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Cafe del Mundo. Foto: Oliver Hochkeppel
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Nichts ist erfolgreicher als der Erfolg – Das 15. Internationale Gitarrenfestival in Hersbruck

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Vielleicht ist es das größte Kompliment für die Arbeit des künstlerischen Leiters Johannes Tonio Kreusch, dass einige vorab murrten, die großen Stars seien bei der 15. Ausgabe des Internationalen Gitarrenfestivals Hersbruck ja nicht dabei – bei einem Line-up unter anderem mit dem Flamenco-Granden Paco Peña, den Internet-Stars Adam Rafferty und Jon Gomm oder dem bereits zum dritten Mal angereisten Los Angeles Guitar Quartet.

Die Ansprüche sind eben enorm gewachsen, seit Kreusch vor neun Jahren quasi aus dem Stand vom Gastsolisten zum künstlerischen Leiter aufstieg und aus einem kleinen Privatvergnügen einiger weniger eines der wichtigsten deutschen Festivals machte, das tatsächlich international ausstrahlt. Tatsächlich fehlten beim kleinen Jubiläum die ganz großen Namen der Klassik, wie sie zuletzt regelmäßig vertreten waren, von Elliott Fisk bis zu Manuel Barrueco; fürs Kursprogramm fiel die kubanische Komponistenlegende Leo Brouwer wegen einer Erkrankung kurzfristig aus. Trotzdem musste man erstmals Studenten absagen, weil die Unterrichtseinheiten und Workshops ausgebucht waren, und bei den Konzerten gab es nicht nur einen neuen Besucherrekord, sie waren insgesamt auch so stimmig und gelungen wie selten. Nichts macht eben erfolgreicher als Erfolg.

Das zeigte sich schon beim für ein Gitarrenfestival ungewöhnlichen Auftakt mit dem Klarinettisten Giora Feidman. Der im üblichen Tourbetrieb mitunter genug Dienst nach Vorschrift leistende Klezmer-König taute in der familiären Atmosphäre richtig auf, war vom für zwei Stücke nahezu spontan eingebauten intimen Duett mit Kreusch ebenso ehrlich berührt wie das Publikum, spielte drei Stunden und versprach, wiederzukommen. Wunderbar war letztlich auch der anschließende Klassikabend in der Stadtkirche: Beim Kubaner Joaquin Clerch – der als blutjunger Assistent von Elliot Fisk einst Kreuschs Lehrer war – genoss man eine Bach-Chaconne sowie fünf Etüden und „Las Ciudad de las Columnas“ von Leo Brouwer mindestens ebenso virtuos und kunstvoll wie bei – noch – berühmteren Kollegen.

Und das Aighetta Guitar Quartet aus Nizza, zuletzt durch Einspielungen mit John MacLaughlin bekannt geworden, war zwar ersichtlich nicht das virtuoseste Gitarrenquartett, überzeugte aber mit der Auswahl seiner eigenen Kompostionen. Einmal, weil diese stets erkennbar für Quartett geschrieben waren und die Möglichkeiten dieser Besetzung nutzen. Zum anderen, weil sie authentisch verschiedene Strömungen der mediterranen Musik bündelte, vom Tango über Flamenco bis zum Chanson. Das leitete dann auch perfekt über ins weitere Festivalprogramm, das Kreusch ja immer bewusst stiloffen gestaltet: „Ich will eigentlich jeden Abend etwas andere bieten. Und immer etwas, auf das ich selbst gespannt bin“, sagt er.

So ging es am Montag mit Singer/Songwritern weiter. Kurioserweise fiel auf diesen Abend der schwächste Auftritt des Festivals. Für Christina Lux und ihre intimen Songs war die Dreifachturnhalle mit über 700 Plätzen, so sehr man sich auch mit der Dekoration und dem bemerkenswert guten Sound Mühe gegeben hatte, eindeutig das falsche Setting, zumal sie auch noch bei Tageslicht beginnen musste. „Ich bin selbst auch gar nicht richtig reingekommen“, berichtete sie hinterher. Jemand wie sie wäre zum Beispiel im City Kino besser aufgehoben gewesen, das auch die örtliche Kleinkunstbühne ist und heuer erstmals für eine „Jam Session“ (in Anführungszeichen, weil das Programm geplant war) mit Jazzgitarristin Susan Weinert, ihrem Mann Martin am Bass und mehreren Festivalteilnehmern genutzt wurde. Was du im Pop-nahen Metier geht, zeigte Tobias Regener, ein leibhaftiger DSDS-Sieger, der als Student das Festival besuchte. Den Abend in der Halle retteten dann freilich „Friend ‚n‘ Fellow“, also der umtriebige Gitarrenprofessor und –multistilist Thomas Fellow und die wiedergenesene Sängerin Constanze Friend mit einer soulig-rockigen Powershow.

Tage vorher ausverkauft war der Auftritt von Paco Peña im schlauchförmigen, auch mindestens 600 Leute fassenden Veranstaltungssaal des Daupin Speed Event, einer privaten Oldtimer-Sammlung. Bemerkenswert auch deshalb, weil bestimmt 90 Prozent des Publikums noch nie ein Flamencogitarren-Solokonzert gesehen hatte. Und auch Paco Peña vorher nicht gekannt haben dürfte, den in London lebenden Meister eines an Ramon Montoya und Sabicas orientierten traditionellen Flamencos. Wenn Kollegen wie Canzares, Santiago Lara oder Gerardo Nunez bislang das Publikum mit Grupo samt Tänzern in Wallung brachte, dann schaffte es Peña mit seiner unverwechselbaren Technik, vor allem aber mit dem tiefen Gefühlsausdruck seiner Musik.

Treue Freunde des Hersbrucker Festivals sind vier Kalifornier vom Los Angeles Guitar Quartet. Der quasi doppelte Hinweis auf die Herkunft ist bei ihnen angebracht: „Auf der Skala für kalifornisch von eins bis zehn hätten sie die elf“, brachte es ein Journalist im Pausengespräch auf den Punkt. Mit echter Chuzpe eignen sie sich die Musik der Welt an, machen aus einem Pachelbel-Thema ein fast kabarettistisches Stilkompendium und schrecken auch nicht davor zurück, Liszts „Ungarische Tänze“ für vier Gitarren zu verwirbeln. So hinreißend und bunt wie diesmal war noch keiner ihrer Auftritte hier. Leichtes Spiel hatten am Abend darauf die Fingerstyler. Adam Rafferty wurde wie schon im Vorjahr mit seinen (in langen Jazzjahren technisch perfektionierten) verblüffenden Pophit-Adaptionen zum Publikumsliebling; noch verblüffender freilich war Jon Gomm, der mit seiner Mischung aus Tapping, ständigem Umstimmen und Perkussion wildester Art das Gitarrenspiel tatsächlich um eine vorher unbekannte Variante erweitert.

Auch noch der Abschlussabend brachte die weite Welt nach Hersbruck. Der Argentinier Maximo Diego Pujol, in der Gitarrenwelt ein renommierter Komponist stellte insbesondere feinfühlige Jugendwerke vor, die vor 40 Jahren so revolutionär gewesen sein müssen wie Piazzolla. Carlos Barbosa Lima präsentierte sich erneut als meisterhafter Arrangeur brasilianischer Standards für die Gitarre. Und die beiden deutschen Flamenco-Gitarristen Jan Pascal und Alexander Kilian (der als Schüler eines georgischen Panduri-Meisters unfassbar schnell ist) rissen das Publikum mit ihrem Sextett Cafe des Mundo wohl gerade deswegen von den Stühlen, weil ihrer Weltmusik mögliche Stacheln gezogen sind.

Johannes Tonio Kreusch hat, das zeigte diese Jubiläumsausgabe in luce, die Möglichkeiten des Modells „Kleinstadtfestival“ genau erkannt. Mit dem AOK-Bildungszentrum als perfekter Festivalzentrale, der bedingungslosen Unterstützung durch den Bürgermeister, einer im Vergleich zur Konkurrenz fast einzigartigen familiären Atmosphäre und einer sorgsam aufgebauten Kurs- und Programmstruktur hat er Großes geschaffen. Das weckt Begehrlichkeiten. Der Bürgermeister einer Nachbarstadt fragte ungeniert und öffentlich, was denn Giora Feidman an Gage gekostet habe. Und auch Wertingen nahe Augsburg hat für sein noch ganz junges kleines Gitarrenfestival Kreusch als künstlerischen Leiter engagiert.

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