Hauptrubrik
Banner Full-Size

Kunst oder: Darf es, bittschön, etwas mehr sein

Untertitel
Festspiele, Bittsteller, Sponsoren, Publikum, Ausgaben und Einnahmen · Von Gerhard Rohde
Publikationsdatum
Body

Nun finden die Künstler heute kaum noch vornehme Herrschaften, die sie in Arbeit und und Lohn nehmen. Die Beziehungen Künstler – Gesellschaft wurden anonymer. Der Staat übernahm gleichsam kollektiv die einstige individuelle fürstliche oder großbürgerliche Entlohnung. An die Stelle der großbürgerlichen Kämmerei trat heute der Kulturausschuss, und eine Zeit lang funktionierte das ja auch recht gut, bis rettungslos aufgeblähte Haushaltsdefizite den Sparteufel auf die Szene treten ließen. Seither geht es der Kunst und ihren Herstellern wieder einmal gar nicht gut. Auf der Suche nach Aus- wegen entsann man sich alter Modelle und fand sie auch, nur dass diese keine vornehmen Namen mehr führen, sondern alle Sponsor sich nennen.

In Richard Straussens „Capriccio“, einem Konversationsstück mit Musik, zu dem der Dirigent und Theaterpraktiker Clemens Krauß das Libretto schrieb, treten auch zwei italienische Sänger auf, zum Vergnügen der adligen Sozietät, die sich gerade mit Komponist, Dichter und Theaterdirektor über den Vorrang von Wort oder Ton gestritten hatte. Nachdem die Vokalisten ihre artigen Belcanto-Piecen vorgetragen haben, dürfen sie im Nebenraum zum Lohn schmackhafte Reste aus der aristokratischen Küche verzehren. Kunst ging also schon in früheren Zeiten gern nach Brot. Sogar Walther von der Vogelweide jubelte über das ihm endlich zugeteilte Lehen in einem hymnischen Gedicht.Nun finden die Künstler heute kaum noch vornehme Herrschaften, die sie in Arbeit und und Lohn nehmen. Die Beziehungen Künstler – Gesellschaft wurden anonymer. Der Staat übernahm gleichsam kollektiv die einstige individuelle fürstliche oder großbürgerliche Entlohnung. An die Stelle der großbürgerlichen Kämmerei trat heute der Kulturausschuss, und eine Zeit lang funktionierte das ja auch recht gut, bis rettungslos aufgeblähte Haushaltsdefizite den Sparteufel auf die Szene treten ließen. Seither geht es der Kunst und ihren Herstellern wieder einmal gar nicht gut. Auf der Suche nach Aus- wegen entsann man sich alter Modelle und fand sie auch, nur dass diese keine vornehmen Namen mehr führen, sondern alle Sponsor sich nennen.Wie das Sponsoring en gros und en detail funktioniert, lässt sich besonders anschaulich in Salzburg studieren. Drei renommierte Großfirmen werfen jeweils eine Million Mark (oder etwas mehr, aber nicht viel mehr) in die Festspielkasse und erhalten dafür natürlich Gegenleistungen, das ist beim Sponsoring so üblich. Eine dieser Gegenleistungen für Sponsoren besteht etwa darin, im Großen Festspielhaus das obere große Foyer zu reservieren, weshalb sich im unteren die gemeinen Kartenzahler fürchterlich zu drängen haben. Schadet diesen gar nichts, könnte man meinen, können ja auch Sponsoren werden. In Salzburg, wo die Direktion ständig auf der Suche nach Geldgebern ist, die helfen sollen, die schmale Festspielkasse von schätzungsweise 90 Millionen Mark aufzubessern, hat man zum Glück das gefunden, was man früher einen Mäzen nannte: der gute, reiche Onkel aus Amerika, der zum Freudwesen aller auch noch ein Opernnarr ist. Da fließen jetzt die Millionen (Mark) jährlich in die Geldtüte, nicht nur in Salzburg, auch Met und Scala und andere erfreuen sich der spleenigen Leidenschaft, nur auf den Bettelbrief aus Berlins Operntempeln reagierte der kuriose Geldvermehrer bisher reserviert bis kühl. Irgendwie muss man dabei an den reichen Mandryka in Hofmannsthal/Straussens „Arabella“ denken, der dem verarmten Grafen die prall gefüllte Brieftasche vorhält mit der schönen Aufforderung: „Teschek, bedien dich“.

