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Tagesschau 1952. Jetzt 2014 mit neuer Musik
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Mister Tagesschau: „Musik hört nie auf!!“ – Michael Ernst im Gespräch mit Henning Lohner über die neue Tagesschau-Musik

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Nur, wer sich ändert, bleibt sich treu. Gilt das auch für die Tagesschau? Die bekannteste deutsche Nachrichtensendung ist so alt wie ihr Durchschnittspublikum, genau 61 Jahre. An diesem Samstag startet sie mal wieder frisch gekurt, aus einem neuen, 23,8 Millionen Euro teuren Studio – und mit neuer Musik. Die hat der Filmkomponist Henning Lohner schneidern dürfen, Michael Ernst sprach mit ihm über dieses Projekt.

Frage: Das Erkennungszeichen der Tagesschau ist die wahrscheinlich bekannteste Melodie im deutschen Fernsehen, wieso brauchte sie jetzt neue Töne?

Henning Lohner: Es stimmt, die Tagesschau-Melodie ist die bekannteste deutsche Fernsehmelodie, das ist statistisch belegt. Sie läuft seit 1956 täglich im deutschen Fernsehen, allerdings immer wieder in neuen Bearbeitungen. Das heißt, die Melodie wurde ungefähr alle 8 bis 10 Jahre klanglich dem Zeitgeist angepasst. Das geschieht auch jetzt wieder. Die Melodie erscheint also in neuem Gewande, und dieses Klang-„Gewand“ ist dem Erscheinungsbild des neuen ARD-Nachrichtenstudios zu verdanken; das Klangbild geht auf die neuen Lichtwirkungen, Kamerafahrten und Sprecher-Situationen ein.

Bei der Tagesschau wurde lediglich „renoviert“, die Tagesthemen bekamen eine neue Komposition, warum diese Ungleichbehandlung?

Die Nachrichtensendungen der ARD erfahren eine Diversifizierung. Tagesthemen, Nachtmagazin, Wochenspiegel und Tagesschau 24 bekommen alle ihre eigenen Erkennungsmelodien. Ein Grund hierfür ist die im medialen Zeitalter für notwendig befundene Individualisierung der einzelnen Nachrichtenformate. Die Tagesthemen sind eben nicht nur eine später gesendete Tagesschau, sondern ein ganz eigenständiges Sendeformat, das seine eigene Erkennungsmelodie verdient hat.

Sie haben bisher vor allem Filmmusik geschrieben, wie kamen Sie jetzt zu den Nachrichten?

Durch einen Anruf. Ich wurde gefragt und habe gesagt, ich versuch's mal. Ich hatte das Glück, dass meine Idee dann gefiel.

Ist solch ein Auftrag mehr Last oder mehr Ehre? Schließlich gingen Sie ja ein mediales „Heiligtum“ an?

Eine Last ist es sicher nicht, die Möglichkeit des Versagens gehört zu jedem kreativen Auftrag dazu; darauf bin ich im Vorfeld immer eingestellt – dass es nicht gelingen könnte. Das Gute am Versagen ist, dass mir dann immerhin in den meisten Fällen die Peinlichkeit erspart bleibt, dass andere es zu hören bekommen. Daher ist der Versuch, für die Tagesschau zu komponieren, eine Ehre – und das habe ich von Anfang an auch so begriffen. Ich gehe nicht „gegen“ ein Heiligtum an, sondern versuche, diese Melodie – wie meine Vorgänger ebenso – in eine dem Zeitgeist entsprechende Hörform zu bringen, das heißt: den inneren Wert dieser Melodie herauszuarbeiten und an die neue Sendesituation so anzupassen, dass der Zuschauer sagt: „ja, das passt“. Das hat übrigens nicht alleine etwas mit dem Noten-Arrangement zu tun, sondern wesentlich auch mit der Mischung. Wir haben heute klangliche Möglichkeiten, die es 1956 einfach nicht gab – ich glaube schon, dass der Zuschauer das auch merkt und eine durchaus progressive Klangwahrnehmung hat.

Wie gestaltete sich die Zusammenarbeit, war die Abnahme kompliziert?

Die Zusammenarbeit ergab sich über unser Studio in Los Angeles, dem Hans Zimmer vorsteht. Hans ist zweifelsfrei Deutschlands bekanntester lebender Komponist, da braucht es nicht viel Nachdenken, um das beste Musikstudio für die wichtigste Nachrichtensendung in Deutschland anzufragen. Hans hat mir diesen Auftrag übertragen, weil er der Auffassung war, dass ich der dafür geeignete Mann bin. Die Zusammenarbeit mit dem NDR und dem einfach wunderbaren Georg Grommes, der für das neue Studio verantwortlich zeichnet, kann man nur als großartig bezeichnen. Ich hatte noch nie eine so schöne musikalische Zusammenarbeit. Dass es insgesamt zweieinhalb Jahre gedauert hat, bis die ganze Sache on-air ging, liegt an der Größe des Gesamtprojekts, keineswegs an irgendwelchen musikalischen Meinungsverschiedenheiten – wir waren von Anfang an „ein Herz und eine Seele“.

Ist ein Jingle von 12 Sekunden Dauer schwieriger zu schreiben als die Musik für einen ganzen Film?

Nee, beim Komponieren gibt es für mich die Frage der „Schwierigkeit“ nicht. Musik macht immer Spaß. Der besondere Reiz dieser Aufgabenstellung war, wie der NDR sagte, etwas zu schreiben, was sich „genau wie das bisherige anhört, aber vollkommen neu klingt“. Darüber kann man dann mal nachdenken, oder besser: daran herum-empfinden.

Wie unterschiedlich geht man da ans Schreiben heran?

Ich habe mehr oder weniger immer einen Rhythmus: Idee – Klangfindung – Ausführung. Das gilt genauso für einen Jingle wie für eine Sinfonie.

Welche neuen Projekte gibt es?

Ich habe so viele Projekte, ich weiß gar nicht, wo ich anfangen sollte, das alles zu beschreiben. Ich würde gerne mal eine Pause einbauen, aber ich befürchte, das wird mir nicht mehr gelingen. Musik hört nie auf!!

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