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Von Fiddlern, Minibässen und Gospelwellenreitern

Untertitel
Weitere Notenentdeckungen von der Frankfurter Musikmesse 2011 unter pädagogischen Gesichtspunkten
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Als Fortsetzung des Überblicks zu Messeneuheiten aus der Mai-Ausgabe der nmz (Seite 15) folgen nun weitere EIndrücke zu den Themen Streicher-, Vokalpädagogik und Chor.

Streicherpädagogik

In der Reihe „Studienbuch Musik“ von Schott stechen einem zwei Publikationen für den Bereich der Streicherpädagogik sofort ins Auge. Wie ein zweieiiges Zwillingspaar kommen sie daher. Die Haupttitel klingen nüchtern und synchronisiert: Violintechnik (­Jeanne Christée) und Cellotechnik (Gerhard Mantel). Letzteres ist keine Neuerscheinung, sondern eine Neuauflage des 1972 erschienenen, gleichnamigen Buches, welches sich in den vergangenen Jahrzehnten zu einem Standardwerk des Cellospiels entwickelt hat. Der Autor Gerhard Mantel ist ein auch durch zahlreiche Publikationen bekannter Musikpädagoge, der sich ausführlich und hintergründig mit dem Cellospiel und weiteren musikpädagogischen Themen wie Übestrategien, Intonation und Lampenfieber auseinandergesetzt hat. Mantel geht es hier um „Bewegungsprinzipien und Bewegungsformen“ (so auch der Untertitel). Die zielgerichtete Bewegung, das Griffbrett und der Bogen, so lauten die drei Hauptkapitel des Buches. Mantel hat ein Faible für Patentrezepte in der Instrumentalpädagogik. Das zeigt auch die Publikation „Einfach üben“, in der er, ähnlich einem Kochbuch, 185 Rezepte für einzelne Aspekte des Übens aneinanderreiht und diese mit popularwissenschaftlichen Daten untermauert. Zugleich hat er auch die Gabe, unterschiedliche Gebiete der Instrumentalpädagogik übersichtlich zu systematisieren und deren „Fakten“ zu filtern. Diese werden in der Instrumental- und Vokalpädagogik oft unkonkret oder unbewusst behandelt. Die aktuell auch von ihm diskutierte Frage, ob die Technik aus dem Flow oder der Flow aus der Technik resultiert, ähnelt ein wenig der Frage nach der Henne und dem Ei und ist genauso spannend wie unlösbar.

Christée widmet sich in ihrer Publikation im ersten Teil den Inhalten historischer Violinschulen von Geminiani (1680) bis Suzuki (1898) und Ricci (1918), die sie komprimiert wiedergibt. Im zweiten Teil stellt sie ihre eigene Unterrichtsmethodik vor und fügt im letzten Teil Interviews mit bekannten Geigenvirtuosen wie Hilary Hahn, Vadim Repin und anderen ein. Eine Besonderheit stellt das „Vorspiel-Training. Band 1“ (Edition Peters) von Kerstin Wartberg dar. Das Repertoire enthält Vortragsstücke aus der Suzuki-Violinschule Band 4 bis 7 sowie zahlreiche Zusatzstücke.

Das Spektrum reicht von barocken Solo-Konzerten bis hin zu Fiddle-Stücken und besteht aus Literatur für bis zu drei Violinen, teils mit Klavierbegleitung. Zu den Stücken gibt es einige theoretische Erklärungen, die teilweise durch Fotos ergänzt, technische Details erläutern. Im Mittelpunkt des Heftes steht die sichere Erarbeitung einzelner Sätze der Violinkonzerte von Seitz, Vivaldi und Johann Sebastian Bach, die in drei Übungsphasen (Erarbeitungs-, Gestaltungs- und Aufführungsphase) erlernt werden sollen. Entsprechend der Suzuki-Methode, in der das Hören die zentrale Rolle einnimmt, ist das Werk durch zwei Übe-CDs ergänzt. Kurzum: ein interessantes Kompendium gerade für Wiedereinsteiger und Autodidakten sowie für Berufseinsteiger, die noch wenig Erfahrung mit dem Unterrichten haben.

