Nun also doch: Christian Thielemann wird ab der Saison 2012/13 als Chefdirigent bei der Sächsischen Staatskapelle Dresden antreten. Entsprechende Gerüchte kursierten bereits seit der plötzlichen Ankündigung von Generalmusikdirektor Fabio Luisi, seinen im Sommer 2012 auslaufenden Vertrag „aus persönlichen Gründen“ nicht verlängern zu wollen.
Doch noch Mitte September wies Thielemann, der nach internen Querelen sein Amt als Chef der Münchner Philharmoniker nicht länger beibehält, jegliche Gerüchte und Spekulationen von sich. Unmittelbar vor einem inoffiziell als „Bewerbungsdirigat“ gehandelten Konzert mit der Staatskapelle, das der nach seinem Bayreuther „Ring“ wohlverdient urlaubende Thielemann für den erkrankten Luisi übernahm, äußerte er sich folgendermaßen: „Spekulationen gibt es immer. Was meinen Sie, wo ich schon überall dirigiert hab, wo grad ein Chef gesucht wurde. Und dann hieß es immer gleich, man sei in der Auswahl. Also zum jetzigen Zeitpunkt ist das [für Dresden – M.E.] völlig spekulativ. Ich springe hier ein, weil ich schon zweimal abgesagt habe. Das hat man mir auch gesagt, wie groß die Enttäuschung über diese Absagen gewesen ist. Da hab ich mir jetzt gedacht, nun kann ich mal zeigen, wie gerne ich helfe. Und ich hab noch genug Urlaub, der ist also nicht ruiniert.“
Wechsel in Dresden steht für Kontinuität
Im selben Interview wurde der am 1. April 1959 in Berlin geborene Künstler, der als Assistent Herbert von Karajans startete und seine Laufbahn 1988 als damals jüngster GMD Deutschlands in Nürnberg begann, später in dieser Position an der Deutschen Oper Berlin wirkte und seit 2004 in München tätig ist, danach befragt, wie er die Gerüchte um seinen etwaigen Wechsel nach Dresden denn kommentiere. „Na gar nicht. Das hat mich mit München ganz kurz vor den Ferien regelrecht überfallen, als ich grad in Bayreuth mitten am Probieren war. Wenn sich etwas Neues ergeben soll, dann ergibt sich das. Wie im Privatleben, das kennt doch jeder – wenn man keine Beziehung hat und etwas sucht, dann findet man niemanden. Das ist den Leuten sehr oft auch anzusehen, den einsamen Damen an der Bar und den Herren mit dem gierigen Blick. Und umgekehrt gilt dasselbe: Wenn man wen hat, dann kann man gar nichts anderes gebrauchen. Und plötzlich steht dann wer da und es macht boing.“
Am 9. Oktober, genau einen Monat später, klingt Thielemann laut Pressemeldung aus der Kapelle anders: „Mit der Verpflichtung zum Chefdirigenten erfüllt sich für mich ein Traum. Mein Mentor Herbert von Karajan verglich den Klang dieses einzigartigen Orchesters einmal mit dem 'Glanz von altem Gold'. Besser kann man dies gar nicht in Worte fassen! Schon in den erste Proben zu den Konzerten mit der achten Sinfonie von Bruckner konnte ich erneut erleben, über welch singuläre Qualität die Staatskapelle verfügt. Hier spielt natürlich auch die Erfahrung im Operngraben eine maßgebliche Rolle, aus der ein Ensemblegeist und eine Flexibilität resultieren, die ein reines Konzertorchester kaum erreichen kann. Ich freue mich außerordentlich auf die gemeinsame Arbeit in den kommenden Jahren.“
Christian Thielemann wird Chefdirigent der Sächsischen Staatskapelle und dürfte an die traditionelle Wagner- und Strauss-Pflege anknüpfen
Geradezu unisono stehen Sachsens neue Staatsministerin für Wissenschaft und Kunst, Sabine von Schorlemer, sowie die designierte Intendantin der Semperoper, Ulrike Hessler, und selbst der scheidende Fabio Luisi zu dieser Wahl. Letzterer übernimmt im Anschluss an seine Dresdner Jahre gemeinsam mit dem bisherigen Intendanten der Komischen Oper Berlin das Opernhaus Zürich, wo der gebürtige Genuese wiederum als GMD antreten wird. Anmerkung am Rande: Keine zehn Jahre ist es her, da hätte Fabio Luisi beinahe Christian Thielemann in der Chefposition an der Deutschen Oper Berlin beerbt. Intrigen von Orchester und Senat wussten dies zu verhindern und führten bald darauf zum vorzeitigen Abgang von Intendant Udo Zimmermann.
Thielemanns jüngstes Dresden-Konzert jedenfalls war ein fulminanter Erfolg und wird am November bei MDR Figaro übertragen. Bereits am 13. und 14. Februar 2010 – zu Gedenkkonzerten 65 Jahre nach dem Bombardement auf Dresden – kehrt Christian Thielemann erneut ans Pult des Orchesters zurück und dirigiert die „Missa Solemnis“ von Ludwig van Beethoven.
[update – 12.10.]
ddp - Christian Thielemann will in Dresden möglicherweise sein Repertoire erweitern. «Ich liebäugele seit Jahren mit Schostakowitsch, war aber bislang noch nicht vorgedrungen, weil so viele andere Kollegen damit beschäftigt sind. Jetzt denke ich, ich könnte mir das auch einmal vornehmen», sagte Thielemann der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung» (Montagausgabe, 12.10.). Überhaupt reize ihn das russische Repertoire sehr. «Und in der Oper möchte ich gerne späten Verdi dirigieren, das habe ich schon immer gewollt.»