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Isabel Karajan. Foto: Elia Roman
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Was ist Musik? – „Ein Schlaraffenland der Emotionen!“ – Michael Ernst im Gespräch mit Isabel Karajan

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Sie trägt einen höchst berühmten Namen und hat längst selbst weltweit Berühmtheit erlangt: Isabel Karajan, die Tochter Herbert von Karajans, hat eine eigenständige Karriere als Schauspielerin eingeschlagen und sorgt auf der Bühne wie im Film für Schlagzeilen. Da sie von früh an mit Musik aufgewachsen ist, überrascht es kaum, dass es auch in ihren Theaterprojekten immer wieder um musikalische Themen geht. Ein neues Vorhaben wird demnächst die Internationalen Schostakowitsch Tage Gohrisch mit den Osterfestspielen Salzburg verbinden.

Frage: Ihr Vater Herbert von Karajan hat 1967 die Salzburger Osterfestspiele ins Leben gerufen, inzwischen wird dieses Erbe von der Sächsischen Staatskapelle Dresden gepflegt. Verfolgen Sie solche Entwicklungen?

Isabel Karajan: Ja, natürlich! Ich finde das großartig, die Staatskapelle ist ein echter Gewinn für Salzburg. Ich bin überzeugt, das ist auch ganz im Sinn meines Vaters, der dieses Orchester ja schon immer sehr geschätzt hat und einen engen Bezug dazu hatte. Er würde sich freuen, wenn er sieht, wie Christian Thielemann, Peter Alward und auch Tobias Niederschlag mit seinen vielen Ideen die Osterfestspiele jetzt wieder vorantreiben. Das herkömmliche Publikum wird da nicht vergessen, man pflegt sozusagen eine innovative Tradition – das ist sehr wertvoll und spannend.

Christian Thielemann, heute Künstlerischer Leiter der Osterfestspiele, war einst Assistent Ihres Vaters. Aus Ihrer Sicht auch sein Sachwalter?

Sachwalter ist ein Wort, das ich nicht mag. Ich würde lieber von Gefühlswalter reden, wenn es das gäbe. Thielemann und dieses Orchester sind würdige Nachfolger, so empfinde ich es, wenn ich deren Musik höre. Da schlägt mein Herz höher! Ich bin überzeugt, sie werden die Osterfestspiele an neue Ufer führen.

Das traditionsreiche Dresdner Orchester kooperiert auch mit den Internationalen Schostakowitsch-Tagen Gohrisch. Die finden dieses Jahr zum 5. Mal statt und Sie werden eine Schostakowitsch-Collage beisteuern. Welchen Bezug haben Sie zu diesem Komponisten?

Mein Vater hat mir mehrere Male gesagt, wenn er komponieren könnte, dann würde er so komponieren wollen wie Dmitri Schostakowitsch. Als er dann dessen 10. Sinfonie dirigiert hatte, war das erst mal ein Schock für mich. Später habe ihn mehr und mehr entdeckt und auch seine Kammermusik erleben, ja lieben gelernt. All die Sprödigkeit darin, die reißt mit, reißt auf, in welche Richtung auch immer. Das hat in mir den Wunsch hervorgebracht, Texte zu finden, um das alles zusammenzufügen. Darüber hab ich mit Peter Alward gesprochen und der hat mich sofort an Tobias Niederschlag verwiesen.

So bin ich im vergangenen Jahr zum ersten Mal nach Gohrisch gekommen und war tief beeindruckt, in welch hoher musikalischer Qualität, in welcher Intensität man sich dort mit Schostakowitsch auseinandersetzt! Die Begegnungen mit Michail Jurowski, mit Natalia Gutman, mit Tony Palmer, die werde ich nie vergessen. Vor allem auch Krzysztof Meyer, der Komponist und Schostakowitsch-Biograf, hat mir diesen Kontinent noch viel tiefer eröffnet.

Sie werden dieses Jahr in Gohrisch „Fräulein Tod trifft Herrn Schostakowitsch“ als Kooperation mit den Osterfestspielen Salzburg herausbringen – mögen Sie zu diesem Projekt jetzt schon etwas verraten?

Die diesjährigen Schostakowitsch-Tage in Gohrisch werden bestimmt mein nächster positiver Schock in Sachen Schostakowitsch. Erst dort das Zirkuszelt und dann 2015 damit in den Osterzirkus nach Salzburg.

Meine Idee zu diesem Projekt, das Regisseur Klaus Ortner inszenieren wird, war die Verbindung von Schostakowitschs Musik und den Texten jener Autoren, die unter dem Stalinismus gelitten haben, die also wie er ein Opfer des Systems waren. Da bin ich bei Daniil Charms, Velimir Chlebnikow, Wladimir Majakowski und Anna Radlowa gelandet.

Durch Krzysztof Meyer weiß ich aber auch, dass Schostakowitsch einen tiefen und sarkastischen Humor hatte, dass er einen Hang zur Groteske hatte. Wie ist das mit seiner ständigen Lebensangst zu verbinden? Ängste kennen wir sicherlich alle, aber doch nicht solche, dass wir uns einen Vergleich zu ihm anmaßen könnten.

Es wird also eine Collage, die unter anderem natürlich auch auf sein in Gohrisch entstandenes 8. Streichquartett setzt. Was ich nicht wollte, sind rein biografische Dinge. Dmitri Schostakowitsch spricht durch seine Musik, wir erfahren mehr über ihn, wenn wir ihm zuhören. Da gibt es noch viel zu entdecken.

Viele Ihrer Projekte sind deutlich auf die Musik bezogen, ist sie nicht doch mehr als nur eine heimliche Liebe für Sie?

Es ist schon eine sehr merkwürdige Reise. Als Schauspielerin bin ich natürlich an die Sprache gebunden. Aber die Musik ist ein noch viel unerschöpflicheres Ausdrucksmittel. Ein Schlaraffenland der Emotionen! Diese Sehnsucht hab ich ausreizen wollen, dass das Eine zum Anderen beiträgt. Wort und Musik. Obwohl ich doch weiß, dass Musik überall auf der Welt verstanden wird. Sie ist ein emotionales Philosophieren ganz ohne Worte.

5. Internationale Schostakowitsch Tage Gohrisch – 19.-21. September 2014

www.schostakowitsch-tage.de

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