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Janina Schauer und Antonia Labs im Salzburger "Sommernachtstraum". Foto: Magdalena Lepka
Janina Schauer und Antonia Labs im Salzburger "Sommernachtstraum". Foto: Magdalena Lepka
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Ironie mit Mitteln der Musik – oder die Suche nach Zettels Traum: zweimal „Sommernachtstraum“ bei den Salzburger Festspielen

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Erich Wolfgang Korngold hat für Max Reinhardt den „Sommernachtstraum“ von Shakespeare zu 90 Prozent in ein Musik-Theater verwandelt, denn knapp zwei Stunden lang erklingt seine Version der klanglich spätromantisch instrumentierten und erweiterten Komposition Felix Mendelssohn-Bartholdys in der Verfilmung aus dem Jahre 1935. In Reinhardts persönlichem Gesamtkunstwerk, dem Schloss Leopoldskron, collagieren die Salzburger Festspiele diesen Film mit einer ebenfalls musikalisierten Kurzfassung durch junge Schauspieler.

8 Personen – Schauspielstudierende des dritten und vierten Jahrgangs der Universität Mozarteum Salzburg – suchen einen Autor und finden ihn in Schlegels Fassung des Shakespeareschen Lustspiels. Niklaus Helbings Inszenierung als fünfviertelstündige Short Cuts Version, folgt in Auswahl und Abfolge ihrer Szenen deutlich der Dramaturgie Max Reinhardts, aber mit einem Minimum an Aufwand und knapp in der Hälfte der Zeit.

Bereits die Premiere fand allerdings entgegen der Ankündigung nicht im Park von Schloss Leopoldskron statt, sondern im nahe gelegenen, regengeschützten Doll-Garten, zwischen Putten und barocken Steinblumenkörben, umgeben von Orchideen. Mit Picknickkörben – im Kartenpreis inbegriffen – tafeln die jeweils 150 Besucher auf dichtem Kunst-Rasen an geschwungenen Messingtischen. In zeltbespannten Treibhäusern, vom Abendsonnenschein beschienen (dem erst später wiederholt Regenprallen folgt) , gemahnt dies an das Gesellschafts-Spiel in Glyndebourne und schlägt kommerziell den Bogen zu dem von Blumenhändler Doll floristisch ausgerichteten Wiener Opernball.

Unter dem veritablen Blätterdach des Doll-Gartens, beginnt das theatrale Spiel auf einem geschwungenen, roten Spielpodest, mit der Ankündigung des Hochzeitsfestes, als Rivalität von Lysander (Nikolaij Janocha) und Demetrius (Tobias Roth) um Hermia (Esther Vorwerk), als showbetonte Ansage mit Mikrofonen.

Puck – bei Reinhardt zunächst mit einer androgynen Darstellerin, dann im Film mit einem Knaben besetzt – verkörpert Sina Reiß als ein Kunstwesen mit Michael Jackson-Perücke; kunstvoll mischt sie per Mikrofon das reale Krächzen der Nymphensittiche in der Volaire hinter den Zuschauern mit eigenen Vogellauten und später mit einer Live-Geräuschebene des Waldes, als einer neuzeitlichen Entsprechung des eigenwillig glucksend lachenden Kobolds bei Reinhardt. Auch die heutige Sprache in Helbings Textfassung geht mit den Schlegeltexten eine sinnliche Vereinigung ein. Außer der scheinbar nur mit einem Schleier bekleideten Titania (Janina Schauer) und dem Puck spielen die Darsteller jeweils drei Rollen und kommen auch auf Vespas hereingerollt. Antonia Labs als Zettel erweist Zettels Traum als eine höhere erotische Wahrheit.

Die Unbekümmertheit und Frische der ausgelassen expressiven Darstellung der acht jungen Schauspielschüler reißt das Publikum mit. Auch die (von Michael Hanisch komponierte) Musik kommt zu ihrem Recht, mit einem 4er-Rap und einem Musical-artigen Rundgesang, dessen Refrain „warum fühl’ ich mich trotzdem so gut?“ fast derartig im Ohr bleibt wie kurz nach Mitternacht, am Ende der Filmvorführung, der Hochzeitsmarsch á la Mendelssohn-Korngold.

Reinhardts wahr gewordener Traum seiner Shakespeare-Verfilmung (der Titel des Trailers ist „A Dream comes true“) beginnt mit einer opernartigen Nummer für Chor und Solisten-Ensemble, wobei der Film die bei Bühnenaufführungen nicht gegebene Möglichkeit nutzt, textliche und ausdrucksmäßig charakterisierende Varianten einzelner Stimmen durch akustische Hervorhebung des in Großaufnahme gezeigten Sängerdarstellers deutlich zu machen. Ist eine Rolle, wie die der Elfe bei ihrem ersten Auftritt, eine ausschließlich singende Figur, so veranlasst dies den Partner – in diesem Falle Puck –, ebenfalls singend in den Dialog einzusteigen. Ironie und Witz auch bei Korngolds Zitaten: so intoniert das unglückliche Liebespaar seinen Dialog auf den Refrain von Emmerich Kalmans „Czardasfürstin“ („Die Mädis vom Chantant, die nehmen die Liebe nicht so tragisch“).

„A Midsummer Night’s Dream“ dauert in der amerikanischen Urfassung 132 Minuten. Dass gerade mal 10 Prozent der Besucher bis zum Ende des ungekürzten Films im Doll-Garten ausharrten, macht die Kürzungen des Verleihs, gleich nach der US-Premiere des Films, kommerziell nachvollziehbar.

Auch heute noch ungebrochen sind der zündende Witz und die tiefe Menschlichkeit des Regisseurs Max Reinhardt. Die von ihm hier geschaffenen ästhetischen Vorbilder reichen von den langgezogenen, spitzen Ohren der Gnome im Film (Spock in „Raumschiff Enterprise“ und Gnome in den Verfilmungen von Tolkiens „Herr der Ringe“ und anderen Science Fiction Storys) bis hin zur Himmelsspirale in Peter Steins Inszenierung des kompletten Goetheschen „Faust“.

Offiziell gibt es in diesem Sommer vier Aufführungen des Salzburger „Sommernachtstraum“ für je 150 Besucher. Geplant sind noch zwei weitere, die jedoch nur bei gutem Wetter und dann tatsächlich rund um das Schloss des Theatermagiers und Salzburger Festspielgründers Max Reinhardt stattfinden sollen.

Weitere Aufführungen: 11., 15. August 2011.

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