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Ein Europäer aus Dresden macht sich frei, auch wenn er in Rente geschickt wird. Foto: kunstforumhellerau.de
Ein Europäer aus Dresden macht sich frei, auch wenn er in Rente geschickt wird. Foto: kunstforumhellerau.de
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Ein Europäer aus Dresden macht sich frei - Udo Zimmermann im Ruhestand? Undenkbar!

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Mit Beginn dieses Neuen Jahres ist einer von Deutschlands meistgespielten Komponisten der Gegenwart wieder vor allem dies, ein Mann seiner Profession, seines Berufs, seiner Berufung – ein Komponist. Udo Zimmermann, Schöpfer von Opern wie „Weiße Rose“, „Levins Mühle“, „Der Schuhu und die fliegende Prinzessin“, ist seit 1. Januar 2009 altersbedingt um ein Amt ärmer. Laut seinem Nachfolger ist dies die „interessanteste Personalie, die bei deutschen Kulturinstitutionen zu vergeben war“, gemeint ist der Posten als Intendant des Europäischen Zentrums der Künste in Hellerau.

Dieter Jaenicke, bisher als Generaldirektor des Weltkulturforums in Rio de Janeiro bekannt, übernimmt diesen Posten, den Zimmermann vor sieben Jahren installiert und seitdem recht widerständig ausgefüllt hat.

Die knappe Vorgeschichte wirft bezeichnendes Licht auf den Kulturmann aus Dresden. Der hatte zwar in seiner Geburtsstadt bereits zu DDR-Zeiten das Dresdner Zentrum für zeitgenössische Musik ins Leben gerufen und es im Umfeld des nunmehr von Uwe Tellkamp („Der Turm“) romanesk zu Spät-Ehren gekommenen Bildungsbürger-Quartiers vital auch ausgefüllt, lugte aber beizeiten auch gern über den Stadt- und den Landrand. Egoman trieb er parallele Uraufführungen seiner Musiktheaterwerke an ost- und westdeutschen Bühnen voran, jeweils erfolgreich. Nicht minder selbstbewusst organisierte er zudem die beidseitige Berichterstattung in Blättern von F.A.Z. bis Neues Deutschland. Eine Kontaktpflege, die auch in deutschdeutscher Wiedervereinigungszeit sehr hilfreich war. In Posten- und Wahrnehmungsfragen gab es von 1990 elf Jahre lang eine Höhepunktphase, als Udo Zimmermann Intendant der Oper Leipzig war. Irgendwann schielte er zwar gen München und Zürich, wurde wohl auch zum Aufschwung verheißenden Chef der musica viva am Bayrischen Rundfunk gekürt, geriet aber dann an die Spree. Hauptstadtruf und Kietzgeklüngel, hier hatte er beides. All die Jahre des visionären Musiktheaters, das ihm Theater aus dem Geist der Musik bedeutete, die ihm Lichtgestalten wie George Tabori, Karlheinz Stockhausen, György Ligeti und viele andere nach Leipzig locken halfen, sie sollten in der Intendanz der Deutschen Oper Berlin gipfeln. Der Traum scheiterte allzu rasch an so hauptstädtisch wie hauptsächlich parteipolitisch und dirigentisch kleinkariertem Intrigantentum – Zimmermann fand sich mit seinem nicht mal halb umgesetzten Konzept auf den Straßen von Charlottenburg wieder.

Dieser so rasche Sturz hat selbst Intimkenner, die ein Scheitern in Berlin beizeiten voraussagten, überrascht. Doch Zimmermann wäre nicht Zimmermann, wenn er nicht aus der Krise noch eine Erfolgsmeldung zauberte. Das „Europäische Zentrum der Künste“ wurde tags drauf auf Titelseiten offeriert, selbstredend von ihm persönlich initiiert und geleitet.

Damit knüpfte der Macher und Feingeist an sein Zentrum vom Weißen Hirsch an, siehe oben, und rückte es an Donaueschingen & Co. vorbei in die allererste Liga des Neuen in der Musik. In der Tat war die einstige Gartenstadt Hellerau, knapp vor den Toren von Dresden gelegen, einst Hort der Moderne. Bis hin zu Wendezeiten allerdings miefte in denselben Räumen geistlos Militär. Gewaltiger Bau- und Sanierungsbedarf ist bis heute die Folge. Die Visionen des künstlerischen Europäers Udo Zimmermann wurden so erheblich gebremst. Was vom Macher als Werkstatt gedacht war, geriet zur Probebühne von Forsythe-Ballett und allzu wenigen Eigenproduktionen. Gigantomanie-Projekte wie der komplette „Licht“-Zyklus von Karlheinz Stockhausen waren damit ins Absurde klassifiziert.

Immerhin gelang es, die Dresdner Tage der zeitgenossischen Musik zu erhalten und nach Hellerau hinüberzuretten. Deren 22. Jahrgang zeigte im Herbst 2008 noch einmal, was Avanciertheit bedeuten kann. Selbst der Publikumszuspruch begann endlich, dem Positivismuskonzept Recht zu geben.

Dresden 2008, Dresden 2009. Die Stadt aber duldet nichts Neues. Der Störenfried wird ruhiggestellt. In der Nachfolge Ingo Zimmermanns, des älteren Bruders, ist Udo Z. nun Präsident der Sächsischen Akademie der Künste. Dabei hat er vor Jahren die Freie Akademie der Künste zu Leipzig initiiert. Um die ist es arg still geworden ...
Was mag nun aus dem institutionellen Kunsthort der freistaatlichen Hauptstadt im Elbtal werden? Das liegt, wie es scheint, in gebundenen Händen. Was Wunder, dass der Komponist sein Heil – ein gelingendes, wie mit ihm zu hoffen ist – im Komponieren sucht.
 

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