Hauptbild
Daniel Arnaldos (Prinz) und Ensemble des Kinderopernhauses Unter den Linden | Foto: Pascal Bünning
Daniel Arnaldos (Prinz) und Ensemble des Kinderopernhauses Unter den Linden | Foto: Pascal Bünning
Hauptrubrik
Banner Full-Size

Prokofjews „Die Liebe zu den drei Orangen“ im neuen „Kinderopernhaus Unter den Linden“ Berlin

Publikationsdatum
Body

Zehn Partnerschulen in sechs Bezirken Berlins partizipieren an diversen Angeboten des Kinderopernhauses Berlin, das nun Einzug gehalten hat in die wiedereröffnete Staatsoper. Im Alten Orchesterprobensaal steht eine Musiktheaterproduktion auf dem Programm, die seit August vergangenen Jahres mit 22 Kindern erarbeitet wurde: die auf etwa ein Drittel komprimierte Oper von Sergej Prokofjew in deutscher Sprache, „Die Liebe zu den drei Orangen“. Peter P. Pachl war dabei.

Im beengten Raum des früheren Orchesterprobensaals, den Jürgen Flimm mit der Uraufführung von Sciarrinos „Macbeth“ als „Neue Werkstatt“ initiiert hatte, wurde für die Kinderoper eine Guckkastenbühne mit mehreren Vorhängen errichtet, rechts daneben ist der auf sieben Instrumentalist*innen reduzierte Klangkörper positioniert. Als Vorlage dient Serge Prokofjews auf Carlo Gozzis Märchen beruhende „Liebe zu den drei Orangen“. Die 17-köpfige Solisten-Besetzung von Prokofjews Oper wurde auf vier reduziert, die Chöre werden zumeist unisono ausgeführt und manche Szenen statt des gesungenen Textes von den Kindern gerufen oder als ein die Handlung zusammenfassendes Melodram interpretiert.

Die unterschiedlichen Gruppen, die den melancholischen Prinzen erheitern sollten, sind auf zwei Komödiantengruppen reduziert, auf den Wettstreit zwischen Komikern und Tragikern.

Ganz immens, was die Ausstatterin Rebekka Dornhege Reyes in den kleinen Raum gepfercht hat. Aus zwei Schubladen unter der Bühne kommen immer wieder neue Requisiten zum Vorschein, soweit diese nicht überdimensioniert sind und seitlich von der Bühne postiert werden müssen. Die immer wieder schnell verwandelten Kostüme und Masken sind überaus fantasievoll und reich; besonders originell das Heer der Rote-Kreuz-Schwestern mit Vogelmasken.

Aus dem nicht vorhandenen Schnürboden senkt sich eine Stange mit Miniatur-Kostümen, die in einen dampfenden Kessel geworfen werden, aus dem dann die Zauberin Fata Morgana (Rowan Hellier) emporwächst, die Gegenspielerin des Prinzen und Motor der Haupthandlung, denn sie weckt im Königsohn die Liebe nach den drei Orangen. Die Weisung, auf jeden Fall Wasser in der Nähe zu haben, hat der Prinz vergessen, und so vertrocknen dann zwei der drei zur Menschengröße gereiften Orangen, in deren Schale sich gleich mehrere weibliche Früchtchen zu Prinzessinnen entwickelt haben – ein siamesisches Zwillings- und ein siamesisches Drillingspaar.

In Ulrike Schwabs überaus lebendiger Inszenierung spielen häufig mehrere Kinder zusammen und gleichzeitig eine Rolle. Fünf Mädchenköpfe sind in den Rock der gefährlichen, riesenhaften Köchin integriert, deren Bassstimme jedoch von einem großen Löffel gesungen wird – jenem Solisten, der auch den König interpretiert (Ingo Witzke). Dazu laufen zwei Noppen-Präservative mit Gesichtern und den Aufschriften „S“ und „P“ quer durch die Küche um der Handlung zusätzliche Würze zu verleihen.

Die Stimmen der Solist*innen sind jugendlich und damit altersmäßig bewusst nicht zu weit entfernt vom jugendlichen Chor. Der Prinz (Daniel Arnoldos) freit am Ende die in eine Rättin verzauberte Prinzessin Ninetta (Adriane Queiroz), so dass die Sängerin, die beide Partien verkörpert, wieder in ihre Ausgangsrolle des Truffaldino schlüpfen kann.

Unter der musikalischen Leitung von Uwe Sochaszewski singen die 22 Neun- bis Dreizehnjährigen nach Leibeskräften und agieren dazu äußerst bewegt und mit beachtlicher Mimik. Und sie greifen bisweilen auch zu den von ihnen erlernten Instrumenten, um – mit der Orchesterformation wetteifernd – Prokofjews berühmten Marsch zu intonieren.

Wie im Original, wird auch hier im Prolog über die diversen Kunstrichtungen des Theaters gestritten. Hier ist es der lebende Vorhang von Orangen schleckenden Kindern mit ihren musikalisch noch unbegleiteten Meinungen über die grausamen Opernhandlungen, die Vorzüge von Komik oder Tragik, und immer wieder getragen von der Sehnsucht nach der „großen Bühne“. Der Prolog gipfelt im trockenen Kommentar eines kleinen Mädchens, den sie am Ende des 75-minütigen Opernabend als ihr Fazit wiederholen wird: „Ich find’s geil!“

Das mit Blumenbefeuchtern nass gespritzte und mit Ventilatoren gekühlte Publikum nimmt diesen Service am zweiten, heißen Vorstellungsabend dankbar in Kauf. Am Ende dann viel Begeisterung auf der Tribüne.

  • Weitere Aufführungen: 2., 8. und 9. Juni 2019.

Weiterlesen mit nmz+

Sie haben bereits ein Online Abo? Hier einloggen.

 

Testen Sie das Digital Abo drei Monate lang für nur € 4,50

oder upgraden Sie Ihr bestehendes Print-Abo für nur € 10,00.

Ihr Account wird sofort freigeschaltet!