Neu in der Serie „Bärenreiter Easy Concertos“, in der Kurt Sassmannshaus seine erfolgreichen Unterrichtswerke um Schülerkonzerte ergänzt, sind Oskar Riedings Concertino in ungarischer Weise op. 21, Jean Baptiste Accolays Violinkonzert Nr. 1 in a-Moll und Vittorio Montis Csárdás erschienen. Besonders innovativ und motivierend für den Geigenschüler ist bei dieser Ausgabe, dass für ihn die schön gehefteten Noten vorgesehen sind und die Klavierbegleitung als Einlage herausgenommen wird. Vorworte klären die notwendigen instrumentaltechnischen Voraussetzungen sowie den Schwierigkeitsgrad unter Bezugnahme auf den jeweiligen Band der Sassmannshaus Violinschule. In „Old MacDonald spielt Violine“ (Schott) haben Uwe Korn und Elena Malycheva bekannte Volks- und Kinderlieder zweistimmig gesetzt, wobei die Begleitstimmen meist etwas einfacher gesetzt sind als die Melodie. Jedoch sollten die Ausführenden beider Stimmen bereits sämtliche Griffarten der ersten Lage beherrschen. Mit diesem Werk ist den Autoren eine musikpädagogisch „vielsaitige“ Veröffentlichung gelungen. Da die Stücke in überwiegend geeigneten Singlagen für Kinder notiert sind, regen sie auch zum Singen im Instrumentalunterricht an. Entgegen der überwiegenden Verkürzung der Lieder auf die erste Strophe wird ein Großteil der Lieder mehrstrophig abgedruckt, was zum Erhalt des Kulturguts Lied beiträgt. Den Liedern beigefügt sind einzelne Hinweise oder Erklärungen zu deren Inhalten sowie Spielanregungen und Bewegungschoreo­graphien. Dem Werk liegt eine CD bei, auf der alle 40 Lieder sowohl mit als auch ohne Melodiestimme (Playback) zu hören sind. Schnelle Fortschritte (egal ob im Einzel- oder Gruppenunterricht) garantiert die Geigenschule „Geigentaxi“ (Zimmermann Frankfurt) von Ulrik Lundström und Jan Utbult. Sie richtet sich an Kinder und junggebliebene Erwachsene, die mit dem Instrumentalunterricht beginnen. Diese Schule ermöglicht ein frühes, vielfältiges Zusammenspiel: mit Mitschülern, dem Musiklehrer, der peppig eingespielten Playback-CD oder mit anderen Instrumenten, da zu allen Stücken Akkordsymbole notiert sind. Parallel dazu erschien die Schule „Cello­taxi“, welche die gleichen Melodien beinhaltet und parallel verwendet werden kann.

Improvisationsübungen sollen die Kreativität der jungen Nachwuchsmusiker fördern. Gleich einem Bus hält das Taxi an fünf Haltestellen, an denen man Stopps einlegen und das Gelernte überprüfen kann. Hier gibt es Aufgaben zu Rhythmus und Notation, zum Hören und zum Verständnis. Das Liedrepertoire umfasst Eigenkompositio­nen der Autoren, sowie traditionelle Lieder und neue Songs. Der Schule ist eine Grifftabelle angehängt in der übersichtlich alle Töne der ersten Lage mit Fingersätzen aufgelistet werden. Folglich wird „Geigentaxi 1“ dem eigenen Untertitel „die neue innovative Lernmethode mit CD“ gerecht. Zu guter Letzt seien im Bereich der Streicher noch die Neuerscheinungen für die tieferen Instrumente dieser Familie genannt. Da es mittlerweile Kontra­bässe in jeder Größe gibt (1/16-4/4) hat sich die Situation für die Kontrabass-Lehrenden in den letzten Jahren stark gewandelt. Neben jugendlichen und erwachsenen Anfängern und Instrumentenwechslern gibt es immer häufiger auch Kinder, die schon im Grundschulalter Kontrabass spielen wollen. Für diese Klientel hält der Breitkopf Verlag mit „Kontrabass! Eine Schule für Kinder und Jugendliche“ von Thomas Schlink eine schön illustrierte Schule bereit, die sich auch für Schüler ab etwa acht Jahren ohne jegliche Vorkenntnisse an den sogenannten „Minibässen“ eignet. Edition Hug reagierte mit einem „Kontrabass ABC“ von Thomas Großmann. Dieses Lehrwerk ist für Schüler von 6 bis 60 konzipiert. Diese Schule wird durch zwei CDs (Demo und Play-Along) ergänzt, um das Üben zu Hause hinsichtlich der Klangvorstellung und der rhythmischen Sicherheit zu stützen. Beide Lehrwerke beschränken sich auf Grundtechniken und sind somit offen für verschiedene Spielweisen. Zum Kontrabass ABC ist ein Spielbuch als Erweiterung ebenfalls bei Hug erschienen.

