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Perelá, der Mann, der aus der Rauchwolke kam

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Eine neue Oper des französischen Komponisten Pascal Dusapin: „Perelà“
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Der französische Komponist Pascal Dusapin (Jahrgang 1955) schrieb seine vierte Oper – auf Italienisch: „Perelà. Uomo di fumo“ – zu Deutsch: Der Mann aus Rauch. Sie erfuhr an der Bastille-Oper in Paris eine brillante Uraufführung, die beim französischen Publikum großen Anklang fand. „Perelà“ entstand nach einem Roman Aldo Palazzeschis (1885–1974), den dieser 1911 unter dem Titel „Il codice di Perelà“ veröffentlichte. Palazzeschi, einer der namhaftesten Dichter und Schriftsteller Italiens im letzten Jahrhundert, war anfangs stark vom Futurismus inspiriert, später fand er zu einem oft phantastischen, ironisch-realistischen Stil, der sich nach dem Ersten, auch noch nach dem Zweiten Weltkrieg, manchmal ins Bittere, Weltverachtende wandelte.

Vom Lauf des Lebens und der Zeit in mancherlei Facettierung handelt auch „Perelà“. Ein Mann materialisiert sich aus Rauch, tritt in die Welt unter die Menschen ein, die ihn als Majestät der Leichtigkeit begrüßen, ihm schließlich die Kodifizierung eines Gesetzbuches auftragen – typisch für Palazzeschis Ironie: Der „leichte“ Mensch soll das Vertrackteste bewältigen. Perelà scheitert, ebenso wie an der Liebe zu einer Frau. Nach dem Unfalltod eines Freundes wird er als Schuldiger verurteilt, doch entzieht er sich dem Gefängnis, indem er sich wieder in Rauch auflöst: Es war wohl alles – „Nichts“. Perelà – die Personifikation dieses einen Wortes: Nichts. Die Comédie humaine war es wohl, die Pascal Dusapin für sein Libretto animierte. In zehn Kapiteln ziehen Perelàs irdische Stationen vorüber, eingefasst in eine subtil ausgesparte, schwerelose, klanglich verfeinerte und fließende Musik, die die Handlung oft in magische Klangräume zu tauchen scheint. Grelles, Jazziges oder auch Orgelklänge tönen charakterisierend-symbolhaft in entsprechende Szenen hinein, die Stimmführungen für die Sänger bewahren in bemerkenswertem Maße eine klare Kantabilität, ohne Sentiment selbst in den Liebesszenen zwischen Perelà und der Marquise. Nora Gubisch setzt mit ihr die vokalen Höhepunkte, aber auch John Graham-Hall als Perelà findet zu einer intensiven gesanglichen und spielerischen Gestaltung. Die Inszenierung von Peter Mussbach und Erich Wonder findet für die Stationen magische, hintergründige Bilder, die sensibel mit der Musik korrespondieren, eine eigenständige szenische „Sprache“ entwickeln. Das Thema des Werkes: Welche Chancen hat Menschlichkeit in unserer Zeit – tritt in vielen Momenten plastisch und anrührend ins Bewusstsein, auch in der resignativen Verneinung.

Vielleicht hätte hier und da eine ironisierende Brechung die Perspektiven noch stärker auf die literarische Vorlage, auf Palazzeschis „Leichtigkeit“ eröffnet. Makellos das Pariser Opernorchester unter James Conlon: Dusapins strukturelles Komponieren, seine orchestrale Virtuosität bei gleichzeitiger präziser Formung der Ausdrucksmittel traten plastisch hervor, ebenso die Farbigkeit der instrumentalen Ausarbeitung.

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