Die Sponsoritis, deren Auftreten speziell bei Festspielen mitunter an das Gebaren einer Besatzungsmacht erinnert (die besten Villen werden für Offiziere beschlagnahmt, das beste Hotel wird zum Hauptquartier), konnte sich allerdings nur so ausbreiten, weil sich der Staat immer stärker aus seinen Kulturverpflichtungen zurückzieht. Womit wir wieder beim leidigen Dauerthema wären. Wem dient denn das Kulturangebot in den Ländern, in Deutschland und seinen Bundesländern, in Österreich und auch in anderen Ländern? Doch den Menschen, die in diesen Ländern leben, die dort aufwachsen und durch Bildung zu Persönlichkeiten reifen sollen, deren Fantasie und Gefühlsleben sich in der Beschäftigung mit den Künsten auszuformen vermag. Das braucht nicht immer gleich zum Beruf zu werden, aber das so entstandene Fantasiepotenzial befördert doch auch die Arbeit in anderen Berufen, als Arzt, Wirtschaftler, Forscher. Wer nur etwas von Physik versteht, versteht auch nichts von Physik. Das Wort eines großen Physikers besitzt unverändert Gültigkeit.

Die Erosion in unserem Land ist schon bedenklich weit vorangeschritten, bis hin zur Green Card. Der inneren Wiedervereinigung in der Bundesrepublik wären wir sicher schon manchen Schritt näher, wenn man Kunst, Musik und musische Bildung als Bindemittel eingesetzt hätte, statt überall Orchester und Theater in den Neuen Ländern aufzulösen oder kaputt zu sparen. Bayerns Kulturminister hat immerhin die Zeichen erkannt, indem er einen hohen Millionenbetrag für die musische Ausbildung der jungen Menschen bereitstellt. Währenddessen bereist der Bundeskanzler die neuen Bundesländer, um sich zu erkundigen, warum sich die Jugend dort so schlimm aufführt: eben deshalb. Zehn Jahre seit der Wiedervereinigung sind verstrichen und leider auch weitgehend vertan.

Um auf Salzburg und seine Festspiele zurückzukommen: In Salzburg existiert das Mozarteum-Orchester, eine Landeseinrichtung mit städtischer Beteiligung. Es gibt in der Saison Konzerte und spielt im Landestheater in der Oper. Das Niveau des Neunzig-Mann-Orchesters ist bemerkenswert hoch, die Festspiele setzen es sogar für Opernaufführungen ein, die von so renommierten Dirigenten wie Marc Minkowski und Ivor Bolton geleitet werden. Diese Dirigenten schwärmen von dem Orchester, der Höhenflug ist auch ihnen zu verdanken sowie dem Chefdirigenten Hubert Soudant. Auch in Österreich soll und muss gespart werden. Über dem Landestheater Salzburg hängt das Damoklesschwert der Schließung oder Reduktion der Opernsparte. Davon wäre auch die Existenz des Mozarteum-Orchesters, zumindest in der jetzigen Größe, betroffen. Betroffen aber wären vor allem die Bürger der Stadt, ihre privaten Musikvereinigungen, die Chöre, die Kirchen. Überall wirken die Musiker des Orchesters mit. Eine lange Aufbauarbeit würde durch einen kurzsichtigen Spareffekt zerstört. Salzburg, die Mozart- und Festspielstadt, sollte ein besseres Vorbild abgeben als die weniger berühmten Ortschaften im Osten Deutschlands, die Kultur mit Kulturdemontage verwechseln. Betroffen wären in beiden Fällen die Menschen, die in diesen Städten und Landschaften leben. Die Politiker haben die Menschen aus den Augen verloren. Das ist das Fürchterlichste.

Weiterlesen mit nmz+

Sie haben bereits ein Online Abo? Hier einloggen.

 

Testen Sie das Digital Abo drei Monate lang für nur € 4,50

oder upgraden Sie Ihr bestehendes Print-Abo für nur € 10,00.

Ihr Account wird sofort freigeschaltet!