Cello-Ensembles können sich über Heft zwei der „Cello-(Phil)Vielharmonie“ freuen (Breitkopf & Härtel). Hier streicht man die Cello-Bögen über 400 Jahre Musikgeschichte. Das Repertoire reicht von Renaissancetänzen über Händels „Largo“, das „Ave verum“ von Mozart, den „Jägerchor“ aus Webers „Freischütz“ und Wagners „Pilgerchor“ bis hin zu Schlagern der Comedian Harmonists. Die Arrangements sind für vier und fünf Celli konzipiert und leicht spielbar. Nur die erste, manchmal die zweite und ganz selten die dritte Stimme gehen über die erste Lage hinaus. So können auch schon jüngere Mitspieler in vollen Zügen im Celloklang schwelgen. Hinweise und Anregungen für die Arbeit im Ensemble runden auch das zweite Heft der „Cello-(Phil)Vielharmonie“ von Roswitha Bruggaier ab.

Vokalpädagogik

„Sing your heart out“  – so der gleichnamige Titel einer liebevollen, englischsprachigen Schrift (Schott), die mir zu Beginn meiner Vokalpädagogik-Lese ins Auge fiel, ist sie doch ein Plädoyer für das Singen. Mit ihrer Botschaft, dass jeder singen kann, macht sie auch den Verstummten Mut. Das Thema Singen mit Kindern boomt nach wie vor. Während sich sämtliche Bundesländer in einen Aktivismus zur Förderung des Singens in Kindergärten und Grundschulen stürzen, scheint dieses Thema auf der Musikmesse nur speziellen Verlagen am Herzen zu liegen. Wer mit Kindern singen darf, kann, soll oder möchte, darf sich aber über folgende Publikationen freuen: „100 bunte Kanonhits. Sing- und Sprechkanons für jede Gelegenheit“ (Helbling) ist eine vielseitige, didaktisch aufbereite Kanon-Sammlung mit neuen und bekannten Kanons. Diese beginnt mit einfachen Sprechkanons, die im Vergleich zu gesungenen Kanons auf Harmonien und autonomes Stimme-Halten verzichten und so eine Hinführung zum Kanonsingen darstellen können. Es folgen Sprechkanons mit Bodypercussion und weiteren Gestaltungsideen wie Choreographien oder szenischem Spiel. Zu einigen Kanons gibt es Begleitsätze, die mit Klang­stäben und Schlagwerk gespielt werden können. Ergänzt ist die Kanonsammlung durch praktische Hinweise zum Kanonsingen mit Kindern. Ob zur Begrüßung oder zur Verabschiedung, ob zum Geburtstag oder für die Ferien, hier findet sich für fast jede Gelegenheit ein passender Kanon. Die mehrbändige Reihe „Kinderhits mit Witz“ (Carus) wurde um drei neue Sammlungen (Heft 11-13) ergänzt. Insgesamt sind nun ca. 40 Kinderlieder von Peter Schindler (Musik) in diesen beliebten Sammlungen erschienen. Schindler gehört zweifelsohne zu den bedeutendsten Kinderliederkomponisten unserer Zeit. Alle seine Lieder sind kleine, abgeschlossene Geschichten, die in unterschiedlichsten Stilrichtungen liebevoll vertont wurden. Die Lieder können ein- oder zweistimmig mit Klavier aufgeführt werden. Hauptsächlich bewegen sich die Stücke zwischen c1 und d2, wobei Schindler den Tonumfang auch hin und wieder bis zum f2 erweitert. Ergänzend zu den Partituren ist jeweils eine Chorpartitur und Stimmen für Gitarre, Bass und Schlagzeug erschienen.

Weitere Neuheiten im Bereich Singen mit Grundschulkindern sind „hula hula hopp“ (Hug&Co Musikverlag). Hier werden den singenden Kindern, deren Lehrern und deren Publikum 36 Lieder wahlweise in Schweizer Mundart oder in Hochdeutsch angeboten. Angereichert mit vielen didaktischen Tipps und ­einer Playback-CD ein komfor­tables Liederbuch für unterschiedliche Gelegenheiten (z.B. Kindergarten, Schule oder Kinderchor). Für das Singen mit Kindergartenkindern bzw. für deren ­Eltern und das Singen daheim gibt es zwei schöne Liedersammlungen, die durch ihren günstigen Preis der Musikpiraterie entgegenwirken sollen: „Kinderleicht. Lieder und mehr für viele bunte Tage“ (Carus) und „Lieder im Jahreskreis. 111 Lieder für die Kindergartenzeit“ (Helbling). Als Neu­erscheinungen im Bereich Singspiele sei folgende Auswahl genannt: „Das Schneckenhaus. Ein ‚tierisches‘ Mini-Musical in Reimen für 6- bis 10-Jährige“ von Egon Ziesmann oder „Die Grille und die Ameise. Ein unterhaltsames Herbst-Musical für 7- bis 11-Jährige“ von Uli Führe (Helbling) für jeweils einstimmigen Kinderchor mit Stabspiel-Begleitstimmen, „Freundschaft mit Afrika“ (1- bis 4-stimmiger Kinder- und Jugendchor) und „La piccola banda“ (1- bis 6-stimmiger Kinderchor und Orchester) von Veronika te Reh und Wolfgang König (Carus).

Chor modern

Mit „Einsingen allein und im Chor“ (Bosse Verlag) von Martina Freytag kann jede Stimme auf heitere Art und Weise „warm gemacht“ werden. Freytags Praxishandbuch zum Einsingen enthält Beispiele und Anleitungen für Chor und Chorleiter, die das Repertoire sofort auf fantasievolle Art erweitern. Die beiliegende Audio-CD enthält die Klavierbegleitungen der 40 Übungen zum Mitsingen und pdf-Dateien für einen Begleiter. Gerade in der Chorarbeit mit jungen Stimmen nimmt Chormusik aus den Bereichen Rock, Pop und Evergreen eine besondere Stellung ein. Das Chorbuch „pop 4 voices“ (Helbling) bietet dafür ein umfassendes und vielfältiges A-cappella-Repertoire an: Top-Hits und zu Evergreens gewordene Highlights der vergangenen Jahrzehnte sowie einige populare Neukompositionen. Von Rock- und Popklassikern über Swingtitel und Schlager bis hin zu aktuellen Chart-Hits bietet „Auftakt 2. Das Pop-Chorbuch für die Schule“ (Schott/Klett) so ziemlich jede Stilrichtung querbeet an und ist damit eigentlich gar kein reines Pop-Chorbuch. Da die jeweiligen musikalischen Möglichkeiten von Chören sehr unterschiedlich sind, wurden die 23 Chorsätze so arrangiert, dass sie sich flexibel den jeweiligen Bedingungen anpassen lassen (Hauptstimme mit Backgroundchor, gleichberechtigte Dreistimmigkeit oder Nebenstimmen als Vocal Percussion). In acht Liedern um die Welt reist man singend in „Weltmusik für Chor“ (Bosse Verlag) von Rainer Dost. Diese neue Sammlung enthält acht arrangierte Stücke aus Argentinien, Bosnien, Brasilien, Finnland, Italien, Schottland und der Ukraine. Die Songs fußen alle deutlich hörbar auf dem jeweiligen nationalen Liedgut, sind aber teilweise Neukompositionen. Dost hat angenehme Stimmlagen gewählt, um den Chören ein entspanntes und natürliches Singen zu ermöglichen. Eine beiliegende CD stellt sowohl alle Sätze komplett eingespielt als auch alle Stimmen einzeln vor. Zusammen mit den ausführlichen und instruktiven Erläuterungen zu Hintergrund, Interpreta­tion und Aussprache hilft die CD beim Einüben.

Die Gospelwelle rollt ungebremst. Landauf, landab haben sich Chöre gegründet, die sich begeistert der Musik der afro-amerikanischen Sklaven und ihrer Nachkommen annehmen. Der Bedarf an eingängigen, nicht zu schweren Sätzen ist groß. In der Sammlung „Spirituals a cappella“ (Bärenreiter) von Graham Buckland finden auch kleinere Chöre eine reichhaltige Auswahl der beliebtesten traditionellen, geistlichen Lieder. Unter den 64 Stücken sind “Gospel-Klassiker“ wie „Amazing grace“, „Battle of Jericho“, „Down by the riverside“ und viele andere. „Chor aktuell, Frauenstimmen“ (Bosse Verlag) enthält 72 wirkungsvolle Stücke aus nahezu allen Epochen der geistlichen und weltlichen Vokaltradition und lädt zu einer musikalischen Reise rund um den Globus ein. Der Schwerpunkt liegt auf der Literatur des 20. Jahrhunderts. Ein Abschnitt ist dem Volkslied gewidmet. Ein anderes Kapitel stellt weihnachtliche Kompositionen vor. Ausgewählten populären Songs sind eine unterstützende, gut spielbare Klavierstimme sowie Akkorde beigegeben. Zahlreiche Kanons ermöglichen beeindruckende Klangergebnisse mit geringem Aufwand. Auch humorvolle Nummern und grafische Notation kommen nicht zu kurz. Wer gerne am Lagerfeuer singt, kennt das Kultliederbuch „Das Ding“. Ergänzend zu den drei erschienenen Taschenbuchbänden gibt es „Das Ding 1 und 2“ (DUX) jetzt auch mit Noten. Diese umfangreichen Liederbuchausgaben (trotzdem gut handhabbar durch die praktische Spiralbindung) enthalten den kompletten Text mit Akkordbezifferung zu allen 400 Songs sowie die Melodiestimme mit Harmoniebezeichnungen.

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