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Georg Zeppenfeld. Foto: Sächsische Staatsoper, M. Creutziger
Georg Zeppenfeld. Foto: Sächsische Staatsoper, M. Creutziger
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Georg Zeppenfeld – in diesem Jahr „der Bayreuther Held“

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Jetzt wird er als „die große Entdeckung“ gefeiert, als „Held von Bayreuth“ und „derzeit weltbester Gurnemanz“. Dabei ist der Sänger Georg Zeppenfeld seit Jahren regelmäßiger Gast der Bayreuther Festspiele und wurde dort auch in der Vergangenheit stets mit viel Lob überhäuft. Diesmal scheint alles ein wenig anders zu sein, was der sympathische Bass selbst allerdings ziemlich gelassen nimmt. Michael Ernst sprach mit ihm im Festspielhaus über die aktuelle Resonanz.

Frage: Herr Zeppenfeld, überrascht Sie der Wirbel, der dieses Jahr in Bayreuth um Ihre Person gemacht wird?

Georg Zeppenfeld: Nun, das ist immer ein Geheimnis der Medien, wie es dazu kommt. Ich bin halt mehr beschäftigt dieses Jahr und singe drei Partien. Geplant waren der Gurnemanz in der Neuproduktion „Parsifal“ und König Marke in „Tristan“, der schon aus dem vergangenen Jahr stammt. Und dann ist kurzfristig wegen der Erkrankung eines Kollegen noch der Hunding in der „Walküre“ hinzugekommen. Wenn man viel tut, ist man viel im Blickpunkt der Öffentlichkeit.

Wenn mich etwas überrascht, dann ist es das Ausmaß des Interesses. Umgehen tue ich damit eigentlich gar nicht. Das geschieht eben.

Drei Wagnerpartien in Folge, oft sogar an zwei Abenden hintereinander, insgesamt 15 Mal während der diesjährigen Bayreuther Festspiele, das ist eine enorme Leistung. Wie bewältigen Sie die?

Georg Zeppenfeld: Das ist anstrengend, natürlich, aber andererseits sind die Stücke sehr unterschiedlich. Wenn man Unterschiedliches tut, finde ich das weniger gefährlich als wenn man ein und dieselbe Sache immer wieder in kurzen Abständen macht. Da schleicht sich dann leicht Routine ein. Dem ist hier schon durch die Abfolge der Stücke ein Riegel vorgeschoben.

König Marke ist eine Partie, die einem abverlangt, dass man in kürzester Zeit alles investieren muss, was man so drauf hat als Sänger. Also eine sehr intensive Geschichte, während der Gurnemanz eher das Gegenteil ist: Da braucht man zwar auch die ganze Palette der Möglichkeiten, aber das geschieht gestreckt über Stunden. Die Herausforderung besteht darin, die Kraftreserven gut einzuteilen und das Extensive dieser Partie nicht in Langeweile umschlagen zu lassen. Also dass man am Nerv des Stückes und am Publikum bleibt.

Und Hunding braucht wieder eine andere Farbpalette, das ist ein finsterer Typ. Da ist wichtig, dass man die nötige Aggressivität mitbringt. Die Partie ist heftig, aber klein. In dieser bunten Mischung ist das diesen Sommer ganz gut zu leisten.

Im Gespräch wirken Sie völlig entspannt. Auf der Bühne aber sind Sie mal Fiesling, mal herrisch, mal weise und nobel. Wie ist dieser Spagat zu bewältigen?

Georg Zeppenfeld: In dem Moment, wo das stattfindet, gibt man alles. Das ist völlig klar. Natürlich hätte ich gern einen Tag Ruhe zwischen „Tristan“ und „Parsifal“, aber wenn es den nicht gibt, dann ist das eben so. Und in der Reihenfolge Marke Gurnemanz ist das gut zu bewältigen. Ich habe auch heute schon wieder gesungen, so wie ein Sportler das auch tut, um Muskelkater abzubauen. Es ist also wirklich nicht so, dass man völlig in den Seilen hängt.

Eine Partie wie Tristan ist da natürlich etwas anderes. Danach braucht man wohl doch einen Tag Ruhe.

Die stimmliche Herausforderung ist nur die eine Seite. Sie müssen sich in kürzester Zeit auf drei unterschiedliche Regie-Handschriften einstellen?

Georg Zeppenfeld: Zu Frank Castorf kann ich nach meinem kurzen Ausflug in die „Walküre“ nicht so viel sagen, zumal ich in meine Partie von einem Assistenten eingewiesen worden bin.

Bei Uwe Eric Laufenberg ist es so, dass er sich sehr an das Stück hält, er erzählt sehr geradlinig mit einer klaren inhaltlichen Präferenz – um dem möglichst nahezukommen, was Richard Wagner in seinem „Bühnenweihfestspiel“ über den Zusammenhang von Religiosität und Lebensglück oder gelingendem Zusammenleben der Menschen sagen wollte.

Katharina Wagner hat eine sehr eigene, vergleichsweise freie Erzählweise des „Tristan“ gefunden, sie scheut auch vor Eingriffen in die Handlung des Stückes nicht zurück. Gerade was den König Marke betrifft, den erlebt man hier nicht so, wie er traditionellerweise zu sehen ist. Das verlangt die größere Toleranz von Seiten des Sängers gegenüber einem Regiekonzept. Man muss da schon bereit sein, sich auf Dinge einzulassen, an die man nie gedacht hat. Aber so ist das im Leben, das hält den Beruf auch interessant.

Erschwerend kam noch hinzu, dass just bei der aktuellen Neuproduktion des „Parsifal“ der Dirigent Andris Nelsons kurzfristig absprang. Drei Wochen vor der Premiere! Wie haben Sie sich auf den neuen Dirigierstil von Hartmut Haenchen einstellen können?

Georg Zeppenfeld: Mit Andris Nelsons hatte ich 2010 schon den „Lohengrin“ hier gemacht, habe mit ihm auch in Edinburgh, Birmingham, München und Luzern gearbeitet. Wir kannten uns also schon recht gut. Er ist ein sehr klangsinnlicher Dirigent, der das Musikdrama aus der Farbigkeit und dem Modellieren des Orchesterklangs entwickelt. Beim Wechsel von Nelsons zu Hartmut Haenchen hatten wir die Phase der szenischen Erarbeitung des Stücks schon hinter uns, in der auch zwischen Dirigent und Solisten ein möglichst dichtes Netz gewoben wird. Bei den Orchestersitzproben, bei denen Herr Haenchen dann das Steuer übernommen hat, ist es dazu im Grunde schon zu spät. Da ging es für uns Sänger nur noch darum, kooperativ zu sein und möglichst schnell aufzufassen, was der neue Dirigent möchte. Ich glaube, dass uns das ganz gut gelungen ist. Insofern war es ein Glücksgriff, ihn gefunden zu haben, obwohl er stilistisch weit entfernt ist von dem, was Andris Nelsons vorher auf den Weg gebracht hat.

Zumal Hartmut Haenchen ja auch noch eigenes Orchestermaterial mitgebracht hat?

Georg Zeppenfeld: Ja, er hat das Orchestermaterial von Abweichungen befreit, die sich aufführungspraktisch über die Jahrzehnte ergeben haben. Dazu hat er im Autograph geforscht, und die Stimmen und das Uraufführungsmaterial studiert, um eine möglichst original an Wagner angelehnte Fassung zu erstellen. Da musste das Orchester manche Spielgewohnheiten ad acta legen, die hier in Bayreuth Tradition sind. Das war sicher auch nicht immer ganz einfach.

Im Fall meiner Partie waren das aber nur Einzelheiten.

Für die „Walküre“ hatten Sie mit dem diesjährigen „Ring“-Dirigenten Marek Janowski zu tun …

Georg Zeppenfeld: Was Herr Janowski dirigiert, das kann ich lesen wie ein Buch. Eine völlig unproblematische und unmissverständliche Zusammenarbeit.

Ist dieser Jahrgang 2016 für Sie trotz der bisherigen Meriten so eine Art Durchbruch?

Georg Zeppenfeld: Ehrlich gesagt, finde ich die Hymnen zum Teil etwas übertrieben und dem einen oder anderen Kollegen gegenüber auch ein bisschen ungerecht. Ich würde das gern etwas von meiner Person lösen. 2016 ist für mich insofern ein wichtiges Jahr, als ich mit Marke und Gurnemanz zwei Traumpartien singen darf. Und das hier an diesem Ort! Das schmeichelt mir sehr und ich fühle mich bestätigt auch mit dem, was ich täglich im Studierzimmer tue. Schließlich habe ich jahrzehntelang darauf hingearbeitet und viel investiert – wenn man dann mitbekommt, dass es gefällt, hat man schon sehr viel Freude daran. Es ist der Kontakt zum Publikum, das mit dem Applaus ja wirklich nicht geizt. Die Leute sind begeistert von der Sache, das tut einfach irrsinnig gut, dann weiß man wieder, warum man Sänger geworden ist.

Wenn sie an ihr Bayreuth-Debüt mit „Lohengrin“ zurückdenken, war das nicht schon der eigentliche „Ritterschlag“?

Georg Zeppenfeld: Ja, da habe ich diesen Aspekt durchaus eher empfunden als heute. Das war ja der erste Versuch in Bayreuth, einem Ort, der ja sehr beobachtet wird und über die Karriere entscheiden kann. Wenn das gelungen ist, ist man schon froh und erleichtert.

Wie wichtig ist Ihnen die Musik von Richard Wagner?

Georg Zeppenfeld: Sie ist mir in den vergangenen Jahren immer wichtiger geworden, je mehr ich mich da habe einarbeiten können und je mehr mir auch die Möglichkeiten zugewachsen sind, das stimmlich entsprechend darzustellen. Wagner ist schon ins Zentrum des Interesses gerückt, auch weil er sicher der Komponist ist, der die deutsche Sprache am genialsten in Musik umgesetzt hat. Die Verknüpfungen zwischen Text und Musik sind so deutlich und verraten so viel Eigeninterpretation, dass man da als ausführender Sänger gut an die Hand genommen wird.

Wenn man einen Sensus dafür hat, kann man gut erspüren, wie Wagner das gemeint hat, was er gedichtet und dann in Musik übertragen hat. Das macht schon großen Spaß, dem so unmittelbar auf die Spur kommen zu können. Wenn man das verstanden hat, wirkt man auf der Bühne vielleicht auch besonders überzeugend. Ich möchte aber nicht als Wagner-Sänger apostrophiert werden, denn es gibt noch so viel anderes …, italienische Oper zum Beispiel, Konzertgesang und das Lied!

Sie werden immer wieder – nicht nur bei Wagner – in besonderer Weise dafür gerühmt, dass Ihr Gesang so absolut textverständlich ist. Schöne Töne sind Ihnen nicht genug?

Georg Zeppenfeld: Ich finde, es ist eine selbstverständliche Voraussetzung, dass man versucht, verstanden zu werden, wenn man eine Bühne betritt. In die Wiege gelegt worden ist mir das sicherlich nicht, in Südwestfalen haben wir es nicht so mit der sprachlichen Genauigkeit. Daran habe ich feilen müssen und ich hatte großes Glück mit der Sprecherziehung im Rahmen des Gesangstudiums. Sprache und Singen behindern sich nicht gegenseitig, wie das einige meinen. Ich finde, dass das Eine dem Anderen hilft. Wenn man das entdeckt hat, macht`s großen Spaß.

Bei all den Erfolgen, die Sie ja nicht nur in Bayreuth, sondern auch an vielen anderen Bühnen haben – worauf freuen Sie sich bei einem Blick nach vorn?

Georg Zeppenfeld: Ich freue mich, dass ich jetzt in Dresden den Fürsten Gremin in „Eugen Onegin“ singen darf, dann dreht sich für mich der „Ring“ ein Stück weiter und ich werde den Fafner im „Siegfried“ singen. Es kommen auch interessante Aufgaben in München und Zürich. Diese Vielfalt ist befruchtend für die Arbeit, und damit wachsen ja auch die Möglichkeiten für einen Sänger. Außerdem sind neue Partien immer wichtig, um das Lernen nicht zu verlernen.

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