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Der neue Künstlerische Leiter der Salzburger Osterfestspiele Christian Thielemann bei der Vertragsunterzeichnung. Links Peter Alward (Osterfestspiele), rechts Orchesterdirektor Jan Nast (Staatskapelle Dresden) . Foto: Michael Ernst
Der neue Künstlerische Leiter der Salzburger Osterfestspiele Christian Thielemann bei der Vertragsunterzeichnung. Links Peter Alward (Osterfestspiele), rechts Orchesterdirektor Jan Nast (Staatskapelle Dresden) . Foto: Michael Ernst
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Sächsische Osterhasen für Salzburg: Thielemann wird 2013 Künstlerischer Leiter der Osterfestspiele

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Die Würfel sind gefallen. Noch bevor allzu viel Wasser die Donau, die Elbe und die Salzach hinabfließen konnte, wurden in Windeseile Tatsachen geschaffen und Nägel mit Köpfen gemacht. Die deutsch-österreichische Gerüchteküche heizte dennoch etwas schneller an und wollte sogleich gewusst haben, wer nach dem schroffen Rückzug der Berliner Philharmoniker von den Salzburger Osterfestspielen deren Zukunft gestalten wird. Ernsthaft in Frage kam dafür wohl nur die Sächsische Staatskapelle aus Dresden mit ihrem künftigen Chefdirigenten Christian Thielemann.

Die Berliner Philharmoniker waren das Traditionsorchester zu den Salzburger Osterfestspielen. Seit Herbert von Karajan 1967 dieses „Anti-Bayreuth“ ins Leben rief, setzten die Teutonen Jahr um Jahr Glanzpunkte und somit ein Gegenlicht zum sommerlichen Festival an der Salzach. Der Glanz, vor allem im Opernbereich, schien nach dem Weggang von Claudio Abbado ein wenig verblasst, Simon Rattle konnte offenbar nicht ganz daran anknüpfen; er sucht mit seinem Orchester im Festspielhaus Baden-Baden neuen Gestaltungsspielraum.

Erst Mitte Mai wurde dieser Rückzug bekanntgegeben – er hätte die Osterfestspiele durchaus in Frage stellen und ernsthaft gefährden können. Heute aber wird schon eine Zukunftslösung präsentiert, die immerhin bis zum 50. Gründungsjubiläum 2017 der nach wie vor vom sommerlichen Festival unabhängigen Osterfestspiele wirksam ist. Christian Thielemann wird von 2013 an als Künstlerischer Leiter installiert, die Sächsische Staatskapelle Dresden wird für zunächst einmal diesen Zeitraum das Orchester der Salzburger Osterfestspiele. Eingeweihte sowohl in Dresden als auch in Salzburg und Wien wollen von Anfang an gewusst haben, dass es auf diese Lösung hinauslaufen wird.

Dabei galt es erst einmal, gewisse Begehrlichkeiten und Widerstände zu überwinden. Denn auch die Wiener Philharmoniker hätten, neben ihrer sommerlichen Salzburg-Präsenz, ein erhebliches Interesse gehabt, die rettenden Osterhasen zu spielen. Ähnliche Bekundungen waren vom Cleveland Orchestra zu vernehmen, vom Salzburger Sommer-Intendanten Alexander Pereira, ja selbst der langlebigste Staatsopern-Direktor Ioan Holender wollten sich ins Gespräch gebracht sehen. Die üblichen Verdächtigungen des musikliebenden Alpenlands? Oder mehr?

Es muss wohl harte Verhandlungen gekostet haben, um Thielemann aus einem just für Ostern 2014 festgesetzten „Lohengrin“-Vertrag mit der Wiener Staatsoper herausgelöst zu haben. Nun scheint nicht nur ein Ersatzdirigent gefunden zu sein, Thielemann revanchiert sich sogar noch mit fünf „Ariadne“-Aufführungen, die er im Strauss-Jahr an der Donau absolvieren will.

In kürzester Zeit wurde also erreicht, dass man sich nicht nur keine Steine in den Weg legt, sondern dass Salzburg den verdienten künstlerischen Neuanfang mit einem renommierten Orchester unternimmt, das in Österreich ähnlich beliebt ist wie dessen künftiger Chef.

Der Start im Wagner-Jahr 2013 erfolgt mit einem neuen „Parsifal“, der später auch nach Dresden kommen und somit Kosten sparen soll. Die Sächsische Staatskapelle ist darüber hinaus mit Konzerten und Kammermusik in Salzburg präsent. Neben Thielemann wird auch der ab 2012/13 als erster Principal Guest Conductor in der Geschichte der Kapelle verpflichtete Dirigent Myung-Whun Chung in Salzburg agieren. Völlig neu soll ein „Konzert für Salzburg“ sein, das außerhalb der Festspielzyklen und ausdrücklich für die Einwohner von Salzburg stattfinden soll.

Über mangelnde Anwesenheit des 1548 gegründeten Orchesters will sich auch Dresden nicht beklagen müssen, Opernproduktionen sollen daher koproduziert werden und im Anschluss von Salzburg nach Dresden gelangen. Für die sogenannten Palmsonntagskonzerte in der sächsischen Heimstatt kurz vor Ostern werde das mehr als 150 Musikerinnen und Musiker zählende Traditionsorchester geeignete Lösungen finden, um in Dresden adäquat Flagge zu zeigen und gleichzeitig ein internationales Publikum nach Salzburg zu locken. Für Thielemann, der pro Jahr 18 Tourneekonzerte im Vertrag zu stehen hat, dürfte Salzburg als Reiseperiode gezählt werden, damit sollte seine Aktivität in Dresden also nicht eingeschränkt sein.

Sowohl in Deutschland als auch in Österreich wird dieser rasche Coup inzwischen längst als „beste aller Lösungen“ gefeiert.
 

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