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Werner Heider. Foto: Ch. Oswald
Werner Heider. Foto: Ch. Oswald
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Unermüdliche Neugier auf instrumentale Möglichkeiten

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Komponist, Pianist, Dirigent, Musikvermittler: dem Komponisten Werner Heider zum 80. Geburtstag
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Am Anfang muss eine Entschuldigung stehen: Werner Heider hat am 1. Januar Geburtstag, die neue musikzeitung aber setzt zu diesem Zeitpunkt einmal mit dem Erscheinen aus. Man hätte also schon in der Dezember-Ausgabe auf Werner Heiders 80. hinweisen müssen. So holen wir es verspätet nach, was immer besser ist als schamhaftes Verschweigen der Fehlleistung. Dieses hätte Werner Heider auch nicht verdient. Er ist zwar nicht so bekannt wie etwa ein Rihm oder Boulez, doch an Individualität steht er solchen Berühmtheiten in nichts nach.

Name und Persönlichkeit des Komponisten, Pianisten und Dirigenten Werner Heider verbinden sich eng mit der Gründung des „ars nova ensemble nürnberg“. Noch vor dem Ensemble Modern und anderen inzwischen renommierten Spezialgruppen der Neuen Musik wurde das „ars nova ensemble“ 1968 auf Anregung des Komponisten und damaligen Leiters der Musikabteilung im Nürnberger Studio Franken, Klaus Hashagen, gegründet. In Werner Heider fand Hashagen, dessen kompositorisches Schaffen wieder einmal eine größere Aufmerksamkeit verdient hätte, einen engagierten Mitstreiter. Unter Heiders Leitung versammelte sich ein qualifiziertes Dutzend an Orchestermusikern und Musikpädagogen, um Konzertprogramme und auch einzelne Werke für Rundfunkproduktionen einzuspielen. Vor zwei Jahren konnte das „ars nova ensemble“ sein 40-jähriges Bestehen feiern, und bis heute hat sich am Arbeitsprinzip des Ensembles nichts geändert. Uraufführungen in enger Zusammenarbeit mit den jeweiligen Komponisten, thematische Programme und, was jetzt ja so wichtig genommen wird, die Vermittlung Neuer Musik bilden unverändert das Zentrum der Arbeit.

Wenn heute die Donaueschinger Musiktage oder die Kammermusiktage in Witten immer stärker den Kontakt zu einem jungen Publikum knüpfen, um diesem das Thema „Neue Musik“ näher zu bringen, dann können Werner Heider und der leider zu früh verstorbene Klaus Hashagen sagen: Das haben wir schon seit langem realisiert. Und Werner Heider, unverändert neugierig, vor Unternehmungslust sprühend und wunderbar jugendlich wirkend, meinte dazu einmal: „Wir machen halt so weiter wie bisher, nicht wahr?!“ 

Wer Werner Heiders Wirken über die Jahrzehnte aufgeschlossen verfolgt und begleitet hat, der erinnert sich immer wieder an besonders charakteristische Auftritte, seien es die seines Ensembles oder seiner solistischen Programme. „Mein Klavier und ich“ hieß ein Solo, für das er zwischen 1970 und 1977 fünfzehn „Extras“ komponierte, von eineinhalb bis dreieinhalb Minuten Dauer. Da geht es didaktisch wie lustvoll zur Sache. „Armstück“, „Fauststück“, sind die Titel von zwei Stücken. Ein „Percussions-Piano“ wetteifert mit einem „Klaviertrommler“. „For Fred Astaire“ entwickelt sich zu einem „Step für die Finger“, und in „Compagne di Mozart“, auch „Montierter Genieabfall“ genannt, stapelt er Begleitfiguren Mozarts furios übereinander. Mit „Ferien von der Komposition“ schließlich demonstriert er in virtuoser Improvisation, dass Neue Musik zugleich auch „Ferien“ vom Ernst zu nehmen versteht. Wenn  heute immer wieder die Sphären von E-Musik und Jazz (Pop/Rock) durchmischt und übersprungen werden, so darf man darauf verweisen, dass Werner Heider schon immer ein enges Verhältnis speziell zum Jazz besaß.  Sein „Essay in Jazz“  für Saxophonquartett, seine „Sonata in Jazz“ für Klavier und Altsaxophon mögen dafür als signifikante Beispiele genannt sein. Heider zeichnet eine spezielle Neugier auf instrumentale Möglichkeiten aus. Zum Beispiel: die Orgel. In „Inneres“ entfaltet er gleichsam einen Kanon für ein neues Orgelspiel: Einzeltöne, Clusterballungen, dissonante Klangfluten fügen sich zu einer perspektivreichen Komposition.

Werner Heiders Komponieren bietet eine fast schon unübersichtliche Vielfalt. Seine Neugier, seine vielfältigen Interessen, seine genaue Beobachtung dessen, was in der Welt so vor sich geht, animieren ihn immer wieder zu musikalischen Verwandlungen. In seiner Picasso-Musik greift er Verse des Malers auf. Geige, Klavier, Klarinette und ein Sopran, der schnalzt und die „Rrrrs“ rollt, ergeben so etwas wie eine Komposition von Picasso, wenn dieser denn ein Musiker gewesen wäre.

Das Werk Werner Heiders einmal umfassend, etwa im Rahmen eines größeren Festivals, zu präsentieren, dürfte durchaus aufschlussreich sein und zeigen, dass Werner Heider ein Komponist ist, der in seinem Schaffen viele musikalische Erfindungen seiner Nachfolger schon vorweggenommen hat.

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