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Tumult an der Leipziger Oper - Wagner-Verband rügt «Gewaltorgie»

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Leipzig (ddp-lsc). Regisseur Michael von zur Mühlen hat mit seiner Inszenierung der Wagner-Oper «Der fliegende Holländer» an der Oper Leipzig für einen Eklat gesorgt. Scharfe Kritik kam nach der Premiere des Werkes am Samstag unter anderem vom Richard-Wagner-Verband Leipzig e.V.

   Der 29-jährige Regisseur habe mit seiner Inszenierung, die zu tumultartigen Szenen im Opernhaus geführt hatte, jedes Gespür für das Werk und Demut vor der Lebensleistung des Komponisten vermissen lassen, rügte ein Verbandssprecher am Montag. Leipzigs Kulturbeigeordneter Georg Girardet (FDP) nannte die heftige Kritik der Zuschauer «sehr substanziell und begründet».

   Girardet appellierte an den Regisseur, diese Kritik ernst zu nehmen und darauf zu reagieren, anstatt - wie am Samstag geschehen - den Saal «mit einer relativ arroganten Geste» zu verlassen. Der Kulturbeigeordnete forderte ihn auf, nach jeder Vorstellung mit dem Publikum zu diskutieren. «Hier hat ein junger Mann eine Riesenchance bekommen, diese aber nicht zur Zufriedenheit des Publikums genutzt», sagte Girardet, der nach eigener Darstellung bei der Premiere selbst «mitgelitten» hat. «Wir sind als Publikum gequält worden», betonte er. Ein Eingreifen der Stadt lehnte er jedoch mit Verweis auf die Freiheit der Kunst ab.

   Der Sprecher des Wagner-Verbandes sagte, die Aufführung sei «eine Beleidigung des Leipziger Komponisten Richard Wagner, der Musikstadt Leipzig und eine Verletzung der Würde von Mitwirkenden wie Publikum» gewesen. Während der Premiere hatte es heftige Proteste und Buhrufe gegeben.

   Die Zuschauer hatten unter anderem mit Unmut auf ein Video reagiert, das zu Beginn des ersten Aktes eine tödliche Kampfhundattacke und eine Schlachthausszene zeigte. Michael von zur Mühlen, der Musikwissenschaften und Philosophie studierte, ließ in seiner als äußerst provokant eingestuften Inszenierung die Protagonisten auch über die Publikumssitze klettern und barbusig agieren. Zudem reiben sie sich mit dunkler Farbe und Theaterblut ein.

   «Es ist bedauerlich, aber durchaus vorstellbar, dass ein Endzwanziger spätpubertäre Fäkalfantasien sowie eine zutiefst destruktive Weltsicht hat», sagte ein Sprecher des Verbandes. Bisher sei es aber nicht vorstellbar gewesen, dass er in Leipzig die Möglichkeit erhalte, diese Fantasien auf der Bühne des Opernhauses umzusetzen. Die «Orgien von Gewalt, Blut und Sex» seien eine Zumutung für Chor und Solisten auf der Bühne sowie für das Publikum im Saal gewesen. Viele Zuschauer hätten gegen die Inszenierung protestiert, einige den Saal verlassen. Sie sei nicht schlüssig und «eine einzige Fehlleistung» gewesen. Nur die Musik habe an das Werk des Komponisten erinnert.

   Girardet sagte, Mühlen habe in seiner Inszenierung trotz aller Kritik «klare moralische Positionen» bezogen, diese jedoch sehr Schwarz-Weiß und vereinfacht dargestellt. So seien den Zuschauern sehr lange auf Video zunächst Vieh-Schlacht-Szenen und anschließend Dollar-Noten gezeigt worden. Er könnte sich jedoch vorstellen, dass diese Inszenierung junge Menschen anspricht. In der Leipziger Oper sei das Gros der Zuschauer allerdings 55 Jahre oder älter.

   Im Leipziger Opernhaus war zunächst niemand für eine Stellungnahme erreichbar. Unklar ist deshalb, ob «Der fliegende Holländer» in dieser Version weiter auf dem Spielplan des Hauses bleibt.
 

 

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