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Sophie Berner, Oliver Severin. Foto: Jutta Missbach
Sophie Berner, Oliver Severin. Foto: Jutta Missbach
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Nürnbergs Oper serviert Cole Porters „Kiss me Kate“ als Fastenzeit-Alternative

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Was damals nach dem Zweiten Weltkrieg als „zu intellektuell für den Broadway“ eingeschätzt worden war, wurde nicht nur 1948 dort, dann 1951 in London, sondern speziell in Deutschland ein Dauererfolg. Wolf-Dieter Peter war in Nürnberg dabei.

Diese swingende Neudeutung von Shakespeares „Der Widerspenstigen Zähmung“ war 1955 in Frankfurts Oper nicht nur das erste US-Musical auf einer deutschen Bühne – es war im Theaterland Deutschland durch seine dramaturgisch und theatralisch reizvolle Neukonstruktion und durch Cole Porters hinreißende Musik auch der Beleg, dass das Broadway-Musical viel mehr als „seichte Unterhaltung“ sein kann.

Das bestätigte sich jetzt auch in Nürnbergs Oper. Die multiple Mischung von „Theater auf dem Theater“ besticht unverändert: das Chaos einer Reisetheatertruppe, die im schwülen Baltimore Shakespeare aufführt; das Ex-Liebespaar Lilli Vanessi-Fred Graham, das als Katharina und Petrucchio sowohl die Shakespearesche Zähmung wie auch die eigene partnerschaftliche durchspielt; der Premierentrubel gesteigert durch zwei Gangster, die eine falsche Schuld eintreiben sollen, im Gefängnis aber so „alphabetisiert“ und „literarisiert“ wurden, dass sie jetzt dem Theaterleben verfallen und mit „Schlag nach bei Shakespeare“ zu Buffo-Stars avancieren … All das servierte Regisseur Thomas Enzinger in der Ausstattung von Toto und der Choreografie von Kati Farkas amüsant.

Da wurde „draußen, hinter der Brandmauer“ geraucht, sich schon mal warm getanzt; da fuhr die Brandmauer-Kulisse hoch und wir waren „backstage“; da schoben sich von links und rechts die engen Solo-Garderoben von „Kate“ und „Petrucchio“ herein und dann fuhren für die Szenen der Shakespeare-Aufführung auch „billige Allerweltskulissen“ herab, bis hin zu dem Gag, dass der sich mal eitel selbstbespiegelnde Petrucchio der großen Shakespeare-Gipsfigur den Kopf abnahm und den eigenen draufsetzte. Zu all dem erklang die neue, auch mal rockigere Broadway-Orchestrierung von Don Sebesky, wozu Kati Farkas passend auch Breakdance-Figuren und Mini-Artistisches bis zum Flic-Flac einbaute.

Nur wurden da dann auch noch die typischen Premierenproblemchen deutlich: Dirigent Volker Hiemeyer drehte mit seiner Orchester-Big-Band so auf, dass trotz Mikroport-Verstärkung Chorgesang und Solisten nicht dagegen ankamen; an der Textverständlichkeit dürfen alle noch arbeiten – voran das fränkische Komiker-Duo „Heißmann und Rassau“, deren „Schlag nach“-Duett unter den Erwartungen blieb; Übergänge sollten noch flüssiger gelingen und das Ganze ein bisschen mehr „Fetz-Peng!“ ausstrahlen – was dem guten Ensemble und den exzellenten Solisten gelingen müsste.

Denn was da an Nürnberger Ballett-Nachwuchs, Master-Absolventen der kooperierenden Münchner Theaterakademie August Everding und Solisten auf der Bühne stand, widerlegte das „Immer-noch-Argument“, dass in der deutschen Szene erstklassige Musical-Allrounder fehlen. Mit Christian Alexander Müller stand ein Petrucchio-Macho im Zentrum, der nicht protzen musste, dem man auch als Fred Graham sowohl das überschießende Testosteron wie die Sehnsucht nach liebevoller Zweisamkeit abnahm. Und die Wahl war schwer: Regisseur Enzinger hatte mit Sophie Berner eine perfekt rollendeckende Lilli-Vanessi-Katharina – und mit Antonia Welke eine Lois- Lane-Bianca, die mit Kollegin Berner nicht nur die traumhafte Model-Figur, sondern auch die „Erste-Solistin“-Stimme gemeinsam hatte. Prompt hielt er sie in Korsett und Maske „verwechselbar“ – so dass Grahams Ersatz-Techtelmechtel mit Lois und die Liebe zu Lilli glaubhafter denn je wurden… beide Ladies waren einfach „zum küssen“ – und um zu singen „Wunderbar!“

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