas macht bei deutschen Richtern Eindruck. Und wenn Bescheidenheit in der Sachkunde eine zentrale Tugend ist, gelang mit Bettina Müller von der Burda-Stiftung als Unternehmenssprecherin ein echter Glücksgriff: Im Aufsichtsrat befragt nach Komponisten zeitgenössischer Musik, soll die Dame klug geschwiegen haben.

Still ist es auch um den Deutschen Musikrat geworden – ein ausgesprochen gutes Zeichen. Nach jüngstem On-dit bemüht sich Präsident Martin Maria Krüger dank seiner hervorragenden Beziehungen zu einschlägigen chinesischen Provinz-Buchhaltern höchstpersönlich um die Beseitigung der chaotischen Zustände, die im Ambiente deutscher Musikhochschul-Repräsentanz in Peking aufgetreten sein sollen. Dafür gibt’s sicher bald einen Ehren-Professor. Der restliche Rat ist mit Gratulationsschreiben und vertieftem Nachdenken über Strukturreformen derartig ausgelastet, dass er sich um seine wesentliche Beteiligung an der maßgeblichen Zukunftsstruktur unseres Musiklebens, der „Initiative Musik“ zur Zeit verständlicherweise kaum kümmern kann. Das ist auch nicht nötig. Denn in einer spektakulären Marketing-Aktion wollen die drei Initiativ-Aktivisten Steffen Kampeter, Dieter Gorny und Carsten Schneider als „Heilige Drei Könige“ der Kreativindustrie in einem Schaufenster des Berliner Lafayette-Kaufhauses nach jüngsten Gerüchten Sympathiewerbung für die „Initiative“ betreiben. Unter dem Motto: Tanz ums goldene Kalb. Stille, friedliche Vor-Weihnachten wünscht Ihr

Ergänzungen

Kulturausschuss Berlin-Mitte gegen Musikschul-Lehrer-Kündigungen
04. Dec @ 17:05:18

(nmz - thg) Gegen die radikalen Kürzungen an der Musikschule Berlin-Mitte (die nmz und das KIZ berichteten) hat sich in seiner gestrigen Sitzung der Fachausschuss für Bildung und Kultur des Bezirks Berlin-Mitte gewandt. Mit einem Stimmenpatt von sechs zu sechs Stimmen hat er mit den Stimmen von CDU und Grünen die Vorlage zur Einsparung von 18 angestellten Musikschullehrerinnen und Musikschullehrern zur Konsolidierung des Haushalts abgelehnt.

In der öffentlichen Sitzung waren zahlreiche Eltern präsent, die sich für den Erhalt der kulturellen Bildungschancen ihrer Kinder einsetzten. Die Umwandlung in Honorarverträge mit entsprechender Fluktuation und qualitativen Einbußen für das Gesamtangebot bringt deutliche Risiken für die Qualität der musikalischen Ausbildung.

Der Bildungs- und Kulturausschuss empfiehlt mit seinem Beschluss dem Finanzausschuss, diese Einsparungsmaßnahme nicht zu ergreifen.

In seinen Beratungen vom 12. bis 15. Dezember wird maßgeblich sein, mit welcher Vorlage der Finanzausschuss arbeiten wird. Wie die Nachschiebeliste aussehen wird, mit der die Deckungslücke von 156.000 Euro geschlossen werden soll, und ob und wie die Musikschule darin enthalten sein wird, steht dabei zur Entscheidung.

Am 20. Dezember findet dann der endgültige Beschluss der Bezirksverordnetenversammlung statt. Zu diesem Zeitpunkt wird jedoch niemand mehr das Paket aufschnüren.

Entscheidend wird daher der Beschluss des Finanzausschusses sein. Wollen die Fraktionsmitglieder der SPD und der Linken nicht als bildungsfeindlich, insbesondere zu Lasten der Kinder aus finanziell schwächer gestellten Familien, gelten und zum sozialen Gefälle innerhalb Berlins beitragen, ist im Sinne der kulturellen Bildung und Chancengleichheit in Berlin auf eine Ablehnung der geplanten Einsparungen bei der Musikschule Berlin-Mitte auch durch den Finanzausschuss zu hoffen. [Die URL für diesen Artikel]

GEMA - Eingeknickt? Zur Vernunft gekommen – oder gebracht?
04. Dec @ 16:54:25

(nmz – thg) Am 29. 11. – unsere friedvolle nmz-Weihnachtsausgabe war gerade gedruckt – erreichte folgende überraschende Mail per Verteiler alle GEMA Mitarbeiter (überraschend deshalb, weil der GEMA-Vorstand mehrfach Gespräche mit ver.di als Tarifpartner für die Zukunft kategorisch ausgeschlossen hatte):

Betreff: Sondierungsgespräch mit der Gewerkschaft ver.di
„Liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, heute hat der Vorstand ein erstes Sondierungsgespräch mit Vertretern der Gewerkschaft ver.di und des Gesamtbetriebsrats geführt. Dabei wurde vereinbart, noch im Dezember dieses Jahres Tarifverhandlungen mit ver.di aufzunehmen. Wir sind zuversichtlich, in den anstehenden Gesprächen einen gemeinsamen Lösungsweg zu finden und zu guten und konstruktiven Ergebnissen zu kommen. Über den Verlauf der Gespräche werden wir Sie weiter informieren. Mit den besten Grüßen Ihr Dr. Harald Heker“

Die nmz hatte in Ihrer Dezember-Ausgabe dem GEMA-Vorstand noch zum Mut gratuliert, nach einem erstinstanzlich verlorenen Prozess gegen ver.di in die Berufung gehen zu wollen. Davon ist im Moment keine Rede mehr. Welch ein rasanter Gesinnungswandel. Haben wir es mit einem hochflexiblen Management zu tun, das nach der unternehmerisch und politisch neuerdings angeblich erfolgreichen Devise handelt, „was schert mich mein Geschwätz von gestern?“ - Oder trat nach reiflicher Überlegung ein plötzlicher Grundkurs-Wechsel auf mit dem Ziel einer Harmonisierung des Verhältnisses zu den Mitarbeitern? Schön wärs.

Wahrscheinlicher wirkt das Ondit, der GEMA-Vorstand hätte äußerst üppig in neue IT investiert, deren Einsatz von der Zustimmung des Betriebsrates abhängig ist. Das kann man unternehmerische Planung auf hochinteressantem Niveau nennen: Erst einen unerbittlichen Konfliktkurs fahren, um später glaubwürdig demonstrieren zu können, wie sehr einem doch die betriebliche Mitbestimmung am Herzen liegt. Der Vorgang lässt angesichts seiner Professionalität – so oder so – für Verleger, Textdichter und Komponisten noch die kunterbuntesten Überraschungen erwarten. Wir erhoffen eine Stellungnahme des Aufsichtsrates – aber der ist ja so still…

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