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Konstantin Wecker erhält Erich-Mühsam-Preis. Foto: Hufner
Konstantin Wecker wird 65. Foto: Martin Hufner
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Konstantin Wecker: Kein Nörgler

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Er hat die Welt nicht gerettet. Aber eine ganze Menge Zeit erträglicher gemacht. Viele Stunden gerieten in seinem Beisein richtig schön, manche Momente wurden besinnlich, andere gar mit hellen Funken hoffnungsvoll. Und dann gab es auch Zeiten, wen wundert's, da beschlich eine verzweifelte Stimmung den Hörer seiner Musik. Aber wer weiß, vielleicht rettet Konstantin Wecker die Welt eines Tages ja doch noch? Jetzt feiert er aber erst einmal, man mag es nicht glauben, seinen 65 Geburtstag. Ein Junikind.

Konstantin Wecker ist ein Poet. Da weiß er sich mit einem Gottfried Benn in bester Gesellschaft. Aber auch Bezüge zu Giacomo Puccini gibt es zu Recht in der Biografie des poetischen Bajuwaren. Opernsänger hätte er werden können, der am 1. Juni 1947 in München geborene Barde. Es verschlug ihn aber erst mal zur Kleinkunst. Und heute gilt er als Liedermacher. Dabei ist seine Vita so vielfältig, hat er so viel hervorgebracht, wie es andere in x mal 65 Jahren nicht schaffen.

Am Anfang standen die rasch belächelten Filmchen, keiner will sie gesehen haben, aber noch immer wird amüsiert darüber gesprochen. In frühen Jahren widmete er sich aber auch schon dem Musical und tourte mit eigener Band durch die Lande. Ein bis heute nicht vergessenes Fanal gelang ihm 1977 mit „Genug ist nicht genug“, dafür gab es damals gleich den Deutschen Kleinkunstpreis.

„Genug ist nicht genug“, das gilt bis heute
Jetzt erhält Konstantin Wecker – und zwar schon zum vierten Mal! – den Liederpreis der Liederbestenliste. Sein Titel „Absurdistan“ stand über Monate hinweg auf ersten Plätzen. Doch nicht nur dieses Kriterium macht ihn ehrenwert: In „Absurdistan“ erweist sich Wecker einmal mehr als Visionär. Als hätte er die heutigen Schlagzeilen voraussehen können, besingt er in ironischer Zuspitzung seinen Glauben „ans große Geld“, an deutsche Exporte und ewiges Wirtschaftswachstum, er glaubt „an den heiligen Sarrazin“, an „deutsche Siege“ und sowieso an den Papst. Da reimen sich Zeilen wie aus der Tagespresse: „Und ich glaube, dass Nestlé die Menschen liebt / die Vatikanbank leiten Christen / Bänker sind voller Mitgefühl / und Heckler & Koch Pazifisten.“

Klar, dass so einer Anstoß erregt und in manchen öffentlich-rechtlichen Rundfunkprogrammen nicht eben als Quotenbringer gilt. Aber seine Fans hat Konstantin Wecker eh' anderswo, in seinen Konzerten, auf dem Schallplattenmarkt, nicht zu unterschätzen auch in der Buchbranche sowie mit schöner Regelmäßigkeit in der Musical-Ecke, dort jedenfalls, wo sie nicht von Teflonklang lebt. Jim Knopf, Schwejk, Pettersson und Findus, Pinocchio, Till Eulenspiegel und Peter Pan sind einige seiner Helden, aber auch historische Vorlagen à la Bayern-König Ludwig und Architekt Hundertwasser wurden dank Wecker zu Bühnenfiguren.

Lesenswert bleiben Ausgaben seiner Lieder und Gedichte ebenso wie autobiografisch geprägte Romane, sehenswert Filme wie „Die weiße Rose“, „Peppermint Frieden“, „Kir Royal“ und vor allem „Schtonk!“, zu denen auch die Filmmusik aus Weckers Hand stammt. Am besten, weil am beliebtesten, ist und bleibt der Barde wohl aber als Live-Performer.

Konzerte, die bleiben
Das Weckersche Liedschaffen ist längst für mehrere Generationen ein Allgemeingut. Ob als Solist oder im Zusammenspiel mit Hannes Wader und Reinhard Mey, mit Pippo Polina und Jo Barnikel, mit Jazzern wie Wolfgang Dauner und Charlie Mariano oder noch früher mit Joan Baez und Mercedes Sosa – Wecker bleibt sich treu, was ein gegenseitiges Befruchten natürlich nicht ausschließt.
Bei seinen Auftritten ist es weitgehend egal, ob sie unter freiem Himmel, auf der großen Bühne oder vor eher kleinem Podium stattfinden. Da wird stets mit Energie und Inbrunst musiziert, mit Witz und Spielfreude gesungen, gelesen und in die Tasten gehauen. Bemerkenswert dabei ist, wie sehr sich Wecker als Interpret treu bleibt, ohne aber die Wiederholungstäter unter seinen Gästen jemals zu langweilen. Als würde er sich wieder und wieder neu erfinden, würzt er seine Vorträge mit Leichtigkeit, variiert die Extempores und weiß sich stets eins mit seiner gewachsenen Anhängerschar. Die fordert Mal um Mal andere Lieblingssongs bei ihm ein, lange ist es natürlich der „Willy“ gewesen, dem sich Wecker eine Zeitlang gänzlich verweigert hat. Aber ob Liebeslied oder parodistisches Gegenwartsbild, das den Spießer aufs Korn nimmt: Konstantin Wecker mischt sich ein, nimmt nichts hin, sondern propagiert – und lebt! – den zivilen Ungehorsam. Da ist er ganz Demokrat. Herzlichen Glückwunsch!

Zum 65. Geburtstag beschenkt sich Konstantin Wecker mit zwei neuen Büchern:

  • „Meine rebellischen Freunde“ (Verlag LangenMüller), ausgewählte Texte von Heinrich Böll bis Sophie Scholl
  • „Jeder Augenblick ist ewig“ (dtv), eigene, teils unveröffentlichte Texte
